Ed und ich arbeiten seit ein paar Jahren zusammen, um eine größere Leserschaft zu erreichen, sein Consulting voranzutreiben und weitere Möglichkeiten für das Helfen und Lernen zu erschließen. Es ist mir eine große Ehre, in diesem Vorwort einige meiner Gedanken zu diesem Buch beizutragen, das auch Namensgeber für dieses Projekt ist, das Organizational Culture and Leadership Institute (OCLI.org).
Als Ed in den frühen 1980er-Jahren mit diesem Buch begann, war Unternehmenskultur ein relativ neues Konzept. Heutzutage wird dieses Konzept weltweit anerkannt, diskutiert, diagnostiziert, geformt, „verändert“, beschuldigt usw. All das ist innerhalb einer einzigen Generation geschehen. Als ich 1983 meinen Bachelor in Sozialanthropologie absolvierte, beendete Ed die erste Auflage von Organizational Culture and Leadership. Zu Beginn des Jahres 2006, als Eds Enkelin (meine Tochter) ihren Bachelor in Wirtschaftswissenschaften machte und sich auf die Arbeit in einem internationalen Management Consulting Unternehmen vorbereitete, fragte Ed sie nach der Firmenkultur. Die Frage war vielleicht etwas vermessen von Ed, weil sie nur einen Sommer lang dort ein Praktikum gemacht hatte. Und trotzdem, sie zögerte kaum, als sie Schlüsselaspekte und Firmenwerte beschrieb. Wir schlossen daraus, dass sie in den wenigen Monaten bei diesem Unternehmen dieser Kultur in einem Maß ausgesetzt, ja, vielleicht sogar indoktriniert worden war, dass sie sie beschreiben und – im Idealfall – darin aufgehen konnte.
Nichtsdestotrotz, das ist nicht überraschend; gereifte Unternehmen (in diesem Fall, Unternehmen die Geschäftstipps anbieten) wissen um ihre Kultur und haben eine Bildsprache, Metaphern und das Vokabular, mit dem sie diese beschreiben und lehren. Ist es überraschend, dass diese kulturelle Immersion – oder Indoktrinierung – Teil eines Sommerpraktikums ist? Der Sinn eines Ferialpraktikums ist es, zu testen, ob Unternehmen und Individuum zusammenpassen, ob die Chemie stimmt. Daher macht es also absolut Sinn für beide Seiten, die Bereiche Industrie sowie Ausbildung und Jobausrichtung zu testen. Die Unternehmenskultur ist ein Schlüsselelement, wenn es um ein gegenseitiges Kennenlernen geht – ja, sie ist ein wichtiger Aspekt zu Beginn jeden Arbeitsverhältnisses.
Wie auch immer – sollte ich überrascht sein, dass meine Tochter diese offene Frage über die Kultur ihres zukünftigen Arbeitsgebers so leicht beantworten konnte? Sie ist, wie ich, in einem Haushalt aufgewachsen, in dem, auch im erweiterten Familienkreis, immer wieder über solche Dinge gesprochen wurde. Es liegt in den Genen, daher war so eine Frage für sie nie seltsam oder aus der Luft gegriffen. Und trotzdem: Die Leichtigkeit, mit der sie die Frage beantwortete, war für mich außergewöhnlich. Ich bin mir ziemlich sicher, hätte Ed mir diese Frage über meinen ersten Arbeitgeber gestellt, hätte ich mich gewunden und zu XVIIIartikulieren versucht, was ich erlebte. Ich konnte genauso viel Unternehmenskultur beobachten, doch nichts davon wurde ausgesprochen und ich hatte das Vokabular nicht, um sie zu beschreiben.
Im Laufe der vier Auflagen von Organizational Culture and Leadership haben wir uns von einer Unternehmenskultur, von der jeder im Unternehmen eine vage Ahnung hatte, die das Verhalten regelte und Entscheidungen betraf, hin zu einer Unternehmenskultur entwickelt, die mit einer gemeinsamen Sprache verstanden und beschrieben werden konnte, die das Aushängeschild und der Stolz einer Firma geworden ist und die zuerst verändert werden muss, wenn es um eine strategische Neuausrichtung geht. Die Kultur in dieser expliziten Führungsrolle im Bewusstsein unseres Arbeitslebens ist heutzutage Untersuchungsthema zahlreicher rein analytisch umfragebasierter Diagnostiksysteme genauso wie einfacher „App“-basierter Dashboard-Instrumente (von denen so manche einige Millionen Dollar Start-up-Investment von hochrangigen Unternehmen erhalten haben). „There’s money in them thar hills“1, dieser Ausdruck gilt heute zweifelsohne für die Diagnose, Analyse und Veränderung der Unternehmenskultur. All das ist innerhalb einer einzigen Generation passiert.
Meine Sicht auf Unternehmenskultur ist hauptsächlich von meinen rund 25 Jahren im Silicon Valley geprägt. Egal ob bei Apple in den frühen 1990ern, Internet-„Start-ups“ im Web 1.0 oder Sun Microsystems in den 2000er-Jahren, ich habe erkannt, dass sich kulturelle Normen in technologischen Unternehmen natürlich auch von anderen Unternehmen unterscheiden und bezüglich Kategorien ebenfalls anders funktionieren als andere Industriezweige. Eine der ersten expliziten Beschreibungen der technologischen Kultur die ich hörte, ließ sich mit einer einfachen Frage zusammenfassen: „Ist es eine Pinguin- oder eine Bärenkultur?“ Ich wusste nicht, was es damit auf sich hatte, nahm aber an, es sei besser in einer „Bärenkultur“ zu sein.
