Untersuchungsmethoden in der Orthopädie
Um bei einer orthopädischen Erkrankung die richtige Diagnose stellen zu können, sind sowohl Gespräche als auch Untersuchungen notwendig. Dabei wird in der Regel zunächst in einem persönlichen Gespräch die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) und das genaue Abfragen der Beschwerden erfolgen. Auf Basis der Ergebnisse dieses Gesprächs dienen anschließende Untersuchungen dazu, die vermutete Diagnose zu bestätigen oder andere Ursachen der Beschwerden auszuschließen.
Generell sollte gelten, dass Untersuchungen nur dann durchgeführt werden, wenn sich aus ihrem Ergebnis auch Konsequenzen für die weitere Behandlung ableiten. Konsequenzen können etwa darin bestehen, dass bestimmte Behandlungsmethoden zur Anwendung kommen, dass andere Erkrankungen durch die Untersuchung möglichst sicher ausgeschlossen werden können oder dass mehr Informationen über die Erkrankung gewonnen werden.
Bei der Veranlassung von Untersuchungen sind eventuelle Belastungen für den Patienten zu berücksichtigen, wie etwa eine Strahlenbelastung, mögliche Reaktionen auf Kontrastmittel, aber auch eine eventuell bestehende Platzangst sowie der Zeitaufwand für den Patienten.
Ökonomische Aspekte sind wichtig, um begrenzt vorhandene Mittel sinnvoll einzusetzen und sie nicht für unnötige Untersuchungen zu vergeuden.
Welche Untersuchungen bei welchen orthopädischen Erkrankungen sinnvoll eingesetzt werden, wird in jedem einzelnen Kapitel des Buches erläutert. Im Folgenden werden die einzelnen Schritte der Diagnosestellung und die verschiedenen möglichen Untersuchungsmethoden unabhängig von konkreten Krankheitsbildern in einem kurzen Überblick vorgestellt.
Erheben der Krankengeschichte (Anamnese)
Am Beginn der Behandlung steht das Gespräch mit dem Patienten. Er sollte in ausreichender Zeit und in eigenen Worten seine Beschwerden schildern. Aus der Schilderung ergeben sich für den Arzt die ersten Hinweise darauf, um welche Erkrankung es sich handeln könnte. An die Schilderung durch den Patienten schließen sich gezielte Fragen des Arztes zu Art und Dauer der Beschwerden an. Mit Hilfe dieser Anamnese lassen sich in der Regel bereits 80 % der Diagnosen stellen. Anhand des Ergebnisses wird entschieden, ob und welche weiteren Untersuchungsmethoden noch notwendig sind.
Die Anamnese ist zur Stellung der Diagnose meistens weitaus wichtiger als andere Untersuchungsmethoden.
Körperliche Untersuchung
Die körperliche Untersuchung des Patienten durch den Arzt wird häufig auch als klinische Untersuchung bezeichnet. Gemeint ist, dass der Arzt den Patienten durch Beobachtung (Inspektion), durch Hören, ggf. auch durch Riechen und mit seinen Händen untersucht. Dabei werden auch Instrumente,, wie z. B. ein Reflexhammer zur Prüfung der Reflexe, verwendet.
Die Abbildung zeigt den Test der vorderen Schublade. Dabei zieht der Untersucher den Unterschenkel zu sich heran. Ist das vordere Kreuzband gerissen, ist dies zum Vergleich zur gesunden Seite vermehrt möglich.
Nach der Anamnese ist die körperliche Untersuchung in der Orthopädie die wichtigste Methode zur Diagnosestellung.
Die einzelnen Körperregionen und Gelenke können zum Teil sehr genau auf Erkrankungen und Funktionseinschränkungen untersucht werden. Dazu tragen auch Untersuchungstechniken bei, die bei der Ausbildung zum Manualtherapeuten oder Osteopathen vermittelt werden.
Eine gezielte Untersuchung der Halswirbelsäule ergibt oft wichtigere Informationen über eine Erkrankung als eine Röntgenuntersuchung oder eine Kernspintomographie.
Vor allem Erkrankungen der Wirbelsäule, der Sehnen und der Muskulatur können auf Störungen der Funktion beruhen, die nur durch eine körperliche Untersuchung zu erkennen sind. Bildgebende Verfahren wie Röntgen, Ultraschall oder Kernspintomographie können zwar Veränderungen von Knochen oder Gewebe erfassen, jedoch kaum Funktionsstörungen abbilden, was zur Stellung einer Diagnose jedoch von großer Bedeutung ist.
Befragung und körperliche Untersuchung des Patienten sind Grundlage jeder Diagnosestellung. Sie bilden die Basis, auf der entschieden wird, ob und wann welche weiteren Untersuchungen notwendig sind. Die Ergebnisse bildgebender Diagnostik gewinnen erst vor dem Hintergrund der Beschwerden und der körperlichen Untersuchung eine Bedeutung. In vielen Fällen kann nicht auf sie verzichtet werden, da sie eine Fülle an Informationen über die Erkrankung liefern. Die wichtigsten bildgebenden Verfahren werden im Folgenden kurz beschrieben.
