"Kapitel 3.2.3, Verhalten im Model der neurologischen Ebenen:
Das Gehirn ist ein selbstorganisierter Erfahrungsspeicher, dessen primäres Ziel es ist, das psycho-biologische Wohlbefinden des Organismus zu erhalten oder wiederherzustellen. Die Aufgabe des Gehirns ist es, Erlebnisse, die sich ereignen zuerst einmal auf „gut oder schlecht für mich“ zu bewerten. Um eine positive Verhaltenssteuerung einleiten zu können, muss dieses Wissen gespeichert werden, damit es dann in einer entsprechend ähnlichen Situation zur Handlungsplanung oder ad hoc abgerufen werden kann. Diese Verhaltensweisen werden entsprechend ihrer Konsequenzen bewertet und im Gedächtnis bewahrt. Grundlage für diesen selbstorganisierten Prozess sind unsere Erfahrungen und die Erfahrungen unserer Vorfahren, gespeichert als genetischer Ahnenschatz. Diese Abspeicherung stellt unser gesamtes bewusstes und unbewusstes Wissen in Form von chemischen und elektrischen Kodierungen dar, welches dann dynamisch, adaptiv und individuell-spezifisch zur Kreierung zukünftigen Verhaltens verwendet wird. Die menschliche Psyche ist damit letztendlich ein umfassendes und reichhaltiges Gedächtnis von erlebten Aufzeichnungen. Nervenzellen, die gleichzeitig feuern, verdrahten sich. Ähnlich wie bei der Muskulatur werden diese Verbindungen durch häufigere Nutzung gestärkt, aber bei verminderter Benutzung verkümmern sie. Lernen ist aus neurobiologischer Sicht demnach nichts anderes, als die Verstärkung elektrischer Bahnungen in Form von synaptischen Verbindungen zwischen Neuronen. Diese neuronalen Netze sind multicodiert. Das bedeutet, dass nicht nur sensorische Aspekte wie Farbe, Form oder Klang, sondern auch Anpassungsreaktionen aufgezeichnet werden inkl. der emotionalen Reaktion auf eine Situation. Wenn wir uns an ein Objekt oder eine Situation erinnern, dann werden nicht nur die sensorischen Daten abgerufen, sondern auch die begleitenden emotionalen Informationen. Eine Besonderheit stellt die Fähigkeit des Gehirns zur Komplettierung oder Musterergänzung dar. Mit fortschreitender Bahnung kann ein Erregungsmuster immer einfacher von verschiedenen Anhaltspunkten abgerufen werden. Das Gehirn und der Körper sind wechselseitig aufeinander abgestimmt, so dass für jede Situation unserer Erfahrungen Emotionen mit den begleitenden Körperzuständen verknüpft werden. Werden nun in Entscheidungssituationen Vorstellungen über zukünftige Ziele bzw. Handlungsergebnisse mittels Schlüsselbilder aufgebaut, so lösen diese ganz bestimmte Körperempfindungen und Körperzustände, sogenannte somatische Marker aus. Aufgrund der oben genannten Dualität im Anstreben von biopsychischen Wohlbefinden, spielen diese körperlichen Markierungen für die Motivationsarbeit eine entscheidende Rolle.
Die Bewusstmachung von somatischen Markern kann Menschen dabei unterstützen, für ihn gute Entscheidungen zu treffen. Diese Körpersignale helfen somit, die Wahlmöglichkeiten für zukünftige Ziel- oder Handlungsalternativen mit unseren kognitiven Planungs- und Abwägungsprozessen optimal zu verknüpfen. Somatische Marker können also im Auswahlprozess der persönlichen Zielfindung als diagnostisches Leitsystem für Selbstkongruenz eingesetzt werden.
Bedingungen des Verhaltens:
Wie bereits angeführt, ist das Verhalten bzw. Handeln von Menschen immer kontextabhängig. Einerseits wird Verhalten bestimmt durch die persönlichen Faktoren im übergeordneten Sinne, wie das persönliche Wollen und das individuelle Können. Andererseits spielen bedeutsame Situationsgrößen eine Rolle, wie das soziale Dürfen, die situative Ermöglichung und die Erwartungshaltung des Umfeldes, das Sollen.
Um Unternehmenspotenziale nutzen bzw. zukunftsorientiert aufbauen zu können, ein zielorientiertes Handeln mit einer möglichst hohen Kongruenz zwischen Organisations- und persönlichen Mitarbeiterzielen, sowie ein hohes Selbstverständnis zwischen Arbeitsrolle und Identität zu erreichen, ist es sowohl für den Mitarbeiter als auch für die Führung einer Organisation sinnvoll, dem Mitarbeiter die eigenen Verhaltensdeterminanten reflektieren zu lassen. Die Fragen bezüglich dem persönlichen „Wissen“ und „Können“, der vorhandenen Motivation durch das „Wollen“, sollten ebenso abgeklärt werden, wie das „Sollen“ in Bezug auf das eigene Gewissen, aber auch auf die Erwartungen und Anforderungen an die zu erbringenden Ergebnisse, sowie das „Dürfen“ als Erlaubnis oder Ermöglichung zu einer Handlung.
Motivationssystem:
Ist ein Motiv ein Antriebsgrund, eine handlungsleitende Wirkgröße, also das, was bewegt, so ist Motivation die Antriebsbereitschaft, ein zielgerichteter Handlungsimpuls, das was an Kraft herauskommt. Motivation bezieht sich auf Prozesse, die mit dem Setzen von Zielen und deren Wünschbarkeit und Realisierbarkeit zu tun haben. Motivation entsteht aus dem Zusammenspiel von situativen Anreizen und dispositionellen Persönlichkeitseigenschaften. Situationen werden als Anreize für Motive bezeichnet, sie bieten Gelegenheit, Bedürfnisse zu stillen oder Wünsche und Ziele zu realisieren.
Um eigenes Verhalten und Handeln reflektieren zu können, ist es notwendig, sich über die eigene Bedürfnis- und Motivstruktur klarer zu werden. Während Motive eine nicht direkt beobachtbare Verhaltensdisposition darstellen, wird mit Motivation ein aktueller Zustand bezeichnet, der zur Aufnahme einer spezifischen Handlung führt und die Richtung, Intensität und Ausdauer des Verhaltens mit beeinflusst. Richtung beschreibt die Entscheidung für ein bestimmtes Verhalten, Intensität betrifft die eingesetzte Energie und Ausdauer beschreibt die Beharrlichkeit, mit der ein angestrebtes Ziel angesichts von Widerständen beibehalten wird. Intrinsische Motivation ist die größte Schnittmenge aus individuellen Merkmalen von Menschen in Form ihrer persönlichen Werte und persönlichen Stärken, ihrer impliziten Motive, sowie den expliziten Zielen und einer aktuell wirksamen Situation, in der die Anreize auf die gesamte Motivationsstruktur einwirkt und diese aktiviert."