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E-Book

Politische Predigten

zum Zeitalter des Zorns

AutorMichael Pflaum
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl104 Seiten
ISBN9783744812085
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,49 EUR
Ein neues Zeichen der Zeit tritt immer deutlicher hervor: Der Zorn, der sich im Erstarken von populistischen Parteien äußert und noch zerstörerischer in terroristischen Aktionen. Der indische Soziologe Mishra hat mit seinem Buch "Das Zeitalter des Zorns" aufgezeigt, dass dieses Dilemma die ganze Moderne prägt. Wie können Christen auf dieses herausfordernde Zeichen der Zeit antworten? Die Predigten in diesem Band kreisen auf verschiedene Weise um dieses Thema und beziehen auch andere Autoren wie z. B. Bernd Stegemann und seine Analyse in "Das Gespenst des Populismus" mit ein.

Michael Pflaum, Pfarrer in Erlangen-Süd seit 2010 Studium der katholischen Theologie in Bamberg, Würzburg, Jerusalem 1997-2003 Pastoralreferent Im Jahr 2004 vier Monate im Exerzitienhaus Haus Gries 2004 Priesterweihe, danach Kaplan in Nürnberg 2006-2010 Stadtjugendseelsorger in Nürnberg Promotion: Die aktive und kontemplative Seite der Freiheit

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Leseprobe

Das Zeitalter des Zorns – ein Zeichen der Zeit.
Mishras Thesen (33 A)


Mt 25,14-40

Viele Bibelwissenschaftler sind sich einig, dass das gehörte Evangelium kein Gleichnis über das Reich Gottes ist, sondern ein Gleichnis über die ungerechte Welt, die die Zuhörer Jesu erlebten.

„Wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben;“ - siehe Großgrundbesitzer, die zu Wucherzinsen Geld verleihen.

„Wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat!“ – dem kleinen Bauer, der sein Land durch eine Missernte verloren hat.

Das beschreibt jedoch auch ziemlich genau unsere kapitalistische Welt! Die Superreichen werden immer reicher und die Ärmsten der Armen kommen oft nicht aus dem Teufelskreis der Armut heraus! Da könnte man wahrlich zornig werden!

Der Zorn prägt unsere Gegenwart. Und er entlädt sich immer mehr auf erschreckende und nicht konstruktive Weise! Er entlädt sich bei Wählern, die für Donald Trump oder den Brexit oder die AfD gestimmt haben! Noch schlimmer und zerstörerischer entlädt er sich in terroristischen Gewalttaten von Al Kaida und IS, in Kriegen in Syrien oder Ukraine, in strategischen Machtspielen zwischen Schiiten und Sunniten!

Der Zorn und die Gewalt sind zu einer neuen Herausforderung der Gegenwart geworden. Mit der Pastoralkonstitution würde man sagen: Es ist ein neues Zeichen der Zeit, das uns Christen herausfordert! Deswegen werde ich nicht nur heute dieses Thema in Predigten aufgreifen, weil es ebenso ein neues Zeichen der Zeit ist wie der Klimawandel!

Der indische Intellektuelle Pankaj Mishra will in seinem Buch:

„Das Zeitalter des Zorns. Eine Geschichte der Gegenwart.“ dieses neue Zeichen der Zeit verstehen und analysieren

Ich möchte heute seine wichtigsten Thesen vorstellen.

1. These: Profitierende und Abgehängte Mishra erläutert diese These im Spiegel-Interview: „Ich glaube, dass man die heutigen politischen Verwerfungen nicht mehr entlang der Unterscheidung zwischen rechts und links erklären kann. Ich würde eher sagen, dass wir zwischen einer Klasse von Menschen unterscheiden sollten, die von der Globalisierung profitiert haben, die weltweit vernetzt und gut ausgebildet sind. Die in den prosperierenden Städten leben. Und einer Mehrheit der Menschen, die sich von dieser Klasse abgehängt und betrogen fühlen. Die sich als Opfer sehen, die aus den ländlichen Gebieten kommen. Überall auf der Welt.“3

So wie in unserem Gleichnis: der ängstliche Diener wird ausgestoßen.

Mishra kommt selbst aus einem kleinen indischen Dorf im Himalaya und genoss durch seine Eltern eine vormoderne Erziehung. Er hat zwar durch Fleiß, Intelligenz aber auch durch Glück, wie er betont, den Aufstieg geschafft. Aber er kennt so viele junge Männer aus seiner Heimat, die nicht so viel Erfolg hatten wie er und die innerlich zerrissen sind. Denn:

2. These: Die moderne Zeit, also unsere Epoche, drängt jeden zur Entfaltung. Mishra im Spiegel-Interview „In der Moderne ist die Befreiung ja zu einer Art Pflicht des Individuums geworden. Junge Männer müssen die Vergangenheit hinter sich lassen und sich aufmachen in ein neues Zeitalter, um neue Möglichkeiten der Selbstentfaltung und Ausdehnung zu erschließen. Das birgt viele Möglichkeiten der Enttäuschung. Wenn die Gesellschaft etwa noch nicht weit genug entwickelt ist, diese Bedürfnisse aufzufangen.“ Mishra untersucht die verschiedensten frustrierten jungen Männer, deren Zorn mit Gewalt ausbricht. Er nimmt die letzten zwei Jahrhunderte in den Blick: Deutsche Befreiungskämpfer gegen Napoleon, russische und italienische Anarchisten, japanische Nationalisten, amerikanische Attentäter, militante Hindus, radikale Iraner, Islamisten verschiedenster Couleur.

