Unternehmensführung ohne Prozessmanagement (PzM) ist in marktstarken, langfristig erfolgreichen Unternehmen nicht mehr vorstellbar. Um einerseits den Zusammenhang und die Verbindung der beiden Themen zu zeigen und andererseits die Basis für ein umfassendes Prozessmanagement zu umreißen, wird im Folgenden den grundlegenden Inhalten dieser Begriffe Raum gewidmet (Jeston/Nelis, 2006).
1.1 | Management und Unternehmensführung |
Management und Unternehmensführung werden in der Literatur in einem institutionellen und einem funktionalen Sinn behandelt. Institutionell sind Personen Träger der Managementtätigkeiten, und funktional wird die Tätigkeit des Managements als Prozess der Willensbildung und Willensdurchsetzung verstanden (vgl. Winkelmann, 2008).
Im deutschsprachigen Raum wird Management als Funktion oft in sachbezogene und personenbezogene Aufgaben unterteilt. Sachbezogene Aufgaben beinhalten die Planung, Steuerung und Kontrolle zur Erfüllung bestimmter strategischer und operativer Aufgaben. Personenbezogene Aufgaben dagegen zielen auf die Beeinflussung des Mitarbeiterverhaltens zur Erreichung gemeinsam akzeptierter Ziele und der damit verbundenen Probleme (Feldbrügge, 2008).
Management umfasst damit auch die Gestaltung und Lenkung von Abläufen im Unternehmen. Bei der Erforschung und Darstellung von Managementwissen lassen sich grundsätzlich verschiedene Vorgehensweisen abgrenzen. Zum einen ein analytisch funktionsorientierter Ansatz und zum anderen ein empirisch handlungsorientierter Ansatz.
Der erste, historisch ältere Ansatz geht auf die funktionale Gliederung des Unternehmens nach Fayol (1916) zurück. Fayol definierte als grundlegende Managementaufgaben im Sinne der Unternehmensführung: Planung und Zielsetzung, Organisation und Strukturierung, Führung, Mittelbereitstellung und -disposition, Steuerung und Lenkung sowie Optimierung und Verbesserung (Fayol, 1929).
Der zweite, handlungsorientierte Ansatz hat seinen Ursprung in einer empirischen Studie von Carlson (1951). Prozessansätze stellen eine Erweiterung der funktionalen Ansätze insofern dar, als sie in Abhängigkeit von der Zeit verschiedene Phasen eines Managementprozesses betrachten. Das Management wird dabei in den Phasen Planung, Organisation, Durchsetzung und Überwachung beschrieben.
Die wesentlichen, heute bekannten Ansätze werden in Kapitel 1.3.3 gegenübergestellt und kritisch beleuchtet.
Bild 1.1 zeigt die grundlegenden Aufgaben des Managements.
Bild 1.1 Grundlegende Aufgaben des Managements
Einen weiteren Zugang liefert das Ebenenmodell als Gliederung der Unternehmensführung in folgende drei Ebenen:
Normative Ebene
Diese Ebene beschäftigt sich mit den grundsätzlichen Zielen der Unternehmung, mit Prinzipien, Normen und Spielregeln, die darauf ausgerichtet sind, die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit der Unternehmung zu ermöglichen (Bleicher, 2011). Auf der normativen Managementebene legt eine Organisation ihre Mission, Vision, Unternehmenspolitik, Leitsätze/Leitlinien, Grundsätze und Unternehmensstandards fest.
Das normative Management ist an der Nutzenstiftung für die relevanten Interessengruppen (Stakeholder) orientiert und bestimmt die Grundlage jeglichen Handelns im Unternehmen.
Strategische Ebene
Auf der strategischen Managementebene entwickelt eine Organisation Vorgehensweisen, um ihre im normativen Management definierten Leitsätze zu verfolgen und Ziele zu erreichen. Solche Geschäftsstrategien werden beispielsweise in einem Geschäftsplan formuliert.
Strategie ist die prinzipielle Aufstellung der Potenziale und Ressourcen in der Auseinandersetzung mit der Umwelt.
Strategisches Management umfasst den Aufbau, die Entwicklung und die Nutzung von Erfolgspotenzialen im Unternehmen. Die Erfolgspotenziale müssen erfasst werden, um darauf aufbauend Kernprozesse des Unternehmens in einer zukunftsorientierten Sichtweise zu entwickeln.
Generelles Ziel ist es, optimale Strukturen in den Abläufen und im Aufbau des Unternehmens zur Verfolgung der Unternehmensziele zu besitzen und diese in der Auseinandersetzung mit einer sich ändernden Unternehmensumwelt zu nutzen.
Operative Ebene
Auf der operativen Managementebene einer Organisation erfolgen die Führung der Mitarbeiter, die Bereitstellung der Mittel (Ressourcen) sowie die Planung, Steuerung und Überwachung von Prozessen, Maßnahmen und Projekten.
