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Persönlichkeitsentwicklung durch Bewegung, Spiel und Sport

Die Bedeutung des Schulsports für die Selbstkonzeptentwicklung im Grundschulalter

AutorMiriam Seyda
VerlagMeyer & Meyer
Erscheinungsjahr2011
ReiheSportforum. Dissertations- und Habilitationsschriftenreihe 27
Seitenanzahl356 Seiten
ISBN9783840334917
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Schule soll, so lautet eine der zentralen Forderungen, alle Schülerinnen und Schüler auch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützen. Inwieweit der Schulsport - und hier insbesondere der Sportunterricht - dieser Aufgabe nachkommen kann, ist die zentrale Frage dieser Arbeit. Dabei wird ein Teil der Persönlichkeit - das Selbstkonzept und seine Entwicklung im Grundschulalter - in den Fokus gestellt. Auf Basis einer vierjährigen Längsschnittstudie wird überprüft, ob Schulsport einen förderlichen Einfluss auf die Entwicklung des Selbstkonzepts ausüben kann. Diese Studie ist eingebunden in das Pilotprojekt 'Tägliche Sportstunde an Grundschulen in NRW', einem Schulversuch, in dem an 25 Schulen der Sportunterricht im Idealfall auf fünf Stunden pro Woche ausgeweitet wurde.

Miriam Seyda studierte an der Carl-von-Ossieztky-Universität Oldenburg die Fächer Sportwissenschaft, Germanistik und Psychologie. Sie ist seit 2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sport und Sportwissenschaft der TU Dortmund. Von 2004 bis 2009 war sie hauptamtlich zuständig für das Pilotprojekt 'Tägliche Sportstunde an Grundschulen in NRW'. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Persönlichkeitsentwicklung durch Bewegung, Spiel und Sport und quantitative Forschungsmethoden.

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Leseprobe

1   Problemstellung, Konkretisierung und Eingrenzung


Problemstellung

Aus den Richtlinien und Lehrplänen des Landes Nordrhein-Westfalen geht hervor, dass die Grundschule unter anderem die Aufgabe hat, „alle Schülerinnen und Schüler unter der Berücksichtigung ihrer individuellen Voraussetzungen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung (…) gleichermaßen und umfassend zu fördern“ (MSWWF NRW, 1999, S. IX). Vor diesem Hintergrund lässt sich für den Schulsport konstatieren, dass unter dem ersten Aspekt des Doppelauftrags – „Entwicklungsförderung durch Bewegung, Spiel und Sport“ (MSWWF NRW, 1999, S. XXV) – auch eine Förderung der Persönlichkeitsentwicklung gemeint ist. Inwieweit der Schulsport dieser Aufgabe nachkommen kann, ist die zentrale Frage dieser Arbeit. Denn sowohl aus einer theoretischen wie auch empirischen Perspektive heraus scheint der Zusammenhang zwischen Bewegung, Spiel und Sport und der Entwicklung der Persönlichkeit nicht so eindeutig, wie er in den Richtlinien und Lehrplänen zunächst zum Ausdruck kommt. Eine differenzierte Betrachtung der Forderung einer „Förderung der Persönlichkeitsentwicklung durch Bewegung, Spiel und Sport“ in der Grundschule zeigt einige „blinde Flecken“ bzw. damit verbundene theoretische wie empirische Probleme auf, als auf den ersten Blick möglicherweise zu vermuten wäre.

