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E-Book

Partiturlesen

Ein Schlüssel zum Erlebnis Musik

AutorMichael Dickreiter
VerlagSchott Music
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl274 Seiten
ISBN9783795786304
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Es ist leichter, als man denkt! Aus langjähriger Praxiserfahrung schöpfend, zeigt Michael Dickreiter, wie man auf einfache Weise das komplexe Notenbild einer Partitur entschlüsseln kann. Zunächst erläutert er das Schriftbild, auch in seiner historischen Entwicklung. Ausgehend vom Verfolgen einer Einzelstimme wird der Leser schrittweise mit verschiedenen Methoden des Partiturerfassens vertraut gemacht. In einem umfangreichen Kapitel mit Übungsbeispielen sind populäre Partiturausschnitte derart aufbereitet, dass diese Methoden auch optisch nachvollzogen werden können. So wird der Band zu einer leicht verständlichen Anleitung für Konzertbesucher und Musikhörer sowie zu einer nützlichen Arbeitshilfe für Schüler und Studenten.

Michael Dickreiter, Musikwissenschaftler und Tonmeister, hat sich nicht nur berufsbedingt eingehend mit Partituren beschäftigt, sondern war als Pädagoge vor die Aufgabe gestellt, jungen Tontechnikerinnen und Tontechnikern mit Vorkenntnissen der Notenschrift das Mitlesen der Partituren zu vermitteln. Aus dieser Arbeit ist das Buch 'Partiturlesen' entstanden.

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Leseprobe

3. Das Schriftbild der Partitur

Stimmen, Zeilen, Klammern

Orchesterinstrumente sind im Allgemeinen Melodieinstrumente, ihre Stimme wird auf einer einzelnen Notenzeile aufgezeichnet. Ausnahmen machen die Streichinstrumente, die Akkorde spielen können und gelegentlich auch im Orchester in Akkorden zu spielen haben, deren Stimmen aber dennoch auch dann nur in jeweils einer Zeile notiert werden; Harfe, Celesta, Klavier und Xylophon benötigen hingegen je zwei Notenzeilen.

Um in der Partitur Platz zu sparen und die Übersichtlichkeit zu verbessern, können zwei oder mehr Stimmen in einer Notenzeile vereint werden. So sind in der Regel je zwei gleiche Bläserstimmen zusammengefasst, zwei Flöten, zwei Oboen usw.; bei den Streichern ist das nicht üblich. Sollen zwei oder drei Instrumente, die zusammen in derselben Zeile notiert sind, dasselbe spielen, zeigen das entweder nach oben und unten weisende Notenhälse an derselben Note an, oder es steht die Anweisung »zu 2« bzw. »zu 3«, italienisch »a 2«, »a 3«, gesprochen »a due« und »a tre«; oft ist einfach »1., 2.« bzw. »1., 2., 3.« hinzugefügt. Die Fortsetzung mit nur einem Instrument wird durch die jeweilige Ziffer 1. oder 2. für das betreffende Solo angezeigt.

Im Gegensatz zu den Bläsern ist bei den Streichinstrumenten jede Stimme mehrfach, man sagt chorisch, besetzt: in einem kleinen Orchester gibt es z. B. 6 erste Violinen, in einem großen 16 oder in Ausnahmefällen gar 24. Deshalb können die Streicherstimmen auch in mehrere Spielergruppen und damit Einzelstimmen geteilt werden. Wenn die Teilung nicht durch die Notierung deutlich wird, steht »geteilt« oder italienisch »divisi« bzw. »div.«.

Um die Anordnung der Stimmen übersichtlicher zu gestalten, gliedern verschiedene Klammern – so genannte Akkoladen-Klammern – zusammengehörige Notenzeilen. Da gibt es zunächst den »Kopfstrich«, eine durchgehende Linie, die alle Stimmen verbindet. Gerade, an den Enden geschweifte Klammern umfassen jeweils die Gruppe der Streichinstrumente, Blechblasinstrumente und Holzblasinstrumente. Zusätzlich kennzeichnen geschweifte Klammern zunächst alle Stimmen mit zwei Notenzeilen wie z. B. Harfe und Klavier, sodann geschweifte oder feine eckige Klammern Notenzeilen mit gleichen Instrumenten, z. B. die Stimmen aller Hörner oder Violinen. Violoncello und Kontrabass werden gelegentlich mit einer geschweiften Klammer verbunden, weil sie zunächst, d. h. bis gegen 1800, aus derselben Stimme gespielt hatten, aber auch danach vielfach gleiche oder ähnliche Stimmen haben. Die Taktstriche der Partitur sind in älteren Partiturdrucken für alle Notenzeilen von oben nach unten durchgezogen, heute, der besseren Übersichtlichkeit wegen, nur innerhalb derselben Gruppen, die auch durch gerade Klammern zusammengefasst sind. Zur Unterscheidung von der einzelnen Notenzeile wird eine Zeile der ganzen Partitur als Notensystem bezeichnet. Vielfach wird auch die einzelne Zeile als Notensystem (der fünf Notenlinien) bezeichnet, die gesamte Partitur-»Zeile« nach den vorgesetzten »Akkoladen-Klammern« als Akkolade. Wenn auf einer Partiturseite mehr als ein System aufgezeichnet ist, wird das zweite und alle weiteren Systeme durch zwei Schrägstriche markiert.

An den Partiturbeispielen auf den beiden folgenden Seiten (Abb. 4 und 5) wird das Gesagte nochmals verdeutlicht.

