2 Gesund essen bei PCOS: die Basics
Wie soll die Ernährung bei PCOS nun konkret aussehen? Wie viel Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette dürfen Sie essen? Und wie können Sie Ihren Insulinspiegel in den Griff kriegen, damit auch die Hormone wieder ins Lot kommen?
Viele PCOS-Betroffene sind zu Beginn ihrer Ernährungsumstellung erst einmal verwirrt. Kein Wunder, denn bei den Empfehlungen zur idealen Ernährung stößt man zum Teil auf völlig konträre Ansätze: Das Spektrum reicht von wenigen Kohlenhydraten (z. B. bei der Paleo- oder ketogenen Ernährung) über hochwertige Kohlenhydrate (d. h. bevorzugt Nahrungsmittel mit niedrigem glykämischem Index) bis hin zu vielen Kohlenhydraten (z. B. im Rahmen einer veganen Ernährung). Was stimmt denn nun?
2.1 Was ist die ideale Nährstoffzusammensetzung bei PCOS?
Bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass die Wirksamkeit bei einem Teil dieser empfohlenen Ernährungsformen bei PCOS wissenschaftlich nicht erwiesen ist. Die Frage ist natürlich auch, worauf sich die jeweilige Wirksamkeit bei PCOS überhaupt bezieht. Nicht jede Ernährungsform ist hinsichtlich Gewicht, Stoffwechsel, Hormonen, Fruchtbarkeit oder gar Lebensqualität in Studien gleichermaßen erfolgreich gewesen. Aus diesen Gründen muss man sich alle Studien ansehen und die Diäten richtig miteinander vergleichen.
Lisa Moran, eine der führenden Forscherinnen zur Ernährung bei PCOS, hat sich vor einigen Jahren genau mit dieser Fragestellung zur idealen Zusammenstellung von Kohlenhydraten, Eiweißen und Fetten intensiv beschäftigt. Sie hat mit ihrem Team sämtliche Ergebnisse der relevanten Studien, die sich mit der idealen Nährstoffzusammensetzung bei PCOS beschäftigen, zusammengetragen und analysiert und kam zum folgendem Schluss:
Übergewicht. Bei übergewichtigen Frauen mit PCOS hat Gewichtsverlust die oberste Priorität. Wie die Zusammenstellung der Hauptnährstoffe konkret aussehen soll, spielt dabei eine untergeordnete Rolle: Ein Kaloriendefizit soll erfolgen und es soll sich um eine gesunde Art der Ernährung handeln, mit der die Versorgung von Nährstoffen sichergestellt ist. Einzelne Ernährungsformen haben zwar ihre Stärken für bestimmte PCOS-typische Symptome – doch es gibt derzeit noch keinen klaren Gewinner bei den Ernährungsformen, der alle Symptome am besten in den Griff zu kriegen vermag. Das ist eigentlich eine gute Nachricht. Denn so haben Sie die Freiheit, sich guten Gewissens innerhalb des allgemein empfohlenen Spielraums zu bewegen, der eine abwechslungsreiche und nährstoffreiche gesunde Ernährung erlaubt.
Gewicht halten. Wenn Sie normalgewichtig sind und Ihr Gewicht halten möchten, scheint die Kohlenhydratzufuhr und -qualität eine Rolle für Ihren Hormonhaushalt zu spielen: Eine Ernährung mit gemäßigter Kohlenhydratzufuhr schnitt im Hinblick auf die »typisch männlichen« Hormone besser ab als eine sehr kohlenhydratreiche Kost (>55 % Kohlenhydrate). Entscheidend war dabei aber auch, welche Art von Kohlenhydraten verzehrt wurde.
2.2 Kohlenhydrate – die Qualität entscheidet!
Kohlenhydrate sind nicht »böse«, auch wenn es derzeit so populär ist, dies zu behaupten. Zweifelsfrei sind viele kohlenhydratreiche Produkte, wie Weißbrot, Süßigkeiten oder industriell verarbeitete Frühstückszerealien, von geringem Ernährungswert. Aber nur weil Kohlenhydrate aus Lebensmitteln von geringer Qualität in zu großer Menge für Sie ungesund sind, müssen Sie Kohlenhydrate deshalb nicht gänzlich verbannen. Auch nicht wegen Ihres PCO-Syndroms! Entscheidend ist vielmehr – wie so oft – das richtige Maß und die Qualität bei der Auswahl von Lebensmitteln.
Kohlenhydrate sind wichtige Energielieferanten für unseren Körper. Sie bestehen aus unterschiedlich langen Zuckerketten oder auch nur aus einem einzigen Glied Zucker. Je nach Länge der Zuckerketten handelt es sich um »einfache« oder »komplexe« Kohlenhydrate . Diese kommen in unterschiedlichen Mengen in vielen Lebensmitteln, wie etwa Getreide und stärkehaltigen Produkten, aber auch in Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten oder Milchprodukten vor.
