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E-Book

Pflegefall? Nein, danke!

Mit der Patientenverfügung selbst entscheiden

AutorWilhelm Margula
VerlagFacultas / Maudrich
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783990306376
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Vorsorge ist keine Frage des Alters. Dieses Buch vermittelt Ihnen das Rüstzeug, Begriffe wie 'Patientenverfügung', 'Vorsorgevollmacht', 'Sachwalterschaft/Erwachsenenvertretung' u.ä. zu verstehen, gibt Ihnen die richtigen Denkanstöße und hilft Ihnen, die für Sie richtige Entscheidung zu treffen. Denn entscheiden können nur Sie selbst. Über ein mit dem Buch gekoppeltes PFLEGEFALLTOOL erhalten Sie die Möglichkeit, erste Maßnahmen zu treffen. Viele Menschen haben den Wunsch, ein jahrelanges Siechtum bei völliger oder weitgehender Bewusstlosigkeit für sich zu verhindern oder auch den Wunsch, ihren Angehörigen später nicht zur Last zu fallen. Dieses Buch ist eine Entscheidungshilfe für all jene, die ihr Leben bis zum Ende selbst bestimmen und für den Ernstfall vorsorgen möchten. Selbstbestimmt statt fremdbestimmt. Vorsorge ist keine Frage des Alters - ein Denkanstoß für die Generation 30+ •Zukunftsszenarien (inkl. Statistiken) und deren mögliche Bewältigung •Richtlinien und gesetzliche Vorgaben für den gesamten deutschsprachigen Raum •Tipps für die einfache Umsetzung einer Patientenverfügung •Inkl. zwei Gratiszugänge zum PFLEGEFALLTOOL

Dr. med. Wilhelm Margula 40 Jahre Arzt, davon 35 Jahre geriatrisch tätig, 9 Jahre Gerichtssachverständiger für Geriatrie, Palliativmedizin und Pflegewesen. Er zog stets die Arbeit am Krankenbett einer wissenschaftlichen Karriere vor. Um 'ärztliche Praxis' so nahe wie möglich an die breite Öffentlichkeit - an Nicht-Mediziner wie an Noch-Nicht-Patienten - zu bringen, setzt er seit 2015 seine Erfahrung in Online-Anwendungen um. 1950in Wien geboren 1976 Promotion zum Dr. med. univ. 1981-1986ärztlicher Leiter 'Ärzteheim', Wien 1986/87Primariat United Oldage Home, Jerusalem 1989-1995Primariat Residenz & Medizin, Ma. Lanzendorf, NÖ seit 2008Gerichtssachverständiger für Geriatrie, Palliativmedizin und Pflegewesen

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Leseprobe

Das Neue Alter

Die Fachwelt bemüht sich schon seit Jahrzehnten vergeblich, einen einheitlichen und aussagekräftigen Begriff für Senioren, „bestAger“ usw. zu finden, der gleichzeitig ihre Tätigkeiten beschreibt. Weil auch ich nicht mit einem passenden Begriff aufwarten kann, versuche ich den Umweg über eine neue Bezeichnung.

Was ist dieses Neue Alter?

Das Neue Alter könnte neben dem Säuglingsalter, Kindesalter, Schulalter, Jugendlichen-Alter, Studentenalter, Erwachsenenalter oder dem Erwerbsfähigen-Alter als jenes Alter definiert werden, in das auch „alte“ Menschen einzuordnen sind. Das Neue Alter umfasst die Lebensphase, in der man aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht nicht mehr arbeiten muss, in der man finanziell genießt, was man im Arbeitsleben erwirtschaftet hat, und man sich deshalb mit Dingen beschäftigen kann, „die man sich schon immer gewünscht hat“. Das Neue Alter ist aber auch die Lebensphase, in die das Lebensende fallen wird.

Im Neuen Alter sind selbst gesteckte (konventionelle) gesellschaftliche Ziele wie Ausbildung, Partnerwahl und Familiengründung bereits erreicht. Erziehung und Ausbildung der Kinder sind abgeschlossen, und das vom gesellschaftlichen Umfeld gegenüber dem Individuum erwartete Verhalten, Beruf und Karriere voranzutreiben, ist auch nicht mehr erforderlich.

Das Neue Alter impliziert die Tatsache, dass es noch nicht ausreichend viele „Vorbilder“ gibt, an welchen wir uns „abschauen“ könnten, was die Generationen vor uns für dieses Alter und in diesem Alter richtig oder falsch gemacht haben.

