271. Intention mit Mut und Wille
29Weg mit Zielen, her mit der Intention
Dieser Moment macht mich noch heute traurig, aber er bewegt und motiviert mich auch. Kurz bevor die Mutter meines besten Freundes starb, saßen wir im Kreise ihrer engsten Vertrauten zusammen und haben über das Leben geredet. Dabei hat sie uns noch mitgegeben: „Ich bereue nichts von dem, was ich getan habe. Ich bereue nur, was ich nicht getan habe.“
Machen Sie sich die tiefe Bedeutung dieser zwei einfachen Sätze klar. Sie wollte etwas tun und hatte die Möglichkeit dazu. Nur getan hat sie es nicht. Sie hat gezögert. Bis es zu spät war. Denn auf dem Sterbebett ist es nicht mehr möglich, noch ein Konzert in der Mailänder Scala zu besuchen oder eine bestimmte Wanderung zu unternehmen.
In diesem Augenblick ist mir klar geworden, dass ich eine einmalige Chance habe, aus meinem Leben etwas zu machen. Dafür zu sorgen, dass ich möglichst wenig bereue. Denn irgendwann ist es zu spät, noch etwas nachzuholen. Und ich begann, über mein Leben nachzudenken.
Das bisherige Zwischenergebnis dieser Reise ist die Erkenntnis verschiedener Prinzipien, die, wenn sie beherzigt werden, zu einem erfüllten Leben führen.
Natürlich gibt es keinen Schalter für Glück, Gesundheit und Erfolg. Das meiste im Leben ist ja nicht planbar und liegt außerhalb unserer Kontrolle. Aber einiges können wir schon beeinflussen, zum Beispiel unser Denken und damit auch unsere Intention. Ich würde es sehr bereuen, ein Leben ohne große Intention geführt zu haben. Allerdings ist das mit der Intention gar nicht so leicht, daher führen ja auch 99,99 Prozent ein Leben ohne große Intention. Denn mit Intention ist hier nicht gemeint, pünktlich Feierabend zu machen, bei Aldi die vermeintlich besten Schnäppchen zu kriegen oder zweimal im Jahr einen schönen Urlaub zu haben. Doch was genau ist eine Intention und warum ist sie so wichtig?
30Dank des Judotrainings konnte ich in der zweiten Klasse den nervigen Viertklässler auf meinem Schulweg im hohen Bogen in den Vorgarten eines Hauses schleudern. Keine Sorge, mit gutem Grund, er wollte mir gewaltsam das Fußballsammelbild mit meinem Helden Karl-Heinz Rummenigge abnehmen. Es war zur WM 1986 in Mexiko.
Doch mit zwölf reichte Judo nicht mehr, ich wollte mehr. Ich war von Taekwondo begeistert und wollte es unbedingt lernen. Das Wort „unbedingt“ erhält gleich eine besondere Bedeutung. Denn meine Eltern hielten diese Sportart für zu brutal. Aus der Traum? Nicht für mich und meine unbedingte Intention. Zum Glück kam ein Schulfreund auf die Idee, mir ein blaues Auge zu schlagen. Dann solle ich von Tränen und am besten noch blutüberströmt nach Hause gehen und meine Mutter fragen: „Hättest du mich zum Taekwondo gelassen, wäre das nicht passiert, oder?“ Natürlich nicht als Vorwurf, sondern mehr als Frage. Kinder sind so schlau! Kinder tun alles, sind kreativ und zu unfassbarer Energieleistung fähig, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt haben (also eine Intention haben). Erst war ich ja skeptisch, doch dann stimmte ich der Idee zu.
Allerdings wussten wir nicht, wie fest man für ein blaues Auge zuschlagen muss. Nach kurzer Beratung ließ mich meine Intention zu ihm sagen: „Volle Kanne, dann sind wir sicher.“ Ich schließe die Augen, mein Kumpel schlägt zu. Ich falle um, er ist erst erschrocken und dann verärgert, weil in dem Augenblick unser Lateinlehrer um die Ecke biegt. Das Dumme dabei war vor allem, dass ich die Sache erst aufklären konnte, als ich wieder bei Bewusstsein war. Aber ein Blick in den Spiegel hat mir gezeigt, wie gut die Aktion geglückt ist. Ein herrliches Veilchen strahlte mir entgegen.
Meiner Mutter dann nachmittags zu sagen „Mit Taekwondo wäre das nicht passiert, oder?“ war dann eine Kleinigkeit. Die Anmeldeformulare waren schnell unterschrieben.
Ich erzähle Ihnen diese Geschichte, damit Sie sehen, wie wichtig eine unbedingte Intention ist. Wie wichtig es ist, sich für eine Sache voll und ganz hinzugeben, bedingungslos etwas zu verfolgen, was einem selbst wichtig ist. Auch gegen Widerstand 31und gegen den Willen der anderen. Bereit zu sein, aufgrund seiner Intention gegen den Strom zu schwimmen und sich vielleicht unbeliebt zu machen, weil Sie nicht genauso sind wie die anderen – und wie die Sie haben wollen. Nur wenn wir dabei alles geben und mehr auf den Sinn als auf den Aufwand fokussiert sind, maximieren wir die Chance, alles zu kriegen.
Je größer der Mut, desto größer die Belohnung.
Allerdings können Sie im Leben beobachten, dass diese Regel auch umgekehrt gilt: Je größer die Angst, desto kleiner die Belohnung.