Erstens stellt sich die Frage, was genau unter Persönlichkeit zu verstehen ist und was in diesem Zusammenhang zweitens deren Entwicklung meint. Drittens ist zu präzisieren, was eine Förderung von Persönlichkeitsentwicklung bedeutet. Geht es hierbei z. B. um eine bestimmte Richtung, sozusagen ein Zielzustand von Persönlichkeit, der erreicht werden soll? Und, wenn ja, wie ist dieser zu begründen? Viertens scheint bisher noch offen, ob Schulsport als Ort von Bewegungserfahrungen und Bewegungslernen generell einen Beitrag dazu leisten kann, die Persönlichkeit des Grundschulkindes zu beeinflussen. Hier ist zunächst theoretisch zu begründen, inwieweit Schulsport ein möglicher Entwicklungsfaktor der Persönlichkeit sein kann. Und fünftens scheint insgesamt die Lebensphase des Grundschulalters bisher ein „Stiefkind“ gerade auch empirischer Forschungsbemühungen für diesen Bereich zu sein. Dies führt dazu, dass bis heute eher wenige empirische Belege zur Persönlichkeitsentwicklung allgemein wie auch im Zusammenhang mit Bewegung, Spiel und Sport für diese Entwicklungsphase vorliegen.

Konkretisierung

Nimmt man sich der Frage an, was unter dem Begriff der Persönlichkeit zu verstehen ist, so stößt man innerhalb der Persönlichkeitspsychologie auf eine Vielzahl von Definitionsversuchen. Burnham (zit. n. Allport & Vernon, 1930) kommentiert diesen Umstand bereits 1929: „What personality is, everybody knows, but nobody can tell“ (S. 681). Auch 70 Jahre später scheint die Schwierigkeit, sich innerhalb der Persönlichkeitspsychologie auf eine einheitliche Begriffsdefinition von „Persönlichkeit“ zu verständigen, noch nicht gänzlich überwunden worden zu sein, was auch daran liegt, dass sehr unterschiedliche Perspektiven auf das Konstrukt „Persönlichkeit“ vorliegen. Die Sichtung grundlegender theoretischer Ansätze zur Persönlichkeit zeigt eine Vielfalt auf, in der die Persönlichkeit immer unterschiedlich betrachtet bzw. akzentuiert wird und aus der heraus sich auch wieder unterschiedliche Persönlichkeitsbereiche, -eigenschaften oder -merkmale unterscheiden lassen (Asendorpf, 2007). Eine „Einigung“ auf das Modell von bzw. die Bereiche der Persönlichkeit hat allerdings auch in der Persönlichkeitspsychologie noch nicht stattgefunden. Wie Conzelmann (2001, S. 22) festhält, finden sich neben vielfältigen theoretische Ansätzen auch unterschiedliche Strukturierungsversuche, die je nach Betrachter verschiedenartig ausfallen: So unterscheidet Asendorpf (2007) zwischen sieben Paradigmen, Schneewind (1982; 1984) zwischen drei grundlegenden Modellen, Sader und Weber (1996) konstatieren sechs „Strukturierungsversuche“, nach Pervin und John (1997) hingegen gibt es sieben Zugänge zur Persönlichkeit und nach Fisseni (1998) können unterschiedliche Ansätze neun „Theoriegruppen“ zugeordnet werden. Den daraus resultierenden, in der Begriffsweite und -umfang differierenden Definitionsversuchen, ist nach Pekrun (1996) gemein, „daß der Persönlichkeitsbegriff eine Menge von Personenmerkmalen kennzeichnet, die a) Zeitstabilität zeigen und b) intraindividuell variieren. (…) weiterer Bestandteil ist, daß c) die Persönlichkeit bezeichnete Merkmalsmenge geordnet ist“ (S. 86). Was genau der „geordneten Merkmalsmenge“ der Persönlichkeit zugeordnet werden kann, scheint auch heute noch nicht gänzlich geklärt. Innerhalb der Persönlichkeitspsychologie ist allerdings nach Asendorpf (2002) konsensfähig, dass

unter Persönlichkeit (…) die Gesamtheit aller individuellen Besonderheiten eines Menschen verstanden [wird], die sein Erleben oder Verhalten betreffen. Hierzu zählen z. B. sein Temperament, sein Wissen und seine Fähigkeiten, seine Einstellungen und Wertehaltungen, sein Selbstbild und Selbstwert, aber auch individualtypische Ausprägungen seiner körperlichen Gestalt, seiner Physiologie und seiner Gene, sofern sie erlebens- oder verhaltensrelevant sind. Die Persönlichkeit ist also all das, was ein Individuum von anderen unterscheidet. Dabei geht es nicht um vorübergehende Zustände, sondern um überdauernde Merkmale (Asendorpf, 2002, S. 47).

