Paul Klees Leben und Werk
Das Frühwerk bis 1912
Noch während des Besuchs des Gymnasiums hatte sich Klee entschlossen, eine Ausbildung als Maler zu ergreifen. Diese Idee entstand aus einem regen Interesse an Zeichnung und generell bildender Kunst. Dieses Interesse ist nicht zuletzt auf die Anregung seiner Großmutter zurückzuführen, die dem Drei- oder Vierjährigen zum ersten Mal Buntstifte und Papier geschenkt hatte. Später hat Klee diese Kinderzeichnungen als den eigentlichen Beginn seiner künstlerischen Beschäftigung apostrophiert. Er wuchs in einem kulturell aufgeschlossenen Klima auf, sein Vater war Musiklehrer am Staatsseminar in Hofwil bei Bern und auch seine Mutter war an Musik sehr interessiert. Klee war im Schulhaus von Münchenbuchsee, einem kleinen Ort bei Bern, geboren worden, doch hatte der Vater 1880 die Erlaubnis erhalten, mit seiner Familie nach Bern zu übersiedeln. Es folgte eine eher kleinbürgerliche Schulzeit, mit den üblichen Verweigerungshaltungen und Schwierigkeiten eines Heranwachsenden, bis hin zum Abitur 1898, das Klee nur knapp bestand.
Klees Frühwerk kann in verschiedene Phasen unterteilt werden, die teilweise von ihm selbst vorgegeben sind, teilweise aber technischen oder formalen Merkmalen folgen. Demnach lässt sich nach seinen eigentlichen Kinderzeichnungen eine Reihe von Arbeiten Klees Jugendzeit bzw. den Münchner Jahren zuordnen.
Kinder- und Jugendzeichnungen
Die Kinderzeichnungen hatte seine um drei Jahre ältere Schwester Mathilde aufbewahrt und ihm gegen 1911 wiedergegeben. Es ist bemerkenswert, dass Klee einige seiner Kinderzeichnungen als abgeschlossene Kunstwerke anerkannte und ihnen damit einen hohen Status innerhalb seines Œuvre beimaß. Wesentlich später, als er sich bereits als Künstler durchgesetzt hatte, nahm er diese Zeichnungen zum Anlass, seine Kunst in die Nähe von Kinderzeichnungen zu rücken, um seiner aktuellen Produktion eine gewisse Unbefangenheit zuzuschreiben und seine Biographie auf einen sehr frühen Zeitpunkt hin zu konstruieren.
Die Zeichnungen, die vor 1890 entstanden waren, zeigen entweder eine Auseinandersetzung Klees mit ihm aus Bilderbögen und -büchern bekannten Illustrationen, oder sie verweisen auf die Beschäftigung mit seiner direkten Umwelt. Nur in einer Zeichnung, datiert auf 1890, bezieht er sich auf eine reale Situation, indem ein Teil der Berner Stadtansicht wiedergegeben wird. Die Wahrnehmung der Umwelt und der Klee dargebotenen Reize reduziert sich aber nicht auf das Ausmalen oder Abzeichnen bekannter und vorgelegter Illustrationen, sondern weitet sich auf Zirkusdarstellungen im Skizzenheft seiner Kindheit und idealisierte Landschaftszeichnungen aus.
Später zeichnete Klee während seiner Schulzeit nicht nur wesentlich mehr, sondern reagierte auch direkt auf seine Umgebung. Klee genoss keinen systematischen Zeichenunterricht, und doch zeigen die Blätter eine zunehmende Sicherheit im Umgang mit grafischen Mitteln. In diesen Jahren verwendete er hauptsächlich kleinformatige Skizzenbücher und Blätter, auf die er dann in Bleistift oder Kreide zeichnete. Daneben dienten ihm Schulhefte als Raum für humoristische Randzeichnungen, ohne diesen später aber einen künstlerischen Wert beizumessen.
Er beschränkte sich meist auf Landschaftszeichnungen seiner näheren Berner Umgebung, wie der Elfenau, seines Zimmers in der elterlichen Wohnung in der Berner Marienstraße oder dokumentierte die Ausflüge zu seinen Tanten ins Berner Oberland nach Beatenberg, in die Bielersee Region auf die Petersinsel beziehungsweise die Reisen mit seinem Vater ins Tessin. Daneben zeichnete er viel nach Vorlagen, wie den Bildkalendern von Emil Lauterburg, den Büchern von Max Girardet, Zeichenlehrbüchern wie der «Allgemeinen Zeichenschule» von J. Scholz oder Illustrationen aus den deutschen Zeitschriften «Vom Fels zum Meer» und «Die Gartenlaube», die seine Mutter las. Klees Beschränkung auf die genaue Wiedergabe von Landschaftsbildern, einige Trachtendarstellungen, vereinzelte Porträts und einige Karikaturen zielt auf eine detaillierte Abbildung des Wahrgenommenen, ohne die Erscheinung zu charakterisieren, zu vereinfachen oder zu abstrahieren. Die Objekte und Motive bleiben in einer mittleren Distanz, so dass sie als Ganzheit abgebildet werden können und der Bildausschnitt nicht zu kompositioneilen Schwierigkeiten und Fokussierungen führt.
