Piemont und Aostatal auf einen Blick
Politische Gliederung | Das Piemont (der Name bedeutet so viel wie „Land am Fuß der Berge“) bildet eine Region innerhalb der Republik Italien. Die Region ist in acht Provinzen gegliedert: Alessandria (AL), Asti (AT), Biella (BI), Cuneo (CN), Novara (NO), Turin (TO), Verbano-Cusio-Ossola (VB) und Vercelli (VC). Hauptstadt ist Turin. Präsident der Region ist derzeit (2013) Roberto Cota von der Lega Nord. Das Aostatal (AO) bildet aufgrund sprachlicher und kultureller Besonderheiten eine eigene Region mit Sonderstatus, der weitergehendere Autonomierechte zukommen als anderen Regionen Italiens. Hauptstadt ist Aosta. Präsident der Region ist derzeit (2013) Augusto Rollandin von der Union Valdôtaine. |
Flaggen und Wappen
| Das piemontesische Wappen ist quadratisch und zeigt ein silbernes (manchmal auch weißes) Kreuz auf rotem Grund mit einem blauen Dreizack waagerecht parallel zur oberen Kante. Die Flagge unterscheidet sich vom Wappen durch ihre rechteckige Form, blaue Bordüren und goldene Fransen. Die Kreuzesform leitet sich von den Kreuzrittern her (ein Savoyerherrscher erhielt das Wappen von einem Ritterorden); der Dreizack symbolisiert drei Herrscherhäuser (Angiò, Acaja, Savoyen). Die (inoffizielle) Flagge des Aostatals ist in der linken Hälfte schwarz, in der rechten rot, mit einem golden umrandeten Wappenschild mit einem aufgerichteten nach links gewandten weißen Löwen auf schwarzem Grund in der Mitte. Das Wappen ent-spricht dem auf der Flagge dargestellten, mit einer goldenen Krone darüber. |
Lage | Das Piemont umfasst den Großteil der italienischen Westalpen und das vom Alpenbogen flankierte Berg- und Hügelland sowie einen Teil der Po-Ebene. Es grenzt an Frankreich, die Schweiz, das Aostatal, die Lombardei und Ligurien. Das Aostatal umfasst die Alpentäler um die Dora Baltea an der Grenze zu Frankreich und der Schweiz; im Westen endet es am Montblanc-Massiv. Innerhalb Italiens grenzt es nur ans Piemont. |
Geografische Angaben | Das Piemont ist 25.399 km2 groß. Es bildet damit die größte italienische Festlandregion und (nach Sizilien) die von der Fläche her zweitgrößte italienische Region überhaupt. Das Aostatal umfasst 3.262 km2 und ist die kleinste Region Italiens. Längster Fluss der Region Piemont ist der Po, der in der Valle Po in den Westalpen entspringt und die Region nach Osten in Richtung Lombardei verlässt. Längster Fluss im Aostatal ist die Dora Baltea, die das Haupttal durchfließt, um schließlich im Piemont in den Po zu münden. Höchster Gipfel im Piemont ist die Punta Dufour im Monte-Rosa-Massiv (4.618 m), im Aostatal ist es der Monte Bianco di Courmayeur im Montblanc-Massiv (4.748 m). |
Bodenschätze | In der Gegend gibt es Vorkommen von Blei, Zink und Eisen. |
Klima | Im Piemont und im Aostatal herrscht ein Kontinentalklima, d. h. die Winter sind verhältnismäßig kalt, die Sommer verhältnismäßig heiß. Die meisten Regentage gibt es im Mai und im Oktober/November. Die beste Reisezeit variiert in den unterschiedlichen Gebieten deutlich (s. Klima und Reisezeit, S. 21). |
Bevölkerung | Das Piemont hat ca. 4,4 Mio Einwohner. Dabei sind die Alpentäler im Westen sehr dünn besiedelt und verlieren tendenziell Einwohner, die niedriger gelegenen Gebiete sind dagegen relativ dicht besiedelt. Hauptagglomerationszentrum ist Turin mit ca. 906.000 Einwohnern; die Sogwirkung der Stadt auf das Umland ist jedoch in den letzten Jahrzehnten nicht mehr allzu stark ausgeprägt. Mit sehr deutlichem Abstand folgen Novara und Alessandria, mit ca. 105.000 bzw. um 95.000 Einwohnern. Im Piemont ist die Bevölkerungsdichte mit knapp 170 Einwohnern pro Quadratkilometer nur weniger als halb so groß wie in der benachbarten Lombardei. Das Aostatal hat nur etwa 128.000 Einwohner; die Bevölkerungsdichte liegt bei gut 35 Einwohnern pro Quadratkilometer. Größte Stadt ist Aosta mit etwa 35.000 Einwohnern. |
