2.1 Annäherung an den Untersuchungsgegenstand und
Begriffsdefinition
Das Engagement für gesellschaftliche Belange ist für eine Vielzahl von Unternehmen seit langer Zeit fester Bestandteil der Unternehmenstradition. Bekannte Persönlichkeiten der Wirtschaft wie z.B. die Familie Rockefeller, Andrew Carnegie, John Cadbury oder Werner von Siemens pflegten bereits seit dem 19. Jahrhundert eine starke philanthropische Tradition und engagierten sich als Förderer der Kunst, der Wissenschaften und der Gesellschaft. Die Ursprünge der wohltätigen Unterstützung reichen sogar weit bis ins Mittelalter zurück. Dies zeigt bspw. die im Jahr 1521 vom Kaufmann und Bankier Jakob Fugger der Reiche in Augsburg gegründete und bis heute bestehende Sozialsiedlung ‚Fuggerei’. Dabei handelte es sich bei dem Engagement lange Zeit größtenteils um ‚klassische’ philanthropische Aktivitäten in Form von Spenden und Stiftungen. Ferner ging das Engagement meist auf die persönlichen Vorlieben der Unternehmenseigner zurück und war nicht oder nur locker mit den eigentlichen Unternehmensinteressen verbunden.
Zu dieser Zeit begannen Unternehmen, „[…] ihre gemeinwohlorientierten Aktivitäten von bedingungslosen und unspezifischen Spendenzahlungen auf Formen einer unternehmensstrategisch begründeten Engagementförderung […]“ (Enquete-Kommission 2002, S.219) umzustellen. Seit Anfang der 1990er Jahre zeichnet sich für die strategische unternehmerische Engagementförderung in der Praxis die Verwendung des Begriffs ‚Corporate Citizenship’ ab. Der Kerngedanke liegt darin begründet, dass Unternehmen in der Gesellschaft die Rolle eines ‚citizen’, eines Bürgers, einnehmen und dadurch als Teil der Gesellschaft zu verstehen sind. Dieser Gedanke geht zurück
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auf die politische Philosophie Aristoteles, in der Unternehmen als integraler Bestandteil der Gesellschaft verstanden werden. Diese Rolle ist zudem damit verbunden, dass die Unternehmen in der Verpflichtung stehen zum Allgemeinwohl der Gemeinde, in der sie unternehmerisch tätig sind, beizutragen und sich and der Lösungsfindung für gesellschaftliche Probleme zu beteiligen (vgl. Melé 2008, S.70).
Ende der 1990er Jahre fand der Begriff Corporate Citizenship erstmals Eingang in die deutsche Wissenschaft und Unternehmenspraxis (vgl. Habisch 2003, S.42; Maaß/Clemens 2002, S.7; Wieland 2005, S.11). Dort wird die Diskussion vorwiegend im Rahmen der Debatte um Bürgergesellschaft und bürgerschaftliches Engagement 9 geführt (vgl. Schrader 2003, S.26ff.; o.A. 2004, S.3). In diesem Zusammenhang hat sich als deutsche Bezeichnung für Corporate Citizenship auch der von der Enquete-Kommission geprägte Begriff ‚bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen’
2. Theoretische Grundlagen und Management von Corporate Citizenship _____________________________________________________________________________ herausgebildet 10 . In Deutschland wurde der Begriff publizistisch erstmals im Jahr 1995 von Achim Westebbe und David Logan verwendet. Laut der Definition des deutschbritischen Autorenteams umfasst Corporate Citizenship
„[…] das gesamte koordinierte, einer einheitlichen Strategie folgende und über die eigentliche Geschäftstätigkeit hinausgehende Engagement eines Unternehmens zur Lösung gesellschaftlicher Probleme. Hierbei sollen alle Arten von Ressourcen des Unternehmens unter besonderer Berücksichtigung seiner spezifischen Kompetenzen genutzt werden. Wesentliches Element von Corporate Citizenship ist die bewußte und gezielte Kommunikation des gesellschaftlichen Engagements gegenüber möglichst vielen Zielgruppen.“ (Westebbe/Logan 1995, S.17)
Dementsprechend sollte das Engagement einer Strategie folgen und an den Kerninteressen des Unternehmens ausgerichtet sein, bzw. eine Relation zur Geschäftstätigkeit aufweisen. Seit der Publikation von Westebbe/Logan wurde diese Definition in der deutschen Diskussion von verschiedenen Autoren aufgegriffen und einzelne Aspekte, je nach Auffassung, unterschiedlich stark betont oder um zusätzliche Elemente ergänzt. So heben viele Autoren in ihren Definitionen zusätzlich das Nutzenargument und den damit verbundenen „Win-Win“-Aspekt für alle an den Corporate Citizenship-Aktivitäten beteiligten Akteure hervor, um die Abgrenzung zur als rein altruistisch geltenden Philantrophie zu betonen (vgl. Barth 2007, S.15). Vor allem André Habisch gilt als ein starker Vertreter des Nutzenarguments von Corporate Citizenship:
