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Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts

AutorHarald Schöndorf
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl373 Seiten
ISBN9783170263932
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
The philosophy of the 17th and 18th Century forms the basis of all modern thinking. It starts with an examination of the substance of our consciousness in order to unfold the system of our insights on this basis. The rationalism of Descartes and Spinoza, Leibniz and Wolff, as well as empiricism from Bacon and Hobbes to Locke, Berkeley and Hume, belong under this category. Both mindsets are combined in the Enlightenment. Kant, above all, completes and transcends this period with his criticism of reason.

Dr. Harald Schöndorf is Professor Emeritus of Epistemology and History of Philosophy with a focus on the philosophy of Modern History at the University of Philosophy in Munich.

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Leseprobe

 

I.         René Descartes


 

 

 

 

René Descartes wurde am 31. März 1596 in La Haye (Touraine) – heute Descartes genannt – als drittes Kind des Juristen Joachim Descartes und seiner Frau Jeanne geboren, die bereits 1597 stirbt. Von 1607 bis 1615 (1606-1614?) wird er am Collège Royal der Jesuiten in La Flèche (Anjou) ausgebildet und lernt die scholastische Philosophie sowie die neue Naturwissenschaft kennen. Aus Gesundheitsgründen genießt er manche Privilegien; er darf z. B. länger schlafen. 1616 erwirbt er in Poitiers das Lizentiat der Rechte.

1618, im Jahr des Beginns des 30jährigen Krieges, tritt er in Moritz von Nassaus Armee ein, wird in den Niederlanden ausgebildet und reist in den folgenden Jahren quer durch Europa. Er wechselt in die Dienste Maximilians von Bayern und erlebt im Winterlager in Neuburg an der Donau im November 1619 eine Erleuchtung, die ihn von seinen Zweifeln befreit.

1620/21 beendet er sein Soldatenleben und kehrt nach Frankreich zurück, reist zwei Jahre später nach Italien und lebt von 1625 bis 1628 in Paris. Doch dann emigriert er in die Niederlande, um dort ungestört und frei arbeiten zu können. Er wechselte oft seinen Aufenthaltsort, hatte aber briefliche Kontakte mit bedeutenden Gelehrten seiner Zeit. In diesen Jahren dürfte er mit den unvollendet gebliebenen und erst 1701 veröffentlichten »Regulae ad directionem ingenii« (Regeln zur Ausrichtung der Erkenntniskraft) begonnen haben. Einen praktisch vollendeten Traktat über die Welt veröffentlichte er nicht, als er 1633 von Galileis Verurteilung erfährt, dessen Standpunkt er teilte. 1635 gebar ihm in Santport Hijlena Jans eine Tochter namens Francine, die aber schon 1640 starb.

1637 veröffentlicht er anonym den »Discours de la méthode« (Erörterung der Methode), dem je eine Abhandlung über Optik (La dioptrique), Himmelserscheinungen (Les météores) und die von Descartes erfundene analytische Geometrie (La géométrie) beigefügt ist.

1641 erscheint die erste Auflage der »Meditationes de prima philosophia« (Meditationen über die erste Philosophie). Descartes hatte das Manuskript einigen Gelehrten, darunter den ihm befreundeten Theologen Mersenne und Arnauld sowie den empiristischen Philosophen Hobbes und Gassendi zukommen lassen und deren Einwände samt seinen eigenen Erwiderungen angefügt. Die 1642 erschienene zweite Auflage enthält zudem noch die Einwände des Jesuiten Bourdin.

1644 kommen die »Principia philosophiae« (Prinzipien der Philosophie) heraus, eine Zusammenfassung der Metaphysik und Naturphilosophie Descartes’. Diese beiden Schriften erscheinen 1647 in französischer Übersetzung.

1644 und von 1647 bis 1648 hält sich Descartes in Frankreich auf. 1649 erscheint die Schrift »Les passions de l’âme« (Die Leidenschaften der Seele), die durch die Korrespondenz mit der Prinzessin Elisabeth von der Pfalz angeregt worden war, die Descartes auch zu Präzisionen seiner Leib-Seele-Lehre veranlasst hatte. Im September/Oktober desselben Jahres zieht Descartes auf Wunsch von Königin Christine nach Stockholm, der er frühmorgens philosophische Unterweisungen geben soll. Anfang 1650 erkrankt er dort an Lungenentzündung und stirbt am 11. Februar. Sein Sarg wurde 1667 nach Frankreich überführt und 1819 in die Pariser Kirche Saint-Germain-des-Prés gebracht. Um 1900 brachten Charles Adam und Paul Tannery eine Ausgabe der gesamten Werke Descartes’ heraus, auf deren Band- und Seitenzahl man sich seither üblicherweise bei Zitationen bezieht (»AT«).