Neben der Frage nach möglichen Bereichen oder auch Merkmalen der Persönlichkeit, ist auch die Frage nach ihrer Entwicklung von besonderer Bedeutung. Innerhalb der Entwicklungspsychologie gibt es unterschiedliche Modelle dazu, wie sich der Verlauf der Entwicklung der Veränderungen im Erleben und Verhalten im Laufe des Lebens beschreiben lässt (Thomae, 2002). So kann die Entwicklung z. B. als „geordnete Veränderung“ verstanden werden. In dieser Modellvorstellung vollzieht sich die Entwicklung der Persönlichkeit in Form von Stufen (z. B. bei Havighurst, 1948). Dem Stabilitätsmodell (Thomae, 2002) liegt demgegenüber die Vorstellung zugrunde, dass sich Entwicklungsphasen unterscheiden lassen, in denen unterschiedliche Grade an Stabilität der Persönlichkeit vorliegen (vgl. dazu auch Asendorpf, 2002). In Bezug auf die Veränderung von Persönlichkeitseigenschaften scheint auch wesentlich, aus welcher Perspektive heraus diese interpretiert wird: aus individueller bzw. differentieller Perspektive oder bezogen auf den mittleren Entwicklungstrend. Eine Veränderungsinterpretation mit dem Fokus auf der individuellen Ebene ergibt sich aus dem Vergleich individueller Ausprägungen in Persönlichkeitsmerkmalen im zeitlichen Verlauf (Abnahme bzw. Zuwachs), deren Ursache (z. B. altersbezogene Entwicklung) allerdings unklar bleibt. Eine differentielle Sicht auf die Veränderung ermöglicht eine Interpretation dahingehend, inwieweit die individuelle Ausprägung auch einer altersangemessenen Entwicklung entspricht und zwar dadurch, dass die individuelle Entwicklung vor dem Hintergrund des allgemeinen bzw. mittleren Entwicklungstrends der altersgleichen Gesamtgruppe betrachtet wird (Asendorpf, 2007, S. 229ff.).

Gerade auch im Hinblick auf eine mögliche Förderung von Persönlichkeitsentwicklung wird deutlich, dass spezifisches Wissen darüber vonnöten ist, wie sich altersbezogen Persönlichkeitsbereiche entwickeln, um daran erstens abzuleiten, in welche Richtung eine Förderung erfolgen (Ziel) und wie Veränderungen interpretiert werden können. Dies bedeutet, dass Förderungs- bzw. Entwicklungsziele im Bezug auf die Persönlichkeit begründet und auch festgelegt werden müssen. Wenn es darum geht, Ziele einer Persönlichkeitsentwicklung durch „Sport“ zu formulieren, wird auch innerhalb der (pädagogischen) Sportpsychologie oftmals auf die im Ursprung von Havighurst (1948) formulierten Entwicklungsaufgaben zurückgegriffen (z. B. bei Gerlach & Brettschneider, 2008; Gerlach, 2008), die für das frühe und mittlere Schulalter auch auf Persönlichkeitsbereiche verweisen (moralische Unterscheidungen treffen, soziale Kooperation, Entwicklung von Konzepten und Denkschemata (in Anlehnung an Dreher und Dreher (1985, S. 59)). Der Rückgriff auf das Konzept der Entwicklungsaufgaben zur Festlegung von Entwicklungszielen, die im Rahmen einer Persönlichkeitsentwicklung durch „Sport“ zu erreichen bzw. fördern sind, scheint aber aus mindestens zwei Gründen diskussionswürdig. Zum einen stellen die Aufgaben selbst eine normative „Setzung“ dar, die kaum eine empirische Grundlage hat, und bei der noch unklar erscheint, wie sie an die Kinder und Jugendlichen selbst vermittelt wird (Reinders, 2002, S. 25). Zweitens...

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