Das operative Management betreut auch den sozialen Aspekt des Mitarbeiterverhaltens, welcher für die Unternehmenskultur sowie in der vertikalen und horizontalen Kommunikation eine Rolle spielt.
Operatives, taktisches Management muss sich im Rahmen der strategischen Vorgaben bzw. Gegebenheiten mit den aktuellen Umwelteinflüssen auseinandersetzen und durch permanente Feinsteuerung einen stabilen Prozess der Leistungserbringung gewährleisten.
Der Zusammenhang der Ebenen und die Fragen, die in der jeweiligen Ebene beantwortet werden müssen, sind in Bild 1.2 dargestellt.
Bild 1.2 Ebenen der Unternehmensführung
Von Bedeutung ist, dass dieses Konzept nicht als starres Modell gesehen wird, sondern erst durch die dynamische Vernetzung und den wiederkehrenden Top-down- und Bottom-up-Austausch im Sinne einer kontinuierlichen Unternehmensentwicklung die volle Wirkung entfaltet.
Es lässt sich somit ein Regelkreis der Unternehmensführung skizzieren: Ausgehend von der normativen Ebene werden in der strategischen Planung die Strategie, die strategischen Ziele und die strategischen Maßnahmen samt deren Beziehungen und Abhängigkeiten definiert (dargestellt z. B. in der Balanced Scorecard). Die Ziele werden in Form der Prozesse, Projekte und Linienaufgaben operationalisiert und im Rahmen des „Deployment" abgestimmt. Im Zuge der Umsetzung wird regelmäßig die Zielerreichung überwacht, und im Review, der Bewertung der Zielerreichung, wird die Gesamteffektivität und -effizienz festgestellt. Es wird hinterfragt, ob die strategische und normative Ebene noch den Anforderungen der Unternehmensumwelt gerecht wird (Bild 1.3), und es werden die neuen operativen Ziele und Maßnahmen abgeleitet.
Bild 1.3 Regelkreis der Unternehmensführung vor dem Hintergrund des PDCA-Zyklus
Während die Erstellung der strategischen Pläne maßgeblich durch die Geschäftsverantwortlichen zu erfolgen hat, sind an deren Umsetzung viele Mitarbeiter beteiligt. Diese können nur dann ihren Beitrag leisten, wenn sie die für sie relevanten Inhalte des strategischen Plans kennen bzw. mittragen und die Organisationsstruktur dies wirksam unterstützt. Nur so kann erreicht werden, dass die strategische Planung die gesamte Organisation auf gemeinsame Ziele und Strategien ausrichtet (Bild 1.4).
Die Organisation als ein System von Aufgaben, Befugnissen, Verantwortlichkeiten und gegenseitigen Informationen innerhalb der Unternehmensprozesse steht in direktem Zusammenhang mit der strategischen Positionierung. Eine prozessorientierte Organisation ermöglicht die Fokussierung auf die strategisch relevanten Unternehmensprozesse und stellt somit den optimalen organisatorischen Rahmen dar. Entscheidend ist dabei, dass mit der Prozessverantwortung auch die Ergebnisverantwortung für den jeweiligen Prozess verbunden ist. Dies bedeutet, dass die Verantwortung für erfolgskritische Prozesse in der Führungsebene anzusiedeln ist.
Bild 1.4 Zielorientierte Ausrichtung der Organisation
Sinnvollerweise werden alle Aktivitäten, Prozesse und Projekte an der normativen und strategischen Ebene ausgerichtet, um so die Maximierung der Effektivität der Organisation zu gewährleisten und um den Mitteleinsatz zu minimieren. Somit wird die Wirtschaftlichkeit der Organisation nachhaltig gesteigert.
1.2 | Unternehmensführung und Prozessmanagement |
1.2.1 | Mission eines Unternehmens |
Von entscheidender Bedeutung für die Unternehmensführung ist die Kernfrage, die sich jedes Unternehmen im Rahmen der Formulierung der Mission (Bild 1.5) stellen muss: „Wozu sind wir da?" Die Mission eines Unternehmens soll Antwort auf folgende Fragen geben:
Diese Fragen langfristig stabil und umfassend zu beantworten, soll nicht nur ein gemeinsames Verständnis schaffen, sondern bildet auch die Basis für die Identität des Unternehmens und damit auch die Abgrenzung zum Mitbewerb. Der Mission kommt somit eine starke Rolle im Rahmen der Sinnstiftung der Organisation zu und bildet damit eine wesentliche Identifikationsbasis für die Mitarbeiter (vgl. Watzlawick, 2004).
Bild 1.5 Beispiele für Missionen
1.2.2 | Bedeutung des Unternehmensleitbilds |
Das Leitbild (Bild 1.6), im angelsächsischen Raum auch als „Mission Statement" bezeichnet, legt in schriftlicher Form fest, welche Unternehmensgrundsätze für das Unternehmen gelten und auch welche Ziele bzw. Werte dem unternehmerischen Handeln zugrunde liegen sollen. Es beschreibt somit die Grundhaltung, das Wertegefüge des Unternehmens und...