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E-Book

Pancake Adventures

Auf der ganzen Welt zu Hause mit dem Rezept meiner Oma

AutorWillem Dieleman
VerlagVerlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl301 Seiten
ISBN9783732579976
Altersgruppe16 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR

Vom Job frustriert und von der Liebe enttäuscht packt Willem seinen Rucksack und löst ein Ticket Richtung Asien. Bei seinen Couchsurfing-Gastgebern bedankt er sich mit selbstgebackenen Pfannkuchen - und weckt so viel Begeisterung, dass er immer öfter die Pfanne heiß macht. Am liebsten für die, denen es nicht so gut geht, wie Waisenkinder in Indien. Und nebenbei entdeckt er das Geheimrezept wie man mit wenigen Zutaten die Menschen zusammenbringt, die Welt ein bisschen besser macht und dabei glücklich wird.



Willem Dieleman, geboren 1986 und aufgewachsen in Middelburg, Niederlande. Seinen Master hat er im Verlagswesen gemacht. Doch sein erster richtiger Job bestand darin, Excellisten anzulegen und Datenbanken zu füllen - Grund genug, den Rucksack zu packen und das Weite zu suchen.

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Leseprobe

Planänderung


Von dem Bus, in dem sich mein Rucksack, mein Pass und meine Kamera befanden, waren nur noch die roten Rücklichter zu sehen. Ich rannte, als wären mir wilde Hunde auf den Fersen. Dann winkte ich. Es schien mir unmöglich, einen Bus einzuholen, aber ich wusste natürlich auch nicht, ob mich jemand im Dunkeln winken sehen würde. Drei Wochen hatte ich gebraucht, um meinen ganzen Mut zusammenzunehmen und Istanbul zu verlassen, und sofort wurde mein Aufbruch mit einem Unglück belohnt. Nach einem kurzen Halt an einem Zollhäuschen fuhr der Bus wieder an. Mit meiner letzten Energie sprintete ich weiter. Mein Mund schmeckte nach Blut. Ich hatte es fast geschafft. Der Bus beschleunigte wieder. Ich stieß einen unartikulierten Schrei aus. Inzwischen rannte ich neben dem Bus her und schlug mit den Händen auf die Seitenfenster. Als die Türen sich endlich mit einem Seufzen öffneten, erschien mir das wie lieblicher Engelsgesang. Der Busfahrer warf mir einen kurzen, leeren Blick zu und schloss die Tür hinter mir.

»Seit letztem Jahr herrscht im Bus Rauchverbot, deshalb halten die Fahrer alle Viertelstunde für eine Zigarettenlänge oder zwei an, gerade kurz genug, damit die Passagiere nicht zur Toilette gehen können.« Der Mann auf der anderen Seite des Ganges lachte. Er hatte zwei Kinder bei sich. Sein Englisch war gut. Ausgezeichnet sogar, verglichen mit dem der restlichen Passagiere.

»Husseyin«, stellte er sich vor und überreichte mir eine weiße Visitenkarte mit seinem Namen darauf. Ich drehte sie um: Geschäftsführer White Beach, Luxusjachten, Helikopterflüge, Makler, Hauswart.

Husseyin erzählte, dass er gerade seine Kinder von ihrer Mutter aus Istanbul abgeholt hatte und sie nach Göcek mitnahm, wo er mit seinem Vater wohnte. Kinder fand er einfach nur nervig. Aber vor allem fand er seine Ex-Frau kompliziert. Nach der gescheiterten Ehe hatte sie bei Allah Liebe gesucht, der verstand sie zumindest.

Husseyin hatte Allah bei seiner Frau auf dem Sofa zurückgelassen und sich zur seelischen Regeneration dem Alkohol ergeben. In seinem Dorf wartete eine nette Geliebte auf ihn, »der das Vögeln Spaß machte«. In mir schien er endlich jemanden gefunden zu haben, mit dem er sich ungeniert über Sex unterhalten konnte. Weil niemand sonst im Bus Englisch sprach, brauchte er nicht diskret zu sein.

Bei einem von Neonröhren beleuchteten Restaurant, in dem einem Männer mit Schnurrbärten und fleckigen Schürzen das Essen auf den Teller klatschten, tranken wir starken Tee aus dem typisch türkischen Glas in Korsettform. Das ist der Espresso unter den Teesorten.