Sprachen | Im Piemont wird vom Großteil der Bevölkerung Hochitalienisch (Toskanisch) gesprochen; daneben steht der piemontesische Dialekt. In einigen abgelegenen Westalpentälern wird Okzitanisch gesprochen, das jedoch auf wenige Tausend Sprecher begrenzt ist. Das Walserische ist im Piemont auch in den traditionellen Walsergebieten (Valle Formazza, Valle Anzasca, obere Valsesia) nahezu ausgestorben. Okzitanisch und Walserisch haben aber in Ortsbezeichnungen bis heute nachvollziehbare Spuren hinterlassen. Im Aostatal ist neben dem Italienischen Französisch gleichberechtigte Sprache; ein recht großer Teil der Bevölkerung spricht das verwandte Frankoprovenzalisch. In abgelegenen Teilen der Valle Gressoney gibt es letzte Reste einer Walserisch sprechenden Bevölkerung; die Sprache ist jedoch stark im Schwinden begriffen. Als Fremdsprache wird im Piemont oft (und von Älteren bevorzugt) Französisch gesprochen; viele, v. a. jüngere Leute in städtischen Gebieten, beherrschen auch Englisch. Deutsch wird in der Regel nur in von Deutschen stärker frequentierten Touristengebieten gesprochen, wie z. B. in den Langhe, und auch dort nur von Hotel- und Restaurantpersonal. Im Aostatal spricht man am besten Französisch; in größeren Orten oder Touristeneinrichtungen wird auch Englisch gesprochen |
Religion | Der überwiegende Teil der Bevölkerung ist katholisch. Einige Zehntausend gehören der Waldenserkirche an. Daneben gibt es Christen anderer Konfessionen (Orthodoxe, evangelische Freikirchen) und Moslems (v. a. in Turin). |
Währung | In Italien gilt wie in Deutschland der Euro. |
Historischer Überblick
Durch die Peripherielage der Region bedingt, weicht die historische Entwicklung im Piemont und im Aostatal von der im restlichen Oberitalien teilweise deutlich ab. Die Geschichte des Piemont ist außerdem bis ins 18. Jh. hinein recht unübersichtlich und kompliziert. Wir beschränken uns hier auf Grundlinien, für historisch Interessierte geben wir im Literaturverzeichnis einige Hinweise zur Vertiefung.
Von der Antike bis zum Frühmittelalter
Seit dem 5./4. Jahrtausend v. Chr. sind im Westalpenbogen Viehwirtschaft betreibende Bauern nachweisbar. Im 7. Jh. v. Chr. wanderten die Tauriner aus Ligurien ein, um 500 v. Chr. drängten die Etrusker nach. Im 5. und 4. Jh. v. Chr. wurden diese von Kelten vertrieben. Im Aostatal siedelten die keltischen Salasser. Aus dieser Zeit ist nicht viel überliefert, teilweise ist man auf Mutmaßungen angewiesen.
Im 3. Jh. v. Chr. drangen die Römer im Konflikt mit den Kelten nach Norden vor. 218 v. Chr. zog im 2. Punischen Krieg Hannibal bei seiner berühmten Alpenüberquerung mit Elefanten auch durch das Piemont. 187 v. Chr. unterwarfen die Römer die Kelten endgültig und gründeten etwa 100 Jahre später die Provinz Gallia Cisalpina. Diese war als Grenzterritorium im Alpengebiet insbesondere von militärischer Bedeutung. Es wurden daher – vor allem unter der Herrschaft Kaiser Augustus’ um 25 v. Chr. – militärische Stützpunkte angelegt, die teilweise den Kern späterer Städte bildeten, erwähnenswert sind Hasta (Asti), Segusium (Susa), Augusta Taurinorum (Turin) und Augusta Praetoria Salassorum (Aosta). In all diesen Städten gibt es heute noch (unterschiedlich bedeutende) Zeugnisse aus der Römerzeit.
Zeichen römischer Macht: Triumphbogen in Susa
Die Zeit nach dem Zusammenbruch des weströmischen Reiches Ende des 5. Jh. war auch im Piemont ein dunkles Zeitalter; verschiedene Eroberervölker lösten sich in relativ schneller Folge ab. Ost- und Westgoten, Alemannen und Burgunder hinterließen nicht viele Spuren; am längsten setzten sich noch die Langobarden fest, die ein Königreich gründeten, das aber 774 von den Franken erobert wurde. Im 9. und 10. Jh. wurde die Region von den Ungarn, vor allem aber von den Sarazenen heimgesucht und verwüstet. Einige erhaltene Sarazenentürme, die deren Abwehr dienten, zeugen davon, z. B. in Barbaresco.
Hochmittelalter, Spätmittelalter und Frührenaissance
Nicht zuletzt wegen solcher Verheerungen verlief die historische Entwicklung im Piemont im Mittelalter anders als in anderen Teilen Norditaliens. Während dort recht schnell blühende Stadtrepubliken entstanden, war das im Piemont zunächst nicht der Fall. Mit den Markgrafschaften von Ivrea und Saluzzo sowie dem Monferrato gab es drei relativ starke Regionalmächte. Nachdem die Markgrafen von Ivrea im 10. und Anfang des 11. Jh. vergeblich versucht hatten, ein italienisches Königtum zu begründen, war es mit ihrer Macht vorbei. Dafür traten im 11. Jh. erstmals die Savoyer auf den Plan, die eine kleine Markgrafschaft im Susatal mit Turin als Lehen...