| Grundlagen – Kommunikation und sprachliches Handeln in unterschiedlichen Kontexten
Gespräche im Alltag/in der Familie
Anlässe zur Kommunikation und zu Gesprächen gibt es im Alltag von Familien sehr häufig: z. B. in gemeinsamen Essenssituationen, auf Autofahrten, in Wartesituationen (an der Bushaltestelle, beim Arzt, in der Schlange beim Einkaufen etc.), vor dem Zubettgehen usw. Dabei werden Gespräche in Familien auf sehr unterschiedliche Weise geführt. Familien verwenden verschiedene Arten von Kommunikation und benutzen Sprache dabei sehr vielfältig. Wichtig ist im Hinblick auf die Sprachentwicklung von Kindern, die Gesprächssituationen in den Familien so zu gestalten, dass sie für die Kinder sprachförderlich werden. Denn die Bedeutung der familiären Unterstützung bzw. Förderung und daraus resultierend der sprachlichen Fähigkeiten für den Bildungserfolg nimmt über die Schuljahre hinweg immer mehr zu. Damit ist es also für die Bewältigung der schulischen Anforderungen sehr bedeutsam, wie viel Gelegenheit die Kinder vor Schuleintritt schon hatten, sprachliche Erfahrungen und sprachliches Wissen zu sammeln (Drick 2015).
Grundlegend lernen Kinder im geschützten familiären Rahmen Gespräche auf inhaltlicher und organisatorischer Ebene zunehmend selbstständig zu gestalten. Dadurch, dass Kinder immer wieder in Gespräche eingebunden werden, lernen sie, wie Gespräche ablaufen und welches die relevanten inhaltlichen und organisatorischen Aspekte von Gesprächsgestaltungen sind. Folgende Kompetenzen erwerben die Kinder durch wiederholte positive Gesprächsabläufe (Kannengieser 2015).
Allerdings sollte die in der Förderung verwendete Sprache nicht nur die Alltagssprache einbeziehen, sondern auch darüber hinausgehen und zu kontextunabhängigem Sprechen sowie zum Verstehen und Produzieren immer abstrakterer Texte verhelfen. Möglichkeiten, diese Formen des Sprechens zu erwerben, sind zum Beispiel das häusliche (Bilder-)Buchlesen oder auch das Erzählen eigener Erlebnisse, da in beiden Fällen eine Distanz zur alltäglichen situationsgebundenen Sprachverwendung geschaffen wird.
Gespräche in der Kita
Im Kitaalltag bieten sich grundsätzlich viele verschiedene Möglichkeiten, die pragmatischen und kommunikativen Fähigkeiten im Allgemeinen und die Erzählfähigkeiten im Besonderen aufzubauen und zu fördern. Förderlich sind dafür sowohl Interaktionen zwischen den Kindern in Spielhandlungen als auch Interaktionen mit den Fachpersonen, z. B. in Stuhlkreissituationen zu Erlebniserzählungen, Bilderbuchbetrachtungen usw. Traditionell erfolgt die Förderung sprachlicher Fähigkeiten durch das Erzählen in Gesprächskreisen, Vortragen von Gedichten, Singen von Liedern, in Reimen, Fingerspielen, Kniereiterversen, Spielen etc. Hierbei werden folgende pragmatische Kompetenzen spielerisch geübt:
■ die Übergabe des Rederechts (in Liedern durch Vorsingen – Nachsingen, in Spielen wie „Fischer, Fischer wie tief ist das Wasser?“ usw.),
■ die Übernahme des primären Sprecherrechtes (z. B. beim Vortragen von Gedichten, dem Erklären von Spielen oder dem Demonstrieren von Fingerspielen),
■ das abwechselnde Sprechen (z. B. in Gesprächskreisen, in Spielinteraktionen),
■ die formal-sprachliche und inhaltliche Ausgestaltung eines Themas (in Reimen und Fingerspielen),
■ das Ausführen sprachlicher Handlungen wie Bitten, Aufforderungen,
■ das Etablieren von Unvorhergesehenem (z. B. in Kniereiterversen, Fingerspielen, Erzählungen usw.).
Für die Förderung der Erzählfähigkeiten reichen diese Situationen aber noch nicht aus. Nur in 5 % der Fördersequenzen findet Erzählen überhaupt statt (Albers 2009 in Drick 2015). In der Hälfte der Fälle geht es um Wortschatzförderung. Die Kinder setzen ihrerseits zwar häufig zum Erzählen an, aber da die Erzählabsichten noch rudimentär versprachlicht werden, werden sie von Fachpersonen häufig nicht erkannt und damit auch nicht aufgegriffen. Daher unterstützen die Fachpersonen den Einstieg ins Erzählen häufig nicht.