Wir unterhielten uns über den Islam, von dem Husseyin sich immer weiter entfernte, über Europa und über meine Reise, die gerade erst begonnen hatte. Dann sprachen wir doch wieder über Sex. »Das ist der Grund dafür, dass ich so gut Englisch spreche«, erklärte er stolz. »Meine Englischlehrerin. Ich war fünfzehn und sie dreiundzwanzig. Die Affäre dauerte etwa drei Jahre.«

Ich musste an meine eigene Liebe denken. Ich wusste nie, als was ich sie bezeichnen sollte: als Bettgeschichte, Geliebte, Affäre, Gelegenheitskontakt, Fast-Beziehung oder »Booty Call«. Sem gehörte zu den Menschen, die es nicht mochten, wenn man sie in Kategorien steckte. Ich teilte diese Auffassung. Liebe … Das sagte schon alles.

Je weiter ich von ihr wegfuhr, desto mehr fühlte es sich an, als ob ich in einer alten Dampflokomotive aus dem Fenster hing und sie dem Zug hinterherrannte. Sie konnte ihn nicht einholen. Ich würde immer weiter am Horizont verschwinden. Danach konnte sie ihr eigenes Leben wieder aufnehmen.

»Ich habe zu Hause eine Geliebte«, sagte ich zu Husseyin.

»Was tust du dann hier?«

»Sie hat einen Freund.«

Husseyin schaute ablehnend und erschrocken drein. »Bei untreuen Frauen musst du aufpassen. Die machen einem das Leben total kaputt. Das darfst du mir ruhig glauben.« Er schien in Erwägung zu ziehen, eine neue Geschichte aus seinem Leben zu erzählen, seufzte jedoch stattdessen laut. »Schlag dir die Frau so schnell wie möglich aus dem Kopf. Wir finden schon eine nette Türkin für dich.«

Husseyins Kinder forderten seine Aufmerksamkeit. Ich lehnte mich zurück und konnte nur noch an Sem denken. Selbst wenn sie mit ihrem Freund Schluss machen und sich für mich entscheiden würde, wie sollte ich ihr dann vertrauen können? Das Einzige, worauf ich vertrauen konnte, war, dass sie fremdging. Ein seltsames Gefühl der Sicherheit. Von mir aus durfte sie machen, was und mit wem sie es wollte. Ich hatte beschlossen, dass Lieben nicht dem Besitzen gleichkam. Aber ich war es leid, ihr größtes Geheimnis zu sein. Sie würde ihren Freund nie verlassen, und mich wollte sie nur für Sex.

Ich hatte mich losgemacht. Der Liebeskummer würde vergehen, das wusste ich aus Erfahrung, aber es war schwer zu sagen, wann das passieren würde.

»Musst du wirklich noch heute ins Kabaktal?«, fragte mich Husseyin leise. Seine Kinder waren eingeschlafen. Seine Tochter lag auf seinem Schoß, und sein Sohn hatte sich an mich geschmiegt.

»Das ist zumindest der Plan«, antwortete ich. »Wieso?«

»Was willst du da eigentlich?«

»Was ich da will? Ich will einfach hin. So sieht mein Plan aus. Ich habe gehört, da soll es schön sein, und …«

»Warum fährst du nicht mit nach Göcek? Da ist es viel schöner, und du kannst meinen Vater kennenlernen. Kabak ist doch für Hippies.« Husseyin musste es wissen, ihm gehörte schließlich ein Helikopterbetrieb.

