Teil I: Positive Erziehung – die Grundlagen
Was Sie in dieser Einheit erwartet
Positive Erziehung braucht gelingende Beziehung und klare Prinzipien, Ziele und Kenntnisse über die Ursachen von Verhaltensproblemen. Sie lernen diese Begriffe kennen, wählen sich Ziele aus und setzen diese für sich selbst um. Sie erfahren Grundlegendes über die Entwicklung Ihres Kindes. Im Einzelnen geht es um folgende Aspekte:
Sieben Grundlagen effektiver Elternschaft – die 7 Basics
Diese sieben „Basics“ geben Ihrem Erziehungsverhalten einen „roten Faden“:
• Verlässlich Eltern sein
• Positive Beziehung fördern
• Konsequenz
• Die eigenen Werte leben
• Auf sich achten
• Sicherheit im Alltag gewährleisten
• Realistisch bleiben
Es sind Grundbausteine, die Ihnen Orientierungshilfe bieten und es ermöglichen, auch in angespannten Stresssituationen planvoll zu handeln.
Fähigkeiten fürs Leben erwerben
Wer nicht weiß, wohin er will, muss sich nicht wundern, wenn er ganz woanders herauskommt – so lautet ein Sprichwort. Das gilt auch für die Erziehung von Teenagern. Gerade bei ihnen ist es wichtig, dass die Ziele zwischen allen Beteiligten klar abgesprochen sind. Die Eltern müssen für sich klären, was sie ihren Kindern vermitteln wollen. Dabei kann Ihnen die Frage helfen: „Welche allgemeinen Ziele für die Teenager sind wichtig?“ Miteinander reden und auskommen, zu sich selbst stehen können, Selbstständigkeit, Mündigkeit, kritisches und kreatives Denken gewinnen, den Umgang mit den eigenen Gefühlen lernen, Probleme selber lösen können – diese Grundfertigkeiten braucht Ihr Kind für ein selbstständiges Leben.
Ursachen für Verhaltensprobleme
Wenn es Probleme mit Teenagern gibt, sind Eltern schnell bereit, die Ursachen in äußeren Einflüssen zu suchen: in der Schule, bei Lehrern, Freunden der Kinder, in der Faulheit der Kinder, in den Medien wie Fernsehen, Computer & Co.
Doch nicht selten gibt es auch Ursachen, die auf das Verhalten der Eltern zurückgehen. Eltern geben ineffektive Aufforderungen oder missachten erwünschtes Verhalten, sie übersehen wichtige Bedürfnisse des Kindes oder vermitteln nicht genügend Orientierung.
Ziele setzen und das Verhalten beobachten
Hier wird es sehr konkret. Auf welches Ziel wollen Sie als Eltern oder Erzieher hinarbeiten? Dazu ist es nötig, Probleme zu benennen und Ursachen zu erfassen. In welchen Situationen scheitern Sie oft? Was passiert vorher und was passiert danach? Sie lernen, solche Problemsituationen genau zu beobachten.
Herausforderung Pubertät: Teenager verstehen lernen
„Kleine Kinder, kleine Sorgen; große Kinder, große Sorgen.“ So lautet ein Sprichwort, das die Erfahrung vieler Eltern mit ihren Teenagern zusammenfasst. Zwar war die Zeit, als die Kinder klein waren, auch nicht einfach. Die Nächte waren kurz oder mehrfach unterbrochen, als das Baby schrie. Das Bezahlen an der Supermarktkasse konnte zur Tortur werden, wollten die Eltern den Wettkampf mit den vielen Lutschern, Kaugummis und anderen Süßigkeiten kurz vor dem Mittagessen gewinnen. Auch Verhaltensauffälligkeiten kosteten Nerven, wenn Hyperaktivität das Verhalten des Kindes prägte oder Teilleistungsschwächen die Hoffnung auf eine ideale Schulkarriere der Kinder zunichte machten. Insgesamt wird die Zeit bis zum Alter von zwölf Jahren jedoch von vielen Eltern als positiv erlebt. Nerviger Stress und Glück in der Begegnung mit den Kindern halten sich in der Regel die Waage.
Pubertät = Dauerstress mit den Teenagern?
Doch was Eltern nun mit ihrem werdenden Teenager erleben, stellt erlebtes Glück und die bisherige Sicherheit in Erziehungsfragen oft genug in Frage. Die Balance kann sich immer mehr in Richtung Dauerstress mit den Teenagern verlagern. Sogar die Ehezufriedenheit nimmt ab, der Haussegen hängt schief und der gute Rat der Großeltern oder lieber Freunde versagt. Was ist passiert?
Früher sagte der Vater: „Hol’ bitte den Sprudel aus dem Keller!“, und der Filius tat, worum der Vater ihn bat. Heute dagegen kommt als Reaktion auf dieselbe Bitte schon mal ein muffeliges: „Hol ihn doch selber!“ Das ist wie ein Schlag in die Magengegend. Spätestens jetzt ahnt dieser Vater, dass sich etwas Grundlegendes verändert hat. Entweder er resigniert: „Dann mach doch, was du willst – mir egal!“ Oder er greift zu Deftigem: „Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, hast du zu tun, was ich dir sage! Ist das klar?“
Teenager einfach laufen lassen?
