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Das dreieckige Flatiron Building erinnert an ein Schiff, das mitten im Großstadttrubel gemächlich den Broadway herauffährt
TYPISCH
NEW YORK IST EINE REISE WERT!
Exbürgermeister Rudy Giuliani nennt New York »Hauptstadt der Welt«. Ganz so weit muss man zwar nicht gehen, fest steht aber: Die Metropole ist ein Magnet von unerhörter Anziehungskraft für Menschen, die aus aller Herren Länder und aus unterschiedlichsten Gründen hierherkommen.
KEN CHOWANETZ
Der Autor ist schon vom Sternzeichen her (Schütze, Aszendent Schütze) zu ausgiebigem Reisen verpflichtet und kommt dieser Aufgabe so oft wie möglich nach. Dutzende Trips führten ihn im Lauf der Zeit nach New York – genug vom Big Apple hat der Tageszeitungsredakteur deshalb aber noch lange nicht. Im Gegenteil.
Endlich wieder in New York. Schnell das Gepäck aufs Zimmer, den Achtstundenflug abduschen und ab nach Downtown, zum Ferry Building an der Südostecke des Battery Park. Es gibt Rituale, die bleiben für immer. Und dieses gehört seit meinem ersten Besuch in der beeindruckendsten, vielfältigsten, widersprüchlichsten, gigantischsten, hektischsten und aufregendsten Stadt auf dem Globus dazu: rauf auf die Fähre nach Staten Island, einen lauschigen Platz auf dem Oberdeck gesucht – und bereit gemacht für ein süchtig machendes Open-Air-Spektakel. Mit jeder Minute der kurzen Fahrt nach Staten Island öffnet sich das Bild weiter zu einer Totalen und gibt den Blick auf die unbeschreiblich schöne Skyline Manhattans frei. Links kommt gleichzeitig die Freiheitsstatue ins Bild, die für Menschen aus aller Welt immer noch das Synonym schlechthin ist für das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Fast möchte man den Nachbarn, der gelangweilt an seinem Kaffee nippt und sich dann wieder in irgendeine App seines Smartphones vertieft, rütteln. »Look at this – sieh Dir das doch an!« Aber viele Passagiere machen die Tour mit der Staten Island Ferry Tag für Tag, scheinen sich an der phänomenalen Aussicht sattgesehen zu haben. Könnte mir das auch passieren? Niemals!
Einige der Fähren-Pendler, die keinen Blick mehr auf die Skyline werfen, haben möglicherweise noch gar nicht bemerkt, dass sich der Ausblick dramatisch verändert hat. Der Süden Manhattans wird dominiert vom One World Trade Center. Der Wolkenkratzer, der an der Stelle der früheren Twin Towers 1776 Fuß in die Höhe ragt und mit dieser Zahl an das Jahr der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung erinnert, ist ein Symbol für das, was New York ausmacht und wofür nicht nur ich es liebe: »Egal, was passiert: Wir lassen uns nicht unterkriegen, kommen aus jeder Krise gestärkt hervor.«
New York scheint seltsam vertraut. Dafür sorgen schon unzählige Filme und Fernsehserien, die hier spielen und Sehnsuchtsbilder von Broadway und Battery Park, von Empire State Building und Ellis Island, von Central Park und Chelsea in alle Welt transportieren. Aber wer meint, die Megacity zu kennen, wird jedes Mal aufs Neue überrascht, egal, ob es der erste, fünfte oder zehnte Besuch im Big Apple ist. New York erfindet sich immer wieder neu. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass einmal ein stetig wachsendes Radwegenetz die chronisch von Autos verstopfte Stadt durchziehen würde? Und hätte mir jemand prophezeit, dass ich einmal auf dem Times Square, dem einst hektischsten Verkehrsknotenpunkt Manhattans, im Liegestuhl die Sonne genießen kann – ich hätte ihn wohl für verrückt erklärt.
Natürlich bleibe ich nicht lange sitzen. New York ist in Bewegung. Tag und Nacht. Immer. Die Hektik der Menschen, die in anderen Städten nervig wirken würde, gehört hier zum faszinierenden Gesamtarrangement einer Stadt, die sich als Pulsgeberin der westlichen Welt versteht. Ein entschleunigtes New York kann ich mir ungefähr so gut vorstellen wie einen leeren U-Bahn-Zug zur Rushhour.
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Brücken sind die heimlichen Stars der auf allen Seiten von Wasser umgebenen Metropole
8,5 Mio. Menschen aus aller Herren Länder leben in New York. Unglaubliche 800 Sprachen werden in der Stadt gesprochen. Eine Tour durch die Stadt wird so zu einer faszinierenden Weltreise, bei der man von Chinatown über eine Fußgängerampel nach Little Italy gelangt. Little Albania, Little Brazil, Little Manila, der norwegisch geprägte Lapskaus Boulevard – die Liste der Einwanderer-Stadtteile ist schier endlos. Egal, ob diese Exklaven 50.000 oder 50 Einwohner haben: Ein Restaurant mit landestypischer Speisekarte findet sich immer. New York als Weight Watchers’ Waterloo zu bezeichnen, ist sicherlich keine Übertreibung. Aber hey – wann kann man schon einmal peruanisch essen oder Spezialitäten aus Bhutan kosten?