Literatur:Alquié 1962; Beck 1967, 1987; Beyssade 1979; Broughton 2008; Cottingham 1992, 1998, 2014; Marion 1991, 1996, 2002, 2004; Perler 2006; Röd 1995; Williams 1996; Wilson 1991

1.         Die Methode


Die Suche nach gewissem und zuverlässigem Wissen hat Descartes schon sehr früh beschäftigt. Da der Verstand »die bestverteilte Sache der Welt« (Disc. I Anf.) ist, muss nur die richtige Methode angewandt werden, um wahre Erkenntnis zu erlangen. Die herkömmliche Logik trägt zur Mehrung unserer Erkenntnis nichts bei und wird von Descartes darum nicht geschätzt.

Das gesamte Wissen, das er neu begründen will, vergleicht Descartes in seinem Brief an den Übersetzer der »Prinzipien« ins Französische mit einem Baum. Die Wurzel bildet die Metaphysik, die Physik ist der Stamm, während Mechanik, Medizin und Moral die Äste darstellen. Auf diese drei letztgenannten Wissenschaften, die der Mensch für sein Leben braucht, zielt also alles ab. Dies setzt aber voraus, dass wir durch die Naturwissenschaft gleichsam zu »maîtres et possesseurs de la nature« (Herren und Eigentümer der Natur; Disc. VI, 2. Abs.) geworden sind. Andererseits hängt aber alles von der Wurzel ab, weshalb Descartes zunächst einmal die Fundamente der Metaphysik neu legen will. In den unvollendet gebliebenen Regulae ad directionem ingenii (Regeln zur Ausrichtung der Erkenntniskraft) lehnt sich Descartes an die Methode der Mathematik an und gibt Anweisungen, wie vom intuitiv evidenten Grundwissen methodisch sorgfältig zu komplexerem Wissen vorangeschritten werden muss. Schon in diesen Regeln fordert Descartes die Beschränkung auf gewisse und unzweifelhafte Erkenntnis und die Ablehnung jeglicher bloßer Wahrscheinlichkeit.

Die grundlegenden Erkenntnismethoden sind Intuition und Deduktion. Wie später im Discours fordert Descartes, die Objekte der Forschung in eine methodische und systematische Ordnung zu bringen und sich durch eine Aufzählung zu vergewissern, keinen relevanten Aspekt übersehen zu haben. Die Vermögen des Geistes gliedert Descartes in Verstand (intellectus), Einbildungskraft (imaginatio), Sinne (sensus) und Gedächtnis (memoria).

Nach einer ausführlichen Erörterung der einfachen Dinge und Naturen fasst die 12. Regel noch einmal die bisher gewonnen methodischen Erkenntnisse zusammen:

1. Gesicherte Erkenntnis entspringt nur evidenter Intuition (intuitus) und notwendiger Deduktion; 2. Die intuitiv erfassten Grundsachverhalte (einfachen Naturen) können nicht weiter erklärt werden; 3. Wissenschaft ist die Erkenntnis, wie alles andere aus diesen einfachen Naturen zusammengesetzt ist; 4. Alle echten Erkenntnisse sind gleich klar; 5. Nur ganz bestimmte Zusammenhänge erlauben eine Deduktion. Damit schließt der erste Teil und es beginnt die Untersuchung der vollkommen einsehbaren Fragen.

Jedes Problem ist von Unwesentlichem zu befreien, auf die einfachste Form zu bringen und in kleinste Teile aufzulösen. Dann muss man sich seine geometrischen Verhältnisse auf die rechte Weise klarmachen. Dazu können sich geometrische Figuren, Zahlen oder algebraische Buchstaben eignen. Schließlich zeigt Descartes in der 18. Regel, wie die mathematischen Aufgaben gestellt werden müssen, damit sie allein mit den vier Grundrechenarten ausgerechnet werden können. Die letzten drei Regeln (19-21) für den Umgang mit Gleichungen hat Descartes nur noch angedeutet, aber nicht mehr ausgeführt.