3. These: Zwiespältiges Verhältnis zur Moderne Die Nachkommenden, seien das nun einzelne Menschen oder ganze Nationen und Völker, zeigen immer wieder ein zwiespältiges Verhältnis zur Moderne auf. Auch Deutschland durchlitt dieses zwiespältige Verhältnis zur Moderne im 19. Jahrhundert. Intellektuelle wie Herder oder Fichte waren erst begeistert von der französischen Revolution und dann entsetzt über die Expansion Napoleons. Ein Schwanken zwischen Faszination und Ablehnung und eine Suche nach dem Eigenen, dem Identitätsstiftenden. Das finden wir dann auch bei den Romantikern, bei Richard Wagner, in der Bismarck-Politik. Für Mishra ist gerade das deutsche Beispiel sehr erhellend. Mishra im Spiegel-Interview: „Deutschland hat sich selbst lange als „verspätete Nation“ gesehen. Als Land, das spät in die Moderne eingetreten ist, das spät zum Nationalstaat wurde. Länder mit dieser Geschichte haben oft das Gefühl, ihnen bleibe keine Zeit mehr. Alles müsse jetzt schnell gehen, Kolonien müssen her, Industrialisierung, starke Armeen. Sie müssen von den Feinden lernen. Das lässt sich im Deutschland des 19. Jahrhunderts beobachten. Dann in Japan, das sich an Deutschland orientiert. Und dann kommen viele andere Länder in Afrika und Asien. SPIEGEL: Sind die „verspäteten Nationen“ möglicherweise der Normalfall? Und nicht Frankreich, England oder die Vereinigten Staaten? Mishra: Ganz genau! Die amerikanische oder englische Erfahrung sind die historische Ausnahme.“

Nach diesen drei Thesen möchte ich zwei Bemerkungen über Mishras Vorgehensweise anführen:

  1. Mishra versucht eine Analyse der Gegenwart, in der er bewusst auch die Position der Schwächeren und Enttäuschten einnimmt. Er schreibt keine Siegergeschichte!
  2. Mishra zieht viele Vergleiche und stellt seine Analyse in einen großen historischen Kontext, den er mit der Aufklärung beginnen lässt.

Die Stärke und das Erhellende seiner Analyse besteht genau darin: sein größerer historischer Kontext und seine vielen Vergleiche und Parallelen.

Es ist wie mit verschiedenen Einstellungen einer Kamera: Ein Weitwinkelobjektiv liefert uns Bilder, die eine größere Gesamtschau liefern. Luftbildaufnahmen mit dem Weitwinkelobjektiv können uns größere Zusammenhänge in einer Landschaft zeigen. Jedoch Details und kleinere Differenzen können nicht erfasst werden. So ist es auch mit Mishras Analyse: Es ist eine Weitwinkelbetrachtung, die 250 Jahre in den Blick nimmt, um die Phänomene von heute zu verstehen. Nur unter dieser Perspektive kann er z. B. Ähnlichkeiten entdecken zwischen einem italienischen Führer nach dem I. Weltkrieg, namens D`Annunzio, der einen eigenen Staat errichtete, einem amerikanischen Terroristen namens Timothy McVeigh, der 1995 mit seiner Autobombe 168 Menschen tötete, dem Anarchisten Bakunin aus dem 19. Jahrhundert und dem heutigen Islamischen Staat.

Diese Ähnlichkeiten führen Mishra auch zu der erstaunlichen 4. These:

4. These: Terrorismus ist ein modernes Phänomen, nicht ein primär religiöses! Mishra in der ZEIT: „Wir haben uns bloß daran gewöhnt, zornige junge Männer, die gewalttätig werden, primär als Phänomen zu deuten, das etwas mit Religion, speziell dem Islam, zu tun hätte. Das ist intellektuell und politisch kontraproduktiv. Man ignoriert damit die lange Geschichte des Terrorismus, in der Religion nie eine entscheidende Rolle gespielt hat. Vielmehr hat das mit jungen Männern in ausweglosen Verhältnissen zu tun, die versuchen, Gefühle von Wut und Machtlosigkeit mit spektakulären Gewaltakten zu überwinden. Dieses Muster kann man bereits im 19. Jahrhundert beobachten: in Russland, Spanien, Italien und den Vereinigten Staaten. Menschen aller Religionen und Nationalitäten haben Terrorismus als Mittel benutzt, um politische Ziele zu erreichen oder um ihre Verachtung für die Gesellschaft, in der sie leben, zu zeigen. Dieser Wunsch nach Zerstörung kommt nicht von außerhalb, sondern ist Teil moderner Gesellschaften.“

Der Islam hat sicherlich genug Anhaltspunkte schon in seinen Ursprüngen, um ihn bei gewaltsamen Zorn-Projekten als Ideologie einsetzen zu können. Das hat z. B. der ägyptische Intellektuelle Abdel Samed in mehreren Büchern aufgezeigt. Jedoch bei komplexen Phänomenen können wir immer verschiedene Betrachtungsebenen nebeneinander benutzen. Eine „Weitwinkelbetrachtung“ eines Mishra und eine „Religionswinkelobjektivbetrachtung“ eines Abdel Samed ergänzen sich.

Jedoch Mishra legt uns mit seiner Analyse nahe: Der islamische Terrorismus ist nicht ein rein islamisches Problem. Die Moderne: das ist die moderne säkulare Kultur, die Aufklärung, der Siegeszug der modernen Technik, die wachsende kapitalistische Wirtschaft, die Globalisierung. Diese Moderne ist vor ca. 200 Jahren in die islamische Welt getreten ist. Und diese Moderne hat in der islamischen Welt aber auch in anderen Teilen der Welt terroristischen Entwicklungen hervorgebracht!

5. These: Die Arroganz der Vorreiter Und wie verhalten sich die Vorreiter, die Tonangeber? Sie finden eben nicht immer die guten Lösungen! „Mishra: Ich sehe überall – sei es in Indien, in Indonesien, in Europa oder den USA –...

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