Einfachste Untersuchungsmethoden liefern häufig viel wichtigere Informationen über eine Erkrankung als bspw. eine Kernspintomographie. Auf dieser Abbildung ist zu erkennen, dass der Patient den rechten Fuß nicht mehr anheben kann. Dies ist für die Behandlung von großer Bedeutung und gibt eine Aussage über die Folgen eines Bandscheibenvorfalls - Informationen, die mit Hilfe einer Kernspintomographie nicht gewonnen werden können.
Röntgen
Eine in der Orthopädie sehr häufig angewendete Methode ist das Röntgen. Mit Hilfe einer Röntgenuntersuchung lassen sich vor allem Veränderungen an Knochen und Gelenken erfassen.
Auch wenn sie mit einer Strahlenbelastung für den Patienten einhergeht, so hat sie den Vorteil, meist schnell verfügbar und kostengünstig zu sein. In vielen Fällen liefert sie bereits ausreichende Informationen zur Erkrankung. Das Röntgen macht in sehr vielen Fällen weitere Untersuchungen überflüssig.
Röntgenbild des Kniegelenks einer 79-jährigen Patientin in der Betrachtung von vorne. Es zeigt einen fortgeschrittenen Verschleiß (Arthrose) des Gelenks zwischen Oberschenkel ? und Schienbein ?. Untersuchungen wie eine Kernspintomographie bringen in solchen Fällen keine wesentlichen Zusatzinformationen. Sie sind für die weitere Behandlung nicht notwendig und in Fällen wie diesem überflüssig.
Um Veränderungen am Knochen zuverlässig abbilden zu können, werden meist Röntgenaufnahmen in verschiedenen Positionen des Knochens zur Röntgenröhre angefertigt. Dabei wird der Knochen oder das Gelenk z. B. von vorne oder hinten sowie von der Seite betrachtet. Dies wird als „Röntgen in 2 Ebenen“ bezeichnet. Zudem gibt es zahlreiche spezielle Einstellungen, die sich besonders gut eignen, um Knochen und Gelenk gut zu beurteilen.
Das Röntgenbild zeigt das gleiche Kniegelenk, jetzt von der Seite. Bei dieser Aufnahme sind wieder der Oberschenkel ?, das Schienbein ? und jetzt auch die Kniescheibe ? zu erkennen. Zwischen der Kniescheibe und dem Oberschenkel hat ebenfalls ein starker Verschleiß ? stattgefunden. Das „R“ zeigt an, dass es sich um ein rechtes Knie handelt, für ein linkes Knie würde entsprechend ein „L“ verwendet.
Ultraschalluntersuchung
Die Ultraschalluntersuchung bildet vor allem Veränderungen in den Weichgeweben ab, also an Muskeln, Sehnen, Sehnenscheiden, Schleimbeuteln, Gelenkkapseln und Blutgefäßen. Die Schallwellen sind nicht in der Lage, Knochen zu durchdringen, so dass Veränderungen im Knochen nicht zu erkennen sind. Lediglich Veränderungen der Knochenkontur können zu sehen sein.
Die Zeichnung zeigt, wie z. B. eine Schulter mit Ultraschall untersucht wird.
Die Abbildung zeigt ein Ultraschallbild des linken Hüftgelenks eines fünf Wochen alten Kindes. Dank dieser Methode können Reifungsstörungen der Hüftgelenke sehr früh erkannt und erfolgreich behandelt werden. Erläuterungen zum Bild und zur Erkrankung finden sich im Kapitel Reifungsstörungen des Hüftgelenks und Hüftdysplasie.
Die großen Vorteile der Ultraschalluntersuchung sind ihre rasche Verfügbarkeit, die geringen Kosten der Untersuchung und natürlich die Tatsache, dass sie ohne Strahlenbelastung arbeitet. Außerdem kann während der Ultraschalluntersuchung auch die Funktion einer Sehne überprüft werden. Dies ist z. B. bei Rissen der Achillessehne oder der Sehnen an der Schulter von großer Bedeutung.
Der Ultraschall kann ebenfalls genutzt werden, um Spritzen (Injektionen) gezielt zu platzieren. Dabei macht man sich zunutze, dass das Metall der Nadel sich im Ultraschall gut abbilden lässt, was eine exakte Platzierung der Nadelspitze erlaubt.
Kernspintomographie (Magnetresonanztomographie, MRT)
Die Kernspintomographie ist eine sehr genaue Untersuchung, da sie zahlreiche Details abbildet, was mit anderen Methoden nicht oder nur ungenügend gelingt. Dies betrifft das Weichgewebe wie Menisken, Knorpel, Muskeln und Sehnen,...