2.         Discours de la méthode


a)          Überblick


Der »Discours de la méthode« verbindet eine stilisierte Autobiographie mit einem Überblick über die wichtigsten philosophischen Lehren. Der Erste Teil beginnt mit der These, der »bon sens« (gesunde Menschenverstand) sei die bestverteilte Sache der Welt, es fehle nur an der rechten Anwendung, und das heißt, an der richtigen Methode. Dann berichtet Descartes von seiner Enttäuschung über die Vielheit der Meinungen in Wissenschaft und Philosophie. Nur die Mathematik scheine sich als zuverlässige Wissenschaft zu erweisen, aber ihr wahrer Nutzen sei ihm damals noch nicht aufgegangen.

Der Zweite Teil beginnt mit einem Bericht über die berühmte Erleuchtung in einem geheizten Zimmer, die wahrscheinlich in Neuburg an der Donau stattfand. Was systematisch geplant wurde, meint Descartes sodann, ist dem historisch Gewachsenen überlegen. Da er in der Jugend den Verstand noch nicht korrekt benützt habe, da andererseits schon jeglicher Unsinn behauptet wurde, bleibt Descartes nichts übrig, als selbst damit zu beginnen, sein Wissen systematisch neu aufzubauen.

Dazu dienen die vier Regeln, die eine Art Quintessenz dessen bilden, was in den »Regulae« steht. Man könnte sie die Regeln der Evidenz, der Analyse, der geordneten Synthese und der Vollständigkeit nennen. Denn zuerst darf nur das als sicher und evident Erkannte für wahr gelten. Sodann muss jedes Problem in so viele Teile zerlegt werden, als zur...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Deckblatt1
Titelseite4
Impressum5
Inhalt6
Vorwort12
Einleitung14
1. Zerbrechen bisheriger Ordnungen14
2. Die neue Naturwissenschaft und Technik16
3. Fortschrittsglaube20
4. Die Betonung des Einzelnen: Innerlichkeit, Gewissheit, Freiheit22
5. Die Philosophie der Renaissance23
6. Weiterführung der Scholastik27
a) Allgemein27
b) Francisco Suárez28
7. Frühneuzeitliche Staats- und Rechtsphilosophie31
8. Charakteristika der frühneuzeitlichen Philosophie33
A. Rationalismus38
I. René Descartes40
1. Die Methode41
2. Discours de la méthode43
a) Überblick43
b) Die provisorische Moral45
3. Meditationes de prima philosophia48
a) Überblick48
b) Der universale Zweifel49
c) Die Selbstgewissheit des Geistes – Geist und Bewusstsein53
d) Ideenlehre58
e) Der Gottesbeweis aus unserer Idee von Gott61
f) Das Problem des Irrtums und die Freiheit65
g) Der Gottesbeweis aus der wesensnotwendigen Existenz67
h) Geist und Materie71
i) Leib und Seele72
4. Weitere Aussagen über Geist und Materie, Leib und Seele76
5. Physik77
6. Affektenlehre78
7. Würdigung80
II. Der Okkasionalismus85
1. Die Problemstellung85
2. Clauberg, de la Forge, Cordemoy87
3. Geulincx89
4. Malebranche90
III. Blaise Pascal93
1. Gespräch mit de Sacy94
2. Pensées95
3. Würdigung98
IV. Benedictus de Spinoza99
1. Die »Ethik«100
2. Gott und Welt101
3. Leib und Seele106
4. Zusammenfassung der Metaphysik108
5. Erkenntnis108
6. Affektenlehre109
7. Politische Philosophie110
8. Würdigung112
V. Gottfried Wilhelm Leibniz114
1. Gott115
2. Die Substanz oder Monade117
3. Perzeptionen120
4. Universale Harmonie, Leib und Seele123
5. Geist125
6. Materie127
7. Prinzipien128
a) Prinzip vom zureichenden Grund128
b) Prinzip der Identität des Ununterscheidbaren130
c) Kontinuitätsprinzip130
d) Optimierungsprinzip130
8. Die Theodizee131
9. Würdigung132
B. Empirismus134
I. Francis Bacon136
1. Induktives Denken137
2. Wissen ist Macht138
II. Thomas Hobbes140
1. Methoden- und Erkenntnislehre141
2. Staats- und Gesellschaftslehre142
III. John Locke148
1. Sinneseindruck149
2. Grundbegriffe153
3. Sprache156
4. Gewissheit158
