II. Atembeherrschung und Training der Haltekräfte des Zwerchfells
Da das natürliche Ausströmen der Luft beim Ausatmen für das Singen gebremst werden muss, ist es nötig, solche Muskulaturen zu trainieren, die dieses Atemzurückhalten bewerkstelligen können, besonders die Zwerchfellmuskulatur, aber auch die Muskeln, die für die geweitete Haltung des Brustkorbs verantwortlich sind. Dies geschieht am besten durch ruckartiges Anhalten der Ausatmung bei plötzlich einsetzenden Pausen sowie durch Staccato-Passagen, bei denen der Körper ständig in Anhaltebereitschaft sein muss.
Während plötzlich auftretende Pausen in Kinderliedern öfter anzutreffen sind („Auf einem Baum ein Kuckuck saß“, „Jetzt fahr’n wir über’n See“, „Auf der Mauer“ etc.), sind Staccato-Lieder relativ selten. Deshalb ist hier besonderer Wert auf diese Trainingsform gelegt. Staccato ist darüber hinaus ein hochwirksames Mittel zum Erlernen des tonreinen Singens. Da die Kürze der Töne keine nachträglichen Korrekturen zulässt, ist genaues Voraushören und -einstellen der Tonhöhenspannungen notwendig.
10. Annonce
Kanon zu vier Stimmen
Z Ein witziger Kanon zum Trainieren der Haltekräfte des Zwerchfells. Die Achtelpausen fordern immer wieder das Zwerchfell zu ruckartigen Kontraktionen auf. In der letzten Kanonzeile kann das vom Textdichter verschwiegene Reimwort nach kurzem Ansprechen des sch durch plötzliches Luftanhalten stumm bleiben.
Der Kanon stellt auch eine gute Rhythmusübung dar und erzieht zur Geläufigkeit.
A Nicht laut singen, aber mit genauer rhythmischer Präzision. Das Tempo nicht zu schnell nehmen, damit die Sechzehntel-Läufe der letzten Kanonzeile locker perlend gelingen können.
11. Apfelkuchen
Kanon zu vier Stimmen
Z Ein witziger Text und eine konsequente Staccato-Gestaltung des Kanons ermöglichen auch jüngeren Kindern, die präzisen Tonhöheneinstellungen bald mit einer gut organisierten Zwerchfellbeherrschung zu verbinden. Die in jeder Zeile abwärts führenden Melodieanfänge fördern das lockere Singen mit Randschwingung.
Die letzte Kanonzeile stellt zusätzlich eine gute Übung für vordere Artikulation und Vordersitz mit gerundetem Lippenring dar und kann natürlich auch getrennt benutzt werden.
A Trotz aller Kürze der Töne darf die Intonation nicht vernachlässigt werden. Besonders die zweite und dritte Kanonzeile mit ihren Dreiklangsbrechungen stellen gute Übungsformen für Intonation dar. Es empfiehlt sich, bei der Einstudierung mit jüngeren Kindern mit der 4. Kanonzeile zu beginnen.
12. Der alte Kahn
Kanon zu fünf Stimmen
Z Der Kanon kombiniert lang ausgehaltene Legatolinien mit kräftig rhythmisierten punktierten Passagen. Dies erfordert verschiedene Arten der Muskelanspannung und trainiert die ständige Bereitschaft des Zwerchfells, sich entsprechend der musikalischen Aussage anzuspannen oder zu lockern.
Darüber hinaus stellt dieser Kanon auch eine vorzügliche Übung für den Vokal a dar, der wegen der weich gesungenen Legatolinien einerseits und des federnden Rhythmus’ andererseits locker vorne gehalten werden kann.
A Zur Disziplinierung der Phrasenbildung und zum Training des ruhig fließenden Atems kann auch zuerst nur die erste (Legato-)Hälfte des Kanons gesungen werden. Allerdings nützt die rhythmisierte zweite Hälfte auch dem Legatosingen. Der drittletzte Takt des Kanons ist subito legato zu singen, was die Bereitschaft des Zwerchfells zu verschiedenen Spannungen besonders gut trainiert.
13. Der Picker
Zweistimmiges Staccatolied
Z Dieses Staccatolied dient der Innervation der Zwerchfellmuskulatur sowie dem Training der Haltekräfte. Während der Achtelpausen werden der Atem an- und das ganze Instrument weit gehalten.
Auch zum Trainieren des Vordersitzes ist das Lied gut geeignet.
Die Zweistimmigkeit erzieht zu noch sorgfältigerer rhythmischer Präzision, weil die kurzen Achtelnoten genau gleichzeitig erklingen müssen.