Studienzeit in München
Nach seinem Abitur 1898 bewarb sich Klee mit seinen Berner Landschaftszeichnungen persönlich beim Direktor der Münchner Akademie Ludwig von Löfftz um Aufnahme, doch wurde er mit der Begründung abgelehnt, dass ihm die Übung im figürlichen Zeichnen noch fehle. Um sein Ziel, ein Studium der Malerei an der Münchner Akademie, zu erreichen, musste er sich deshalb zuerst an der privaten Zeichenschule von Heinrich Knirr einschreiben. Hier hatte Klee neben den üblichen akademischen Aktstudien während eines Ausflugs mit Studienkollegen ins nahe bayerisch-österreichische Grenzgebiet damit begonnen, die Landschaftsausschnitte wesentlich enger zu fassen und so die Spannung in den einzelnen Bildern zu erhöhen. Klee konzentrierte sich fast völlig aufs Zeichnen, und obwohl seine großen Fortschritte, speziell im Aktzeichnen, sicherlich für die Zulassung zur Akademie ausgereicht hätten, beschloss er, trotz des Drängens der Eltern, noch weiterhin bei Knirr zu bleiben. Erste Versuche, zeichnerische Wirkungen auch in einer herkömmlichen Ölmalerei zu erzielen, gestalteten sich schwierig, und Klee zweifelte zu Beginn seiner Karriere noch an seinen Qualitäten als Maler. Er war sich, trotz der anfänglichen Erfolge und der konstanten Motivation durch Knirr keineswegs sicher, ob er nicht doch eine Karriere als Musiker ins Auge fassen solle. Es war sicherlich mit auch das Verdienst seines Lehrers Heinrich Knirr und dessen beständige Aufmunterung, dass Klee seine Ausbildung in der bildenden Kunst nicht sofort wieder aufgab.
Die Schwierigkeiten, bestimmte visuelle Phänomene von der Zeichnung in die Malerei zu übertragen, und der damit verbundene persönliche Kampf Klees fanden ihren Niederschlag in seinen Tagebüchern und Briefen. So notierte er im Sommer 1900 in seinem Tagebuch, das er seit 1898 führte, dass er ein Testament skizziert habe, und «drin bat ich alles was an Kunstbestrebungen vorhanden sei zu vernichten. Ich wußte wohl, wie kümmerlich das alles war und wie nichtig im Vergleich zu den vorgefühlten Möglichkeiten» (Tgb. 105). Zwar setzte Klee gezielt seine Ausbildung seit Herbst 1900 in der Malklasse von Franz von Stuck fort, doch blieb seine Unsicherheit in der Behandlung der Farbe und der Ölmalerei. Wiederum in seinem Tagebuch fasste er seine Erfahrungen zusammen: «Stuckschüler zu sein hatte einen guten Klang. In Wirklichkeit war es aber nicht halb so glänzend. Ich kam anstatt mit ganzem Verstand mit tausend Schmerzen und Vorurteilen dahin. In der Farbe kam ich schwer vom Fleck. Da in meiner Beherrschung der Form der Gefühlston stark vorherrschte suchte ich wenigstens hier möglichstes zu profitieren. Und bei Stuck war auf dem Gebiet der Farbe wirklich manches zu holen. Natürlich fehlte es indessen auf dem Gebiet der Farbe nicht nur an mir. Ähnlich urteilte Kandinsky später in seiner Monogr. über diese Schule. Hätte mir dieser Lehrer das Wesen der Malerei so auseinandergesetzt, wie ich es später dann konnte, nachdem ich immer mehr eingedrungen war, dan[n] hätte ich mich nicht in einer so verzweifelten Situation befunden» (Tgb. 122). Klee sah dementsprechend seine Beschäftigung mit der Malerei als Mühsal, die zu keinem befriedigenden Ergebnis führe, im Gegensatz zu seinen Zeichnungen. Deshalb konzentrierte er sich zunehmend auf zeichnerische Medien und intensivierte die Suche nach einem angemessenen künstlerischen Mittel. Noch während seiner Zeit bei Heinrich Knirr hatte sich Klee überlegt, was die ihm angemessene Gattung sei. Dabei waren diese Überlegungen immer auch daraufhin orientiert, ob er sich der Musik oder der bildenden Kunst zuwenden solle, und was bei Letzterer seine Bestimmung wäre. Er tendierte zuerst in die konventionelle Richtung der Malerei, sah sich aber dort enormen Schwierigkeiten gegenüber. Deshalb überlegte er, ob nicht eine Beschäftigung mit der Skulptur geeignet sei. Eine von Stuck unterstützte Bewerbung um Aufnahme in die Skulpturenklasse bei Wilhelm von Rümann scheiterte schon im ersten Anlauf, da sich Klee einer Prüfung unterziehen sollte, die er nicht abzulegen gewillt war. Er begann daraufhin, sich wieder für Druckgrafik und Illustrationszeichnungen zu interessieren. Bereits während seiner Zeit bei Heinrich Knirr hatte er diesen Gedanken gefasst, ihn dann aber nicht weiterverfolgt und kam nun darauf zurück, da er mit derartigen Aufträgen seinen Lebensunterhalt bestreiten wollte. Die Illustrationszeichnungen, von denen nur wenige erhalten blieben, konnte er aber nicht absetzen, und zu einer tieferen Auseinandersetzung mit der Druckgrafik kam es nicht.
Italienaufenthalt
Seine Münchner Zeit war für Klee sowohl in persönlicher als auch in künstlerischer Hinsicht spannungsgeladen und problematisch. 1899 hatte er seine spätere Frau Lily Stumpf, eine Pianistin, kennengelernt, was ihn aber nicht daran hinderte, eine...