Mir laufen wirklich zu viele Bedenkenträger herum. Erst erzählen sie mir von ihrem Traum, nach Vietnam zu reisen, und im nächsten Satz quatschen sie sich selber raus, weil dort amselgroße Mücken leben. Da frage ich mich doch, wie die Einheimischen überleben können?
So viele Angestellte sind so schrecklich unglücklich mit ihrem Chef, ihrem Gehalt, ihren Kollegen oder im allerschlimmsten Fall mit einer Kombination aus allem. Der Wunsch nach Kündigung und der Gründung einer eigenen kleinen Firma ist groß. Doch aus dem Wunsch wird keine unbedingte Intention, weil „das Gründen in Deutschland ja so schwer ist“. Ach so, und wie haben das dann die vielen Gründer geschafft, die mittlerweile eine erfolgreiche Firma leiten?
Das Ausmaß von Klagen über Stress hat extrem zugenommen. An sich müssten meiner Meinung nach alle, die über Stress klagen, mit der bedingungslosen Intention zur Arbeit gehen, dabei gelassen und glücklich zu sein.
Dafür alles tun und bereit sein, sich, bitte nur metaphorisch gesehen, ein blaues Auge schlagen zu lassen. Also mal eine Pause machen, mal Nein sagen und mal sagen, was einem nicht passt. Aber nein! Die Intention bleibt oftmals, wie sie ist: durchkommen und hoffen, dass nichts Schlimmes passiert.
Mir bereitet das größte Sorge. Denn viele denken: „Ist doch okay; es geht doch noch, ein bisschen Stress hier da, ein bisschen Druck da … ist doch halb so schlimm …“ Und dann macht es „bumm“ und ihr Licht ist aus.
32 Ein O.K.-Denken führt ganz schnell zum K.o.
Sie wollen mal live erleben, was ich mit Intention meine? Wenn Sie gelegentlich Zeit haben und auf Mallorca sind, besuchen Sie in der Nähe von Palma den Tapas Club Portixol. Setzen Sie sich einfach an einen Tisch mit Blick auf das Meer und bestellen Sie ein paar Tapas und etwas zu trinken. Mein Tipp sind die wahlweise mit Fisch, Fleisch oder Spinat und Käse gefüllten Kroketten, abgerundet mit einem San Miguel. Lassen Sie Platz für den hausgemachten Nachtisch.
Wenn alles an seinem Platz ist und Ihre Sonnenbrille sitzt, beobachten Sie die Kellner. Sofort wird Ihnen klar, dass die alle eine gemeinsame bedingungslose Intention verfolgen: den Gast mit grandiosem, also schnellem, kompetentem und freundlichem Service zu begeistern. Sie sehen das unter anderem an der Körpersprache und daran, dass alle mindestens drei Sprachen sprechen und Dinge wahrnehmen, die sonst kaum ein Kellner sieht.
Das ganze Szenario wird umso beeindruckender, wenn Sie den Kellner mit dem durchschnittlichen Kellnerverhalten in Spanien vergleichen. Nicht schlecht, nur anders, als sich das ein zahlender Gast mit normalen Ansprüchen vorstellt. Und ja, ich weiß, dass es das in Deutschland auch gibt, wir von „Manjana“ lernen können, und dass in den USA auch nicht alles glänzt, was Service ist.
Aber es ist so schön, diese unbedingte Intention der Kellner zu sehen, mir meinen Besuch im Tapas Club so schön wie möglich zu machen. Die reißen sich ein Bein für ihre Intention aus und können dann immer noch schneller auf einem Bein hüpfen als die allermeisten anderen Kellner auf zwei Beinen.
Ich würde mir wünschen, dass Sie sich für Ihre Intention auch ein Bein ausreißen – wieder metaphorisch gesprochen.
Welches ist der Unterschied zwischen einem Ziel und einer Intention? Wenn Sie vom Kopf her aufgrund von rationalen Gründen etwas erreichen wollen, haben Sie ein Ziel. Gut, Ziele haben Sie hoffentlich und können den jeweiligen Erreichungsgrad 33aufgrund der Rationalität von Zielen auch objektiv messen.
Ziele sind nicht sehr bewegend, daher funktionieren ja auch nur maximal 1 Prozent der Zielvereinbarungen in den Firmen.
Es wird vom Chef ein Ziel vorgegeben, so die Praxis, dann wird ein Jahr nicht drüber gesprochen, so die weitere Praxis, und nach einem Jahr gibt es dann den Vorwurf, dass der böse Mitarbeiter das Ziel nicht erreicht hat. Was für eine Überraschung! So das Ergebnis der traurigen Praxis.
Ein Ziel kann zum Beispiel sein, innerhalb von 40 Jahren 100 Länder bereist zu haben. Das klingt erst mal gut. Da könnten Sie jetzt reisen, abhaken, reisen, abhaken und so weiter. Doch wenn es aufgrund der geringen Inbrunst bloß ein Ziel ist, dann reicht die Emotion nicht aus, um den Aufwand für 100 Reisen an Geld, Widerstand und Zeit aufzubringen. Ein Ziel wird schnell wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen, wenn es zu Schwierigkeiten kommt.
Eine Intention ist emotionaler, berührender, satter, umfassender, erfüllender. Sie geht tiefer, kommt aus unserem Herzen und leitet uns. Wenn Sie das Bereisen der 100 Länder als wirkliche Intention haben, dann lassen Sie sich nicht von Reisewarnungen des...