Eines muss hier gleich hinzugefügt werden – in fast jedem Kapitel wäre daran zu erinnern: Es gibt keine einheitlich verbindlichen Regeln, wie eine Partitur zu gestalten ist. Es gibt nur eine gewachsene, relative Einheitlichkeit. Bestimmte Traditionen der einzelnen Verlage im Notenstich und unterschiedliche Richtungen der musikalischen Entwicklung ergeben immer wieder Abweichungen von den denkbaren allgemeinen Regeln einer »Idealpartitur«. Dies gilt eigentlich für fast alle Feststellungen, immer kann eine Ausnahme herbeigebracht werden, gibt es Modifikationen, die oft auch aus rein praktischen, nicht musikalischen, Gründen erforderlich werden können.

Feststellen der Besetzung

Eine der ersten Fragen, die man sich bei der Beschäftigung mit einer Partitur stellt, gilt der Besetzung des Orchesters. Zweckmäßig wäre es, wie bei einem Schauspiel am Anfang alle Personen genannt sind, eine Liste der Orchesterinstrumente der Partitur voranzustellen. Dies ist aber nicht immer üblich, vielleicht weil die »handelnden Personen« – die Instrumente – in jeder Zeit einem gewissen Schema folgen. Leider ist die Zahl der Ausnahmen aber recht groß. Wo kann die Besetzung also abgelesen werden?

Im Allgemeinen gibt die erste Partiturseite Auskunft über die Besetzung. Hier stehen alle Stimmen untereinander mit genauen Angaben der jeweiligen Instrumente. Hier sind auch die Stimmen und Instrumente berücksichtigt, die zu Beginn des Werks nicht spielen, sie haben dann eine Notenzeile lang Pausen. Im weiteren Verlauf der Partitur werden dann, um Platz einzusparen, nur noch die Stimmen abgedruckt, die auch wirklich zu spielen haben. Stehen also auf der ersten Partiturseite auch Stimmen, die nur Pausen haben, so kann man mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass hier die gesamte Besetzung aufgeführt ist (Abb. 6). Nicht angegeben ist aber in diesem Fall, dass möglicherweise ein Spieler sein Instrument im Laufe des Werks zeitweise gegen ein so genanntes Nebeninstrument austauschen soll, dass der zweite Flötist z. B. zeitweise die Piccoloflöte spielen soll oder der zweite Oboist das Englisch Horn. Nur durch eine sorgfältige Durchsicht der Partitur kann dies herausgefunden werden.

①  Um die Orientierung innerhalb einer Partitur zu erleichtern und die Verständigung zwischen Dirigent und Musikern während einer Orchesterprobe zu ermöglichen, werden die Takte mit »Taktzählern« versehen, die an den Anfang eines jeden Systems oder im Abstand von 5 oder 10 Takten gesetzt werden.

②  Bei Flöten, Oboen und Klarinetten sind zwei Stimmen in einer Notenzeile zusammengefasst. Spielen sie denselben Ton, erhält der Notenkopf zwei Hälse.

③  Gleiche Instrumente – hier Hörner, Trompeten und Posaunen – werden durch eine geschweifte Klammer zusammengefasst.

④  Die Taktstriche sind hier durch die gesamten Bläserstimmen durchgezogen sowie jeweils durch die Harfenstimme und die Streicherstimmen.

⑤  Die Harfe benötigt zur Notation zwei Notenzeilen, sie werden wie beim Klavier durch eine geschweifte Klam mer vereint.

⑥  Die einzelnen Instrumentengruppen, Holzbläser, Blechbläser und Streicher werden jeweils durch gerade Klammern zusammengefasst.

⑦  Obwohl Violoncelli und Kontrabässe unterschiedliche Instrumente sind, werden sie oft durch eine geschweifte Klammer verbunden, weil ihre Stimmen meist sehr ähnlich sind.

⑧   »div.« heißt »divisi«, geteilt, die eine Hälfte der I. Violine spielt den oberen, die andere den unteren Ton des Tremolos.

⑨   Zwei Schrägstriche markieren deutlich das neue Notensystem.

⑩   Einige markante Stellen der Partitur sind mit so genannten Studier-Buchstaben – hier O – gekennzeichnet, die dem Dirigenten ermöglichen, in der Probe Einsatzstellen genau anzugeben.

⑪   Die Bezeichnung Tutti zeigt an, dass ab hier wieder alle II. Violinen spielen sollen, einige Takte davor sollte nur die Hälfte spielen.

⑫   Die Stimme der Bratschen (»Br.«) ist hier nicht auf zwei Spielergruppen aufgeteilt, dieses Intervall kann von jedem Spieler zugleich gestrichen werden.

Die meisten Kompositionen bestehen aus mehreren Sätzen, formal in sich abgeschlossenen Teilen der Komposition, die auch bei der Aufführung durch längere Pausen voneinander getrennt werden. Die einzelnen Sätze haben durchaus nicht immer dieselbe Besetzung. Zur Zeit der Wiener Klassik war es z. B. üblich, im zweiten Satz einer Sinfonie oder eines Instrumentalkonzerts die Trompeten und Pauken wegzulassen. In Beethovens berühmter fünfter Sinfonie wird die Besetzung zwar im langsamen Satz nicht reduziert, dafür jedoch im letzten Satz erweitert: es kommen eine Piccoloflöte, ein Kontrafagott und drei Posaunen hinzu. Die Frage nach der Besetzung ist also für jeden Satz neu zu stellen. Im Allgemeinen fordert allerdings der erste Satz schon die gesamte Besetzung; eine Steigerung bringt höchstens der letzte Satz.

Leider gibt es viele Partituren, die weder eine Besetzungsliste enthalten, noch auf der ersten Seite die vollständige Besetzung wiedergeben.

Tabelle der Instrumentennamen in verschiedenen...
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