"Die Diskussion hat klar gemacht, dass gesellschaftliches Engagement kein Widerspruch zum unternehmerischen Gewinnstreben sein darf, sondern im "Windschatten der Anreize" (K. Homann) erfolgen muss." (Interview mit André Habisch in: o.A. 2004, S.3)
Während bei Westebbe/Logan ‚alle Arten von Ressourcen des Unternehmens unter besonderer Berücksichtigung seiner Kompetenzen’ für die Durchführung des bürgerschaftlichen Engagements genutzt werden können, werden einige Autoren in
diesem Punkt konkreter und nennen spezifische Instrumente 11 . So bezeichnen etwa Loew et al. Corporate Citizenship
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„[…] als das über die eigentliche Geschäftstätigkeit hinausgehende Engagement des Unternehmens zur Lösung sozialer Probleme im lokalen Umfeld des Unternehmens und seiner Standorte. Corporate Citizenship umfasst Spenden und Sponsoring […], die Gründung von gemeinnützigen Unternehmensstiftungen […] und ein Engagement für soziale Zwecke unter direktem Einbezug der Mitarbeiter […]. Zu Corporate Citizenship zählen sowohl uneigennützige Aktivitäten sowie Aktivitäten mit einem wirtschaftlichen Eigennutz.“ (Loew et al. 2004, S.54, Hervorhebungen durch d. Verf.)
Ferner wird in der obigen Definition auch der lokale Bezug des bürgerschaftlichen Engagements von Unternehmen deutlich, welches sich im unmittelbaren Umfeld der Standorte abspielt. Auch Habisch nennt konkrete Instrumente und erwähnt darüber hinaus außerdem die Kooperation mit externen Partnern als ein weiteres Merkmal des bürgerschaftlichen Engagements von Unternehmen:
„Als unternehmerisches Bürgerengagement (Corporate Citizenship) bezeichnet man Aktivitäten, mit deren Hilfe Unternehmen selbst in ihr gesellschaftliches Umfeld investieren und ordnungspolitische Mitverantwortung übernehmen. Sie helfen mit, Strukturen bereichsübergreifender Zusammenarbeit und Soziales Kapital aufzubauen, um zusammen mit Partnern aus anderen gesellschaftlichen Bereichen (Bildungs-, Sozial- und Kultureinrichtungen) konkrete Probleme ihres Gemeinwesens zu lösen. In diesen Prozess bringen sie nicht nur Geld, sondern alle ihre Ressourcen - also Mitarbeiterengagement, fachliches Know-how und Organisationskompetenz, Informationen etc. - ein.“ (Habisch 2003, S.58, Hervorhebungen durch d. Verf.)
Hieraus wird bereits deutlich, dass sich die verschiedenen Auslegungen teilweise überschneiden oder ergänzen. Zusammenfassend können jedoch bestimmte Merkmale von Corporate Citizenship-Aktivitäten genannt werden, die als Grundlage dieser Arbeit dienen sollen:
• Einbindung in die Unternehmensstrategie
• Relation zur Geschäftstätigkeit, bzw. Ausrichtung an den Kerninteressen
• „Win-Win“-Charakter für alle beteiligten Akteure
• Gemeinwohlorientierung zur Linderung gesellschaftlicher Probleme
• freiwillige Durchführung, die über die eigentliche Geschäftstätigkeit hinausgeht
• Kooperationscharakter: Durchführung in Zusammenarbeit mit externen Partnern
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• Verankerung am lokalen Unternehmensumfeld und seiner Standorte
• Einsatz von Unternehmensressourcen unter Nutzung der spezifischen Unternehmenskompetenzen
Wie oben bereits erwähnt existiert neben dem Begriff Corporate Citizenship ein weites Feld an weiteren Begrifflichkeiten und Konzepten die sich ebenfalls mit der
Thematik um die Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft befassen 12 . Über deren Abgrenzung voneinander herrscht jedoch nach wie vor große Uneinigkeit (vgl. Backhaus-Maul 2008, S.14f.). In der Fachliteratur wird Corporate Citizenship häufig in einem Zuge mit Corporate Social Responsibility genannt. Das Verhältnis der beiden Begrifflichkeiten Corporate...