Mein eigenes Abenteuer hatte gerade erst begonnen, und schon wurde mein ganzer Plan umgeworfen, weil irgendein x-beliebiger Mann bei mir in einem Nachtbus saß. Alle Menschen, die einem auf Reisen begegnen, sind Vorüberziehende. Die Gespräche scheinen oft unbedeutend, aber rückblickend betrachtet kann ihnen eine bedeutsame Rolle zukommen. Ich saß immer noch in meinem Schutzraum. Wenn mir ein wildfremder Mann vorschlug, mit zu ihm nach Hause zu fahren und dort das Wochenende mit ihm zu verbringen, schrillten bei mir alle möglichen Alarmglocken. Warum war er darauf aus, dass ich mit zu ihm nach Hause kam? Wollte er mir einen Flug im Helikopter andrehen? Würde er mich überfallen? Oder noch schlimmer, wollte er mich als Babysitter einsetzen, während er mit seiner Geliebten auf Reisen ging? Es musste mehr dahinterstecken. Während meines BWL-Studiums hatte ich irgendwann mal gelernt, dass Manager und Investoren immer denken: »Nette Idee, aber was bringt mir das?« Wo war hier der Haken? Was hatte Husseyin davon, wenn er sich um einen zerrauften Backpacker kümmerte?

Dann sagte ich höflich und verunsichert, ich würde doch lieber nach Kabak fahren.

»Bist du jetzt ein Reisender oder nicht?!«, gab Husseyin spöttisch zurück. Seine Tochter wachte auf.

War ich jetzt ein Reisender oder nicht? Ich wusste es nicht. Ich hatte mich doch gerade erst auf den Weg gemacht. Ich wusste nicht einmal, wonach ich suchte und was ich erreichen wollte, außer, dass ich ein Ziel finden musste, mit dem ich meinem armseligen Leben ein wenig Bedeutung verleihen konnte. Später würde ich sagen, der größte Unterschied zwischen einem Reisenden und einem Backpacker bestehe darin, dass ein Backpacker sagt, er wäre kein Tourist, und ein Reisender, er wäre kein Backpacker. Aber was ich genau war? In diesem Augenblick war ich einfach nur unterwegs.

Der Bus kroch weiter vorwärts, jede Viertelstunde gab es eine Raucherpause.

»Du bist ein freier Mensch«, fuhr Husseyin fort, »gleich zeige ich dir die Dinge, die im Leben wirklich wichtig sind. Dein Leben wird nicht von Kindern, einer Hypothek oder einem Chef bestimmt. Bald bist du tot, und dann?«

Wenn ich das Glück haben sollte, in fünfzig Jahren auf dem Sterbebett zu liegen und mir die Zeit nehmen zu können, über die vergangenen achtzig Jahre nachzudenken, würde ich nur Reue darüber empfinden wollen, dass ich auf dem Sterbebett lag und nicht bei irgendeiner Aktivität zu Tode gekommen war.

Und sollte ich doch das Pech haben, in einem Pflegeheim zu enden, so hoffte ich, ich könnte, während mir die Schwestern die Hose zuknöpften, ständig von den Ländern erzählen, die ich besucht hatte, wo die Frauen am schönsten waren, und wie sich die Gipfel des Himalaja grellorange färbten, wenn die Sonne unterging. Tagein, tagaus. Bis die Schwestern so frustriert waren, dass sie ihre Jobs aufgaben und sich statt eines neuen Sofas einen Trekkingrucksack kauften. So sah mein Ideal eines großartigen, mitreißenden Lebens aus.

Dr. Safety und Mr. Adventure diskutierten heftig miteinander. Wollte ich das Abenteuer? Ja, ich wollte das Abenteuer. Aber was, wenn das hier eine Falle war? Dann würden wir das später schon regeln. Wenn man ein großartiges und mitreißendes Leben führen möchte, muss man sich auch mitreißen lassen, sonst kann man genauso gut bei Instagram Fotos von Palmenstränden mit Likes versehen. Mr. Adventure trug den Sieg davon.

Ein paar Stunden später stand ich auf Husseyins Veranda. Sein Vater begrüßte mich mit einer herzlichen Umarmung und einem Wangenkuss, so als wäre ich der heimgekehrte verlorene Sohn. Er bedeutete mir, ich solle mich setzen, und verzählte mir seine Lebensgeschichte. Er lachte breit, die Zähne hatte er sich aus dem Mund geraucht, oder man hatte sie ihm ausgeschlagen. Ich hörte zu und nickte höflich. Er schaute mich erwartungsvoll an. »Ich nix Türke«, erklärte ich mit den entsprechenden Gesten. Husseyins Vater erwiderte auf Türkisch, das sei ihm scheißegal. Wir mussten lachen. Husseyin war inzwischen mit den Grillsachen zurückgekommen und erklärte mir, sein Vater sei...

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