5. Religionsphilosophie159
6. Staatslehre160
7. Erziehung164
IV. George Berkeley166
1. Empiristischer Ansatz166
2. Idealistische Deutung168
V. David Hume173
1. Empiristische Grundlagen174
2. Kritik der Kausalität177
3. Kritik des Substanzbegriffes179
4. Moral und Religion181
5. Würdigung183
C. Aufklärung186
I. Allgemeine Merkmale188
1. Liberalismus189
2. Deismus192
3. Anfänge der Geschichtsphilosophie194
II. Einzelerscheinungen195
1. Englische Aufklärung195
a) Vernunftreligion und Deismus: Cherbury, Locke, Toland, Collins, Tindal, Bolingbroke, Priestley, Hume195
b) Moralphilosophie und Wirtschaftstheorie: Shaftesbury, Hutcheson, Mandeville, Smith, Bentham197
c) Philosophie des Common Sense: Reid200
2. Französische Aufklärung200
a) Voltaire und die Enzyklopädisten: Lamettrie, Holbach, Diderot und d’Alembert200
b) Theoretiker des Fortschritts: Turgot, Condorcet203
c) Staatsphilosophie: Montesquieu204
3. Jean-Jacques Rousseau205
a) Leben205
b) Kulturphilosophie206
c) Staatslehre207
d) Pädagogik und allgemeine Philosophie208
4. Christian Wolff210
a) Vorbereitung: Leibniz und die Aufklärung210
b) Christian Wolff210
c) In der Folge von Wolff: Baumgarten und die Schulphilosophie216
5. Staats- und religionsphilosophische Aufklärung im deutschen Sprachbereich216
a) Staatsphilosophie und Politik: Pufendorf, Thomasius, Friedrich II., Maria Theresia und Josef II.216
b) Aufgeklärte Religionsphilosophie: Reimarus, Wieland, Lessing218
6. Italien: Giambattista Vico219
7. Jacobi, Mendelssohn und die Krise der Aufklärung222
D. Immanuel Kant226
I. Kritik der reinen Vernunft230
1. Das Grundproblem230
a) Was ist Metaphysik?231
b) Was ist Wissenschaft?235
c) Synthetische Urteile a priori238
d) Die transzendentale Frage241
e) Die kopernikanische Wende244
2. Die sinnliche Anschauung247
3. Das Denken des Verstandes251
a) Die Kategorien des Verstandes251
b) Die transzendentale Deduktion254
c) Folgen aus der transzendentalen Deduktion:260
d) Der transzendentale Schematismus263
4. Die reine Vernunft266
a) Die Ideen der reinen Vernunft267
b) Paralogismen und Antinomien269
c) Das Ideal der reinen Vernunft271
5. Würdigung der KrV277
a) Der Inhalt der Erkenntnis277
b) Die Geltung der Erkenntnis279
II. Grundlegung der Ethik – Kritik der praktischen Vernunft282
1. Grundlegung der Ethik283
a) Der gute Wille283
b) Pflichtethik283
c) Gesetzesethik285
d) Formale Ethik – Der kategorische Imperativ286
e) Autonome Ethik290
f) Kritik der praktischen Vernunft291
2. Neubegründung der Metaphysik293
a) Postulate der praktischen Vernunft293
b) Postulate und Ideen296
c) Wissen und Glauben297
III. Kritik der Urteilskraft299
1. Die ästhetische Urteilskraft301
2. Die teleologische Urteilskraft303
IV. Religionsphilosophie306
V. Staats- und Geschichtsphilosophie309
Würdigung312
E. Kants Folgen314
I. Für und Wider Kant316
1. Allgemein316
2. Jacobi, Hamann, Herder317
II. Kanterneuerung320
1. Die Marburger Schule: Cohen, Natorp, Cassirer, Hartmann, Ebbinghaus321
a) Hermann Cohen321
b) Paul Natorp322
c) Ernst Cassirer322
d) Nicolai Hartmann323
e) Julius Ebbinghaus323
2. Die Badische Schule: Windelband, Rickert, Droysen, Dilthey323
a) Wilhelm Windelband323
b) Heinrich Rickert, Johann Gustav Droysen, Wilhelm Dilthey324
3. Das Wertproblem: Lotze, Rickert, Brentano, Meinong, Scheler, Hartmann, v. Hildebrand325
a) Hermann Lotze, Bernhard Bolzano326
b) Heinrich Rickert327
c) Franz Brentano327
d) Alexius Meinong328
e) Max Scheler328
f) Nicolai Hartmann329
g) Dietrich von Hildebrand329
Werke331
Literatur346
Namenregister358
Sachregister364

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