Das Neue Alter ist aber nicht bloß der Name für eine neue Lebensphase (post-erwerbstätiges Alter und Altsein). Der Begriff „Das Neue Alter“ bringt auch zum Ausdruck, dass selbst hohes Alter nicht zwangsläufig Krankheit, Immobilität oder Demenz bedeutet. Beim Eintritt in das Neue Alter muss man ja gar nicht dem traditionellen Begriff des „alten“ Menschen unterliegen. Der österreichische Soziologe Leopold Rosenmayr nannte diese Gruppe die „Jungen Alten“.

Das Neue Alter umfasst die letzten 30 bis 40 Lebensjahre eines Menschen. Das Neue Alter soll signalisieren, dass heute auch hohes Lebensalter nicht unbedingt mit dem Bild eines gealterten Menschen im herkömmlichen Sinn ident sein muss. Immer mehr Menschen sind im hohen Alter geistig fit, voll mobil und nehmen aktiv am Alltagsgeschehen teil.

Der statistische Vergleich zeigt, dass die Fernere-Lebenserwartung eines 65-jährigen Mannes in 36 Jahren vom Jahr 1978 bis zum Jahr 2014 um 5,7 Jahre angestiegen ist. Bei 65-jährigen Frauen betrug der Anstieg im selben Zeitraum 5,6 Jahre.2 Das heißt mit anderen Worten: Ein Mann, der 1978 im Alter von 65 Jahren in Pension ging, durfte erwarten, durchschnittlich noch weitere 12½ Jahre lang (das waren ca. 20 % seines bisherigen Lebens), also bis zum Alter von 77½ Jahren seine Pension genießen zu können. Ein Mann, der 2014 mit 65 Jahren pensioniert wurde, durfte erwarten, seine Pension durchschnittlich noch weitere 18,2 Jahre lang, also bis zum Alter von 83,2 Jahren (oder knapp 30 % des bisherigen Lebens) genießen zu können. Für 65-jährige Frauen lag die Fernere-Lebenserwartung im Jahr 1978 bei 15,9 Jahren (also weitere 24,5 %), bis zum Alter von 80,9 Jahren. Die Fernere-Lebenserwartung 2014 betrug 21½ Jahre (ca. weitere 33 %), was bedeutet, dass sie erwarten konnte, ihre Pension durchschnittlich bis zum Alter von 86½ Jahren genießen zu können. Aus derselben Statistik ist aber auch folgendes herauszulesen: Durften Männer im Jahr 1978 nur mehr 4,1 Jahre in (sehr) guter Gesundheit erwarten, dann waren es im Jahr 2014 bereits 11,4 Jahre in subjektiv (sehr) guter Gesundheit. Die adäquaten Zahlen für Frauen sprechen eine noch deutlichere Sprache: Waren 1978 von den 15,9 Jahren nur 3,6 Jahre bei (sehr) guter Gesundheit zu erwarten, so lagen 2014 schon 11,3 Jahre in (sehr) guter Gesundheit, also mehr als die Hälfte der Ferneren-Lebenserwartung. Für die Dauer der Pflegebedürftigkeit gibt es zwar keine vergleichenden Statistiken, jedoch sprechen wir (je nach Quelle) bei durchschnittlicher Dauer der Pflegebedürftigkeit von 8, 9 oder 10 Jahren.

Warum es dieses Neue Alter noch nie zuvor gab

Das Neue Alter ist erst in den letzten Jahrzehnten in einem Maß angewachsen, das es erlaubt, von einer eigenen Altersperiode zu sprechen. Die Lebenserwartung steigt in der westlichen Welt wohl hauptsächlich durch medizinische Fortschritte, verbunden mit funktionierenden Gesundheitssystemen. Während inzwischen zur Routine gewordene Eingriffe wie z. B. Staroperation, Implantieren von Herzschrittmachern oder Gelenksersatz die Sturzhäufigkeit im Neuen Alter deutlich reduziert haben, konnten Herz-Kreislauf-Medikamente zur Reduktion der Anzahl von Schlaganfällen und Herzinfarkten beitragen. Auch Antibiotika und Impfstoffe leisten ihren Beitrag zum Entstehen des Neuen Alters.

Aber zweifellos haben auch relativ abgesicherte finanzielle Verhältnisse der Bevölkerung sowie die Zeitspanne, da in unseren Breitengraden keine Kriege stattgefunden haben, ihren Anteil an der demographischen Entwicklung.