2.2.1 Was passiert mit Kohlenhydraten im Körper?
Kohlenhydrate können nur als einzelne Zuckermoleküle ins Blut gelangen und so von Zellen aufgenommen werden. Aus diesem Grund müssen Enzyme die Kohlenhydratketten im Verdauungstrakt erst in Einfachzucker zerlegen. Wie schnell das abläuft, hängt dabei weniger von der Länge der Zuckerketten ab. Denn zur Zerlegung stellt der Körper eine ganze Armee an Enzymen bereit, die auch lange Kohlenhydratketten schnell zerlegen kann. Wie rasch der Abbau vonstattengeht, entscheiden eher andere Faktoren wie etwa die Beschaffenheit des Lebensmittels. An die Kohlenhydratketten aus ganzen gekochten Getreidekörnern gelangen die Enzyme im Verdauungstrakt beispielsweise wesentlich schwerer als an jene aus fein vermahlenem Mehl. So kommt es, dass auch die Weitergabe einzelner Zuckermoleküle ins Blut und folglich auch der Anstieg des Blutzuckerspiegels nach kohlenhydratreichen Lebensmitteln mal schneller, mal langsamer erfolgt.
Da der Nachschub an Zucker nun primär nicht im Blut verbleiben, sondern zu den Zellen gelangen soll, schüttet die Bauchspeicheldrüse vermehrt das Hormon Insulin aus. Die Zellen erhalten so das Signal, den Zucker aus dem Blut aufzunehmen. Damit sinkt der Blutzuckerspiegel ab und die Zellen werden mit der Energie aus Zucker versorgt.
Einfache und komplexe Kohlenhydrate
2.2.2 So viel Kohlenhydrate brauchen Sie
Erwachsene benötigen mindestens ca. 130 bis 150 g Kohlenhydrate am Tag. Allein Ihr Gehirn erfordert diese Mindestzufuhr, da es auf Zucker als Treibstoff dringend angewiesen ist. Wenn es Ihnen an Kohlenhydraten mangelt, kann Ihre Konzentrationsfähigkeit darunter leiden. Und auch Ihre Muskulatur braucht Kohlenhydrate als Energiezufuhr. Je mehr Sie sich bewegen und Sport treiben, desto mehr Kohlenhydrate benötigen Sie. Als Richtwert für Gesunde gilt, mindestens die Hälfte des Energiebedarfs in Form von Kohlenhydraten aufzunehmen.
»Schlechte« einfache und »gute« komplexe Kohlenhydrate – ein Mythos?
Früher dachte man, dass hauptsächlich die Länge der Kohlenhydratketten darüber entscheidet, wie schnell der Blutzuckerspiegel ansteigt. Doch weit gefehlt! Lebensmittel mit komplexen Kohlenhydraten liefern nicht automatisch lang anhaltende, Lebensmittel mit einfachen Kohlenhydraten nicht automatisch schnelle Energie! So enthält z. B. Weißbrot zwar komplexe Stärke, der Blutzuckeranstieg geht aber trotzdem schnell vonstatten. Deshalb ist die Empfehlung, komplexe Kohlenhydrate zu bevorzugen, zu kurz gegriffen.
Frauen mit PCOS weisen allerdings in der Regel Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels auf: Kohlenhydrate sind die Haupttreiber für den Insulinausstoß im Körper. Aufgrund der Insulinresistenz liegt ohnehin meist bereits ein erhöhter Insulinspiegel vor. Da ein zu hoher Insulinspiegel das hormonelle Ungleichgewicht bei PCOS befeuern kann, ist es ein wichtiger Ansatzpunkt der Ernährung für Ihr PCO-Syndrom, den Insulinspiegel wieder in den Griff zu kriegen.
Sie können sich deshalb mit Ihrer Kohlenhydratzufuhr gerne etwas unterhalb des allgemein empfohlenen Richtwerts orientieren – dies wären dann z. B. etwa 45 bis 50 Prozent der Tagesenergiemenge. Bei einer Ernährung mit 2000 kcal pro Tag entspricht das ca. 225 g Kohlenhydraten, bei 1500 kcal sind es ca. 165 g. Der ▶ Basis-Ernährungsplan ) sowie die Rezepte in diesem Buch geben Ihnen hier gute Orientierungshilfen, wie eine solche Kohlenhydratmenge ganz praktisch »aussehen« kann.
Die Kohlenhydratmenge ist das eine. Viel wichtiger ist jedoch die ▶ Kohlenhydratqualität . Schnell (blutzucker-)wirksame Kohlenhydrate begünstigen aufgrund der Insulinresistenz bei PCOS die Entwicklung von reaktiven Unterzuckerungen und Heißhungerattacken oder auch die Entstehung eines Mittagstiefs. Daher sollten Sie diese Kohlenhydrate meiden. Kombinieren Sie stattdessen lieber hochwertige kohlenhydratreiche Lebensmittel sinnvoll mit anderen Lebensmitteln in Ihren Mahlzeiten – so betreiben Sie mit richtiger Ernährung Insulin-Management, das sich positiv auf Ihre Hormon-Balance auswirkt.
2.2.3 Ballaststoffe
Ballaststoffe sind komplexe Kohlenhydrate, die auf wunderbare Weise Ihre Verdauung unterstützen und Ihre Blutfettwerte verbessern können. Sie sind also alles andere als unnützer Ballast. Der Name rührt einfach daher, dass diese Nahrungsbestandteile nicht im klassischen Sinne verdaut und vom Körper aufgenommen werden. Da sie von Verdauungsenzymen nicht aufgeschlossen werden können, erhöhen sie auch den Blutzuckerspiegel nicht – was natürlich sehr erfreulich ist, wenn Sie an PCOS leiden.
Man unterscheidet grob zwei Arten von Ballaststoffen: die löslichen und die unlöslichen Ballaststoffe.
Kalte Gazpacho mit Biss
Ballaststoffe zum Löffeln? Ja, das geht! Bei dieser Gazpacho bleibt...