Manche Teenager rebellieren und entziehen sich dem Einfluss der Eltern ganz; andere passen sich „gehorsam“ an, entwickeln aber eine innere Gegenwelt. Ein Prozess, der für den Teenager oft nicht ohne Spätfolgen bleibt.
Umgekehrt gewähren manche Eltern ihren Teenagern scheinbar große Freiheit, lassen sie aber emotional nicht los. Bindungen an und Abhängigkeit von den Eltern bleiben so lange über die Volljährigkeit hinaus und bis ins mittlere Erwachsenenalter erhalten. Dann „regieren“ die Eltern in der jungen Ehe ihres ehemaligen Teenagers mit, was sich für das Paar sehr belastend auswirken kann.
Und es gibt Eltern und Erzieher, die ihre Teenager laufen lassen. Sie fühlen sich überfordert und hilflos, planvoll mit den geballten Entladungen von anstrengenden Gefühlen, der Unberechenbarkeit oder den verletzenden Verhaltensweisen ihrer Kinder umzugehen. „Augen zu und durch“ heißt dann die Devise. Irgendwie wird sich alles ändern. Doch eine Folge solcher Resignation ist, dass man sich entfremdet und die Trennung herbeisehnt.
PEP4Teens macht Mut, diese Beziehungsfallen zu erkennen und sie effektiv zu vermeiden.
Teenager hinterfragen ihre Eltern
Die relativ harmonische Zeit der Kindheitsjahre und die festen Strukturen in der Beziehungsgestaltung, etwa der klare und notwendige Vorrang des Elternwillens, kommen mit der Pubertät der Kinder zunehmend ins Wanken. Die Wünsche des Kindes verändern sich. Nun entwickelt es neue Bedürfnisse:
• nach mehr Selbstständigkeit,
• nach Akzeptanz im Sinne einer partnerschaftlichen Beziehung zu den Eltern,
• nach Respekt gegenüber eigenen Weltdeutungen und Ideen,
• nach mehr Gestaltungsfreiheit der persönlichen Lebensbereiche (Zimmer, Outfit, Schule, Freundeskreis etc.).
Fürsorgende und bestimmende Erziehungsmaßnahmen werden von Teenagern immer mehr abgelehnt und kritisch hinterfragt. Das Gefühl, den Eltern gehorchen zu müssen, nimmt stetig ab. Dafür wächst der Anspruch auf Selbstständigkeit unüberhörbar, auch wenn er in krassem Widerspruch zur wirtschaftlichen Realität steht. Die gewonnene gedankliche Kraft, das eigene Handeln und das der Eltern zu reflektieren, schafft neue Handlungs- und Reaktionsmöglichkeiten. Der Teenager grenzt sich zunehmend gegen die Eltern ab. Er setzt vermehrt auf seinen eigenen Willen und stellt vieles auch argumentativ in Frage.
„Wer hat Recht? Wer setzt sich durch? Wer bestimmt in diesem Haus? Nach welchen Regeln leben wir zusammen? Welche Freiräume gewähren wir einander?“ Machtkämpfe um diese Fragen führen zu Verletzungen auf allen Seiten. In Eltern erwecken sie nicht selten die Angst, sie seien mit ihren Erziehungsbemühungen auf ganzer Linie gescheitert.
Gegenseitiger Austausch ist wichtig
Nicht immer verstehen beide Elternteile gleichzeitig, dass jetzt ein grundsätzliches Umdenken im Erziehungsverhalten notwendig ist. Vielleicht entdeckt der Elternteil, der mit dem Teenager die meiste Zeit verbringt, zuerst, dass das inzwischen vielfach rebellische 13-jährige „Kind“ viel zugänglicher ist, wenn die Erwachsenen Verständnis zeigen, sich in die Lage des Kindes einfühlen und mit dem Teenager einen Plan zur Lösung von Konflikten aushandeln. Teenager wollen kritisch fragen können. Sie wollen den Sinn etwa ihrer Mitarbeit im Haushalt grundsätzlich klären oder offen halten („Ob ich da mithelfe, muss ich mir zuerst überlegen.“) oder wissen, warum sie wann zu Hause sein sollen.
Eltern machen dabei auch die Entdeckung, in welche Bereiche sie sich lieber nicht mehr direkt einmischen: das „Outfit“, die Frisur, der Ordnungsgrad im Jugendzimmer, der Freundeskreis – um ein paar Beispiele zu nennen. Wollen Eltern und Erzieher hier etwas erreichen, müssen sie indirekter vorgehen als zu der Zeit, in der die Kinder noch klein waren. Sie müssen diskutieren und verhandeln.
Grenzen miteinander aushandeln
Teenagern eine größere Mündigkeit zuzubilligen und bei der Erziehung indirekter vorzugehen...