Was erwarten Gesellschaft und Politik von diesem Neuen Alter?

Die Kauf- und Konsumfreudigkeit oder die Zahlungskraft der Zielgruppe des Neuen Alters sind sicher von Bedeutung, aber ebenso wenig Gegenstand dieses Beitrags wie das Verhalten dieser Bevölkerungsschicht in Bezug auf Computer, Smartphones und Internetnutzung. Auch will ich hier nicht auf die Vor- und Nachteile von längerer Lebensdauer eingehen.

Wenngleich sich noch nicht herauskristallisiert hat, wie Ärzte, Gesellschaft, Politik und Medien, aber auch jeder einzelne (noch) gesunde Bürger mit dem Neuen Alter aus medizinrechtlicher Sicht umgehen, möchte ich dennoch gerade den medizinrechtlichen Aspekt beleuchten. Umso mehr, als das Neue Alter große Herausforderungen mit sich bringt. Von der Finanzierbarkeit der Sozial- und Gesundheitssysteme über „Demenzerkrankung“ als Herausforderung an die Medizin- und Pharmaforschung bis hin zur Pflegebedürftigkeit im Alter als Herausforderung an die Familie.

Selbstbestimmung am Lebensende, Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht scheinen mir aus medizinrechtlicher Sicht die richtungsweisenden Begriffe für das Neue Alter zu sein, denn es zeichnet sich eine Erwartungshaltung an die Eigenverantwortung des Bürgers ab.

Selbstbestimmung (auch am Lebensende) heißt gleichzeitig Eigenverantwortung übernehmen.

Oft hört man jemanden sagen: „Ich habe schon vor langer Zeit eine Patientenverfügung gemacht“, und er ist der Meinung, damit „alles“ geregelt zu haben. Erst wenn man genauer hinsieht, stellt sich heraus, was alles nicht geregelt ist. Eigentlich ist nie geregelt, was jemand selbst dagegen tun kann, tun möchte oder gar selbst tun wird, wenn es um ungewollte Abhängigkeit, Pflege-, Hilfs- und Betreuungsbedürftigkeit im Neuen Alter geht. Wissen andere, was sie für ihn tun bzw. unterlassen sollen, wenn er es – z. B. wegen Demenz – nicht mehr selbst tun kann? Beinhaltet die seinerzeitige Verfügung schon, was man aus heutiger Sicht vielleicht auch ablehnen würde? Oder wissen auch Angehörige, was sie im Ernstfall zu tun hätten oder unterlassen sollten? Und schließlich nehmen herkömmliche Patientenverfügungen kaum auf Medikamente Bezug, die für den Einzelnen oft Übertherapie darstellen, weil sie der gewollten, natürlichen Entwicklung entgegenwirken bzw. die Natur stören. Nicht alles, was medizinisch möglich ist, muss zwangsläufig dem Willen jedes Patienten entsprechen.

Um über eine Patientenverfügung nachzudenken, ist es nie zu früh, aber leider oft zu spät. Das gilt speziell für Pflegebedürftigkeit wegen Demenz.

Der Lebenszyklus ändert sich laufend — binnen 30 Jahren kam es zu massiven Verschiebungen

Anteil der über 80-Jährigen in Prozent

Patientenverfügung

Alle drei Patientenverfügungsgesetze von D-A-CH sind neben dem onkologischen und dem intensivmedizinischen Bereich zweifellos auch für den geriatrischen Bereich und für das Neue Alter geeignet. Aber ausdrücklich nur die Patientenverfügungsgesetze und nicht die traditionelle Patientenverfügung.

Definition und Merkmale

Deutschland: § 1901a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) definiert die Patientenverfügung als schriftliche Festlegung einer volljährigen Person, ob sie in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen ihres Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt.

Österreich: § 2. (1) Patientenverfügungsgesetz: Eine Patientenverfügung im Sinn dieses Bundesgesetzes ist eine Willenserklärung, mit der ein Patient eine medizinische Behandlung ablehnt und die dann wirksam werden soll, wenn er zum Zeitpunkt der Behandlung nicht einsichts-, urteils- oder äußerungsfähig ist.

Das österreichische Gesetz unterscheidet bei Errichtung noch zwischen „verbindlicher“ und „beachtlicher“ Patientenverfügung. Im Falle der Missachtung des Patientenwillens besteht dieser Unterschied aber nicht mehr.

Schweiz: Art. 370–373 ZGB: Mit der Patientenverfügung können Personen...

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