Ein Sternenhimmel in einem Bahnhof, eine Seilbahn durch die Hochhausschluchten, ein Vergnügungspark am Stadtstrand, eine Parkanlage auf einer stillgelegten Hochbahntrasse, angesagte Klubs in alten Schlachthäusern, viereckige Doughnuts oder ein Cupcake-Automat, der 24 Stunden die kleinen süßen Kuchen anbietet: In New York gibt es nichts, was es nicht gibt – und die Bewohner der Stadt sind eifrig bemüht, diesem Image zu entsprechen. Ein Streifzug durch den Big Apple wird deshalb immer auch zu einer Entdeckungstour. Zeit dafür ist genug. Beinahe jeder in der energiegeladenen Stadt hat jene Erfahrung gemacht, die Simone de Beauvoir so charmant in Worte fasste: »Irgendetwas ist in New York in der Luft, das Schlaf nutzlos macht.«
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New Yorks Schnelllebigkeit spiegelt sich auch in der Street Art wider
WAS STECKT DAHINTER?
Die kleinen Geheimnisse sind oftmals die spannendsten. Hier werden die Geschichten hinter den Kulissen erzählt.
WARUM SIND ALLE NEW YORKER TAXIS GELB?
Die berühmte und unverwechselbare gelbe Farbe der Yellow Cabs geht auf einen gewissen Harry N. Allen zurück. Der gründete 1907, nachdem er sich über überzogene Fahrpreise geärgert hatte, ein eigenes Taxiunternehmen, das nachvollziehbar pro Meile abrechnete. Zunächst waren die Fahrzeuge rot-grün lackiert, dann aber entschied sich Allen für gelb – so waren die Motordroschken schon von Weitem gut erkennbar. 1967 schrieb die Stadtverwaltung die gelbe Farbe zwingend für alle offiziellen Taxis vor, um sie von nicht lizenzierten gypsy cabs unterscheidbar zu machen.
WIESO TRAGEN MANCHE AVENUES BUCHSTABEN ALS NAMEN?
Der Commissioners’ Plan von 1811, der Manhattan mit einem Schachbrettmuster überzog, gilt heute zu Recht als Meisterwerk der Stadtplanung. Er sah von Süd nach Nord verlaufende Avenues und von West nach Ost verlaufende Streets vor, die aufsteigend nummeriert waren und einen fest definierten Abstand voneinander hatten. Das Konzept hatte aber seine Schwachstellen: Zum einen konnte die bereits bestehende Straßenführung in Downtown dem Raster nicht mehr unterworfen werden, und zum anderen hat die Insel Manhattan im Südosten einen »Bauch«: Weil die Zählung von Ost nach West erfolgt und man somit jenseits der First Avenue in den Minusbereich hätte gehen müssen, wurden die Avenues im East Village und in der Lower East Side mit den Buchstaben A, B, C und D versehen. Die New Yorker gaben diesem Gebiet den Namen »Alphabet City«.
WIE KAM DAS CHRYSLER BUILDING ZU SEINER BIZARREN SPITZE?
In den 1920er-Jahren lieferten sich New Yorks Architekten einen erbitterten Kampf um die Errichtung des höchsten Gebäudes der Welt. Die Bank of Manhattan schien vorn zu liegen, als Chrysler-Architekt William Van Alen einen Trumpf nicht aus dem Ärmel, sondern aus dem Fahrstuhlschacht zog: Dort hatte er heimlich eine 56 m hohe Stahlspitze montieren lassen, für die die deutsche Firma Krupp die Einzelteile lieferte. Innerhalb von 90 Minuten wurde die Konstruktion mithilfe von Kränen ausgefahren und verankert. Man stelle sich die entsetzten Gesichter bei der Bank of Manhattan vor, als der Konkurrenz-Skyscraper quasi über Nacht auf 319 m wuchs. Heute macht diese funktionslose Dachbekrönung den besonderen Charme des vermutlich schönsten, sicher aber auffälligsten Wolkenkratzers der Stadt aus.
50 DINGE, DIE SIE …
Hier wird entdeckt, probiert, gestaunt, Urlaubserinnerungen werden gesammelt und Fettnäpfe clever umgangen. Diese Tipps machen Lust auf mehr und lassen Sie die ganz typischen Seiten erleben. Viel Spaß dabei!
… ERLEBEN SOLLTEN
1 Joggen wie »Marathon Man« Der 2,5 km lange Weg rund um das Reservoir im Central Park, auf dem schon Dustin Hoffman im Filmklassiker seine Runden drehte, gilt als eine der schönsten Laufstrecken der Welt – setzen Sie sich auf seine Spur! (zw. 86th und 96th Sts.).
2 Pirouetten für Prometheus Eine New Yorker Institution ist die Eislaufbahn im Rockefeller Center >, wo man unter den Augen der Prometheusstatue seine Bahnen zieht (Okt.–April tgl. 8.30–24 Uhr, ab 25 $, Schlittschuhmiete 12 $).
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Zum Winter in New York gehört ganz klar eine Schlittschuhpartie im Rockefeller Center
3 Pop-up-Pool In den Sommermonaten öffnet im Brooklyn Bridge Park > ein temporäres Freibad und bietet den hitzegeplagten Städtern Erfrischung – kühle Drinks und Snacks am kleinen Sandstrand inklusive (Pier 2, 45-Minuten-Sessions tgl. 10–17.45 Uhr, Eintritt frei).
4 Walk-up Kayaking So heißt ein Programm, bei dem man zu bestimmten Zeiten im Brooklyn Bridge Park > und Hudson...