Ob es möglich ist, ein deskriptives Kulturmodell zu schaffen, das wertneutral und nicht normativ geprägt ist, ist hier nicht die Frage – außer der Anmerkung, dass die Systematik des Modells je simpler sie ist, in eine – wie auch immer geartete – Richtung tendiert. In diesem Fall unterscheiden sich die beiden in der Beschreibung, wie ein Unternehmen oder eine Gruppe mit der Herausforderung umgeht, die ein unfähiges oder schwaches Gruppenmitglied darstellt. Bären versuchen, dem schwachen Mitglied ihres Rudels wieder zu Gesundheit zu verhelfen – also das schwache Gruppenmitglied zu verbessern. Das war aber nicht der Grund für meine Neigung zur Bärenkultur, den ich erwartet hatte, bevor ich die Erklärung hörte. Ich nahm an, dass es etwas mit Stärke und Dominanz, gepaart mit Intelligenz zu tun haben müsse. Stattdessen ging es darum, Geschwächte zu versorgen. Pinguine hingegen hacken den Schwachen in ihrem Schwarm zu Tode. Ganz im Gegensatz zu unserer niedlichen Vorstellung von Pinguinen geht es bei dieser Kultur um brutales Durchsetzungsvermögen.
Wenn ich über dieses Kontinuum vom Pinguin zum Bär nachdenke, finde ich die Beschreibung von Technologieunternehmen sehr treffend, angeordnet in XIXdieser helfenden bis zur brutalen Dimension. Doch wenn wir an Kulturmodelle denken, zeigt dieses einfache Beispiel zwei weitere Themen auf, auf die Ed in dieser Auflage ausführlich eingehen wird. Erstens fühlen wir uns von einfachen, ansprechenden Modellen und Schemata angezogen. So stellt zum Beispiel Camerons und Quinns OCAI (Organizational Culture Assessment Instrument) ein interessantes Kulturmodell dar, das auf einem Rahmen von wetteifernden Werten basiert (man könnte sagen, Bär gegen Pinguin sind konkurrierende Werte). Was mir am OCAI am besten gefällt, sind die Sprache und die Metaphern: Kulturen werden als „Klan“, „flexible Organisationsform“, „Hierarchie“ oder „Markt“ bezeichnet. Diese Beschreibungen hallen in uns nach; sie sind sinnvoll und wir merken sie uns, um zu verstehen oder zu beschreiben, was wir erleben.
Technikinnovatoren im Silicon Valley verwendeten von Beginn an auch gerne Metaphern, um den nicht „Initiierten“, den Unwissenden, ihre bahnbrechende Technik zu erklären und zu verkaufen. So helfen uns PC-Verwendern zum Beispiel das „Fenster“ und der „Navigator“ dabei, Interfaces und Internetbrowser zu verstehen. Mit den richtigen Metaphern können wir uns auf standardisierte Weise auf etwas beziehen unterschiedliche Artefakte erklären, weil sie in ein Modell passen. Der Begriff „Betriebssystem“ bedeutet heute viel mehr als nur OS X oder Linux; diese Betriebssystem-Abstraktionen und Standardisierungen ermöglichten Geschäftskunden sowie Privatkunden, Nutzen aus diesen hoch komplexen Maschinen zu ziehen. Und hier schließt sich der Kreis: Wir nutzen persönliche Computer-Metaphern, um Unternehmensstrukturen und -funktionen zu beschreiben. Das „Betriebssystem“ bietet Metaphern und eine Sprache, um die Beschreibung, wie eine Organisation funktioniert, zu standardisieren. Die Unternehmenskultur ist eine Abstraktion, die wir heute als Bestandteil ihres „Betriebssystems“ akzeptieren. Im Silicon Valley wurden Dimensionen, Zuschreibungen und Fakten in nette, attraktive Modelle verpackt, die in einprägsamen Metaphern genügend Details eines durchgängigen Modells eines komplexen menschlichen Systems darstellen. Auch diese Entwicklung ist innerhalb nur einer einzigen Generation entstanden.
Warum beharre ich so auf diesem Fortschritt innerhalb einer einzigen Generation? Ganz einfach: Es stellt sich die Frage „Können oder sollen wir uns vorstellen, was die nächste Generation zum Verstehen von Unternehmenskultur, Führung und Veränderung beitragen wird?“ Ich bin kein Futurist, doch die Antizipation zweier Aspekte ist besonders bedeutsam. Erstens, wie bereits erwähnt, gibt es viele Mittel und Wege und neue Schemata werden derzeit geschaffen, um Kultur und Unternehmensklima zu beschreiben. Allgemein gesprochen können wir vorhersehen, dass das, was in unserem Arbeits- und Privatleben geschieht, zunehmend gemessen und bewertet werden wird, alles um unser Leben zu verbessern und das „Fine-Tuning“ voranzutreiben. Mit endlosen Netzwerken, starken Schwachstromsensoren, mit denen man praktisch alles machen kann, sowie unlimitiertem Cloud-Computing und Speicherplatz, gibt es keinen Grund, warum nicht beinahe jeder Aspekt unseres Berufs- und Privatlebens in jeder Sekunde erfasst werden sollte. „Big Data“ ist ein vielseitiges Phänomen, das die meisten Dimensionen von Führung umfasst, einschließlich Kultur und Klima.
XXEs gibt in zunehmendem Maße die Vorstellung: Warum nicht kürzere, genauere Intervalle studieren, wo wir doch so viel von unserer Produktivität...