A Die beim Anhalten des Atems während der Pausen wahrgenommene Kraft soll bei den kurzen Tönen nicht wieder nachlassen, sondern während des ganzen Stücks erhalten bleiben. Das Lied langsam genug singen und keinesfalls während des Singens schneller werden, da sonst die Zwerchfell-Haltekraft während der Pausen nicht genügend erspürt werden kann.
Die kurzen Staccatotöne gut artikulieren und mit leicht gespitzten Lippen quasi „ausspucken“.
14. Mit viel Wucht
Kanon zu vier Stimmen
Z Übungskanon für die Balance zwischen elastischer Bauchmuskulaturspannung und Zwerchfellhaltekraft. Die Pausen in Takt 1, 3 und 5 dienen der Haltekraft des Zwerchfells, die Akzente auf den gebundenen Figuren, insbesondere auf den Achtelnoten, sollen im Legato erfolgen.
Guter Übungskanon auch für Intonation.
A In den Pausen von Takt 1, 3 und 5 den Atem anhalten, keinesfalls aus- aber auch nicht einatmen. Die Akzente immer innerhalb der Legatolinie mit leichten Bauchmuskulaturkontraktionen setzen. Keinesfalls ganz absetzen! Nicht brutal singen.
15. Schnirkelschnecke
Kanon zu vier Stimmen
Z Alle vier Kanonzeilen sind jeweils in der Mitte durch eine Pause in zwei kürzere Abschnitte unterteilt. Diese Pause soll nicht zum Aus- oder Einatmen verwendet werden, sondern zum Anhalten des Atems und um das Instrument staunend weit zu halten. Dadurch wird die Kraft der Zwerchfellmuskulatur gestärkt und ein Gefühl für die Haltespannung vermittelt. So erfahren die Kinder die atemzurückhaltende Zwerchfellkraft und können sie auch beim Singen einzusetzen versuchen. Im ersten Teil des Kanons wird diese Haltekraft durch aufsteigende Melodieverläufe unterstützt. Im zweiten Teil sorgen absteigende Melodieteile für eine leichte Erschwerung des muskulären Geschehens.
Natürlich ist der Kanon auch gut für weiche Stimmgebung, Legatosingen und Randschwingung einzusetzen.
A Die Zwerchfellkontraktion nach den Haltepausen nicht gleich aufgeben, sondern mit weit gespanntem Atemgefäß wieder anfangen zu singen. Dabei den Körper elastisch locker lassen, nicht verkrampfen.
16. Tschu tschu
Kanon zu sechs Stimmen (auslaufend)
Z Besonders der gesprochene Refrain mit dem anlautenden tsch stellt eine vorzügliche Übung für die kurzen, präzisen Bauchmuskulaturkontraktionen dar, die den reflektorisch einsetzenden Gegenbewegungen des Zwerchfells vorausgehen. Dabei ist die Verwendung der Übungssilben in Verbindung mit dem Lied der bloßen Sprechübung vorzuziehen, weil so die Bewegungen der Atemmuskulaturen gleich in Beziehung zum Singen trainiert werden.
Auch als Bewegungslied zu verwenden.
Das Lied wurde nach F-Dur transponiert, um bei den gesungenen Liedzeilen eine mittlere Körperspannung zu erzeugen. Zu lasche Muskelspannungen einerseits oder aber die Gefahr allzu einseitig bruststimmiger Singweise andererseits lassen die Originaltonart D-Dur für den hier angestrebten Übungszweck nicht geeignet erscheinen.
A Die Bauchdeckenkontraktionen nicht gewaltsam erzwingen! Alles muss sehr spielerisch geschehen, damit keine verkrampften Muskelbewegungen entstehen. Bei jüngeren Kindern ist häufig zu beobachten, dass sie vor lauter Konzentration die Bewegungenfolge gerade umgekehrt realisieren. Dann ist es besser, ganz auf Bewusstmachung zu verzichten und wieder zum Spiel zurückzukehren.
Die Klangsilbe mit dem anlautenden tsch kraftvoll und vor allem kurz genug artikulieren, um die gewünschte Gegenbewegung des Zwerchfells sicher zu provozieren. Aber natürlich auch nicht zu stark aspirieren.
Weitere Lieder zum Atemtraining
Als ich früh erwachte 149
Alta Trinità beata 63
Auch Betten können müde sein 85
Auf Rosen gebettet 128
Das Wetter 146
Dein doofes Cabrio 72
Denn seine Gnade und Wahrheit 152
Der grüne Drache 63
Der Sultan hat gegähnt 56
Die Kuh hat bunte Schuhe an 57
Die Töneschlange 151
Ein Hoch dem Geistesblitz 147
Falsch 120
Fischwarnung 68
Fortschritt 130
Frühblüher 148
Frühlingsboten 131
Herr, deine Güte reicht 38
Im Anfang war das Wort 88
Im Himmel 143
Irrtum 144
Kugelfisch 45
Leck mich im Angesicht...