Kritisch ist diese Erkenntnis vor allem vor dem Hintergrund, dass in manchen familiären Gesprächssituationen die Kinder nur bedingt die Möglichkeit zum Erwerb narrativer Kompetenzen erhalten. Diese Kinder sind umso mehr auf ein qualitativ hochwertiges Sprachangebot in der Kindertageseinrichtung angewiesen. Nur so haben sie die Chance, die sprachlichen Lernerfahrungen zu sammeln, die sie in ihren Familien aus unterschiedlichen Gründen nicht sammeln können.
Nicht jede Interaktion bewirkt allerdings automatisch erwerbsfördernde Effekte. Die Wirksamkeit ist abhängig von der Kompetenz der durchführenden Fachperson. Somit liegt der Ursprung gelingender Sprachförderung in Kitas nicht in der Auswahl bestimmter Sprachförderprogramme (deren Effektivität bislang noch nicht nachgewiesen werden konnte), sondern in der Art und Weise, wie sich die Fachperson in die Interaktion mit dem Kind einbringt. Damit stehen die Fachpersonen selbst, d. h. ihr Wissen um kindliche Spracherwerbsprozesse und die Gestaltung von Interaktionssituationen im Mittelpunkt. Sprachförderlich ist das Interaktionsverhalten, wenn:
■ es weniger direktiv und eher moderierend ist,
■ es Raum gibt für Erzählungen und länger anhaltende Gespräche zu einem Thema statt nur für kurze Statements und Themen aus dem Hier und Jetzt,
■ es Kindern die Rolle des primären Sprechers überträgt (Drick 2015).
Eine weitere wichtige Gelingensbedingung für die Förderung der Erzählfähigkeiten ist die Häufigkeit der Förderung. Drick (2015) schlägt in ihrem Fördervorgehen eine Frequenz von zweimal pro Woche vor.
Gespräche in der Schule/im Unterricht
Mündliche Interaktionen sind in allen Fächern der Grundschule relevant. Als Lernfeld für pragmatisch-kommunikative Fähigkeiten bieten sich viele fachdidaktische Themen für die Kommunikation an sowie Themen, die das Schulleben selbst fokussieren, wie z. B. die Gesprächsformate Klassenrat oder Schülerparlament.
Als verbindliche Richtschnur für die Angabe, welche pragmatisch-kommunikativen Kompetenzen in der Grundschule besonders gefördert werden sollen, geben die Lehrpläne der Länder häufig Gesprächstypen wie Erzählen, Diskutieren, das unspezifische Klassengespräch oder den allgemeinen Informationsaustausch an. Beispielsweise werden im Lehrplan aus NRW für das Fach Deutsch unter dem Bereich „Sprechen und Zuhören“ die Schwerpunkte verstehend zuhören, Gespräche führen, zu anderen sprechen und szenisch spielen subsumiert. Aber auch andere Fächer wie beispielsweise Mathematik weisen eigens Kompetenzerwartungen in Pragmatik und Kommunikation aus. Sie werden als prozessbezogene Kompetenzen ausgewiesen und umfassen das Problemlösen, Modellieren, Argumentieren, Darstellen/Kommunizieren (Lehrplan NRW, Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2008).
Da Lehren und Lernen in der Schule immer über Kommunikation erfolgt, ist der Aufbau einer Gesprächskultur sehr wichtig. Gerade das Unterrichtsgespräch ist ein häufig genutzter Lernkontext und damit hoch relevant. Die Lernenden erwerben dabei über vier verschiedene Phasen sowohl formal-organisatorische Grundprinzipien zum Gesprächsablauf wie Turn-Taking-Regeln als auch die inhaltlich zusammenhängende und auf die Beiträge anderer bezogene eigene Sprachverwendung. In der ersten Phase lernen sie in Klassen-, Gruppen- und Partnergesprächen die primären Gesprächsregeln wie die (organisatorische) Berücksichtigung der anderen Gesprächspartner, also den Vorredner nicht zu unterbrechen. In der zweiten Phase lernen sie die eigene Aufmerksamkeit inhaltlich auf die Gesprächsbeiträge anderer zu richten, nachzufragen, an die Beiträge inhaltlich anzuknüpfen oder eine Rückmeldung dazu zu geben. In der dritten Phase lernen sie eine höhere Eigenständigkeit in der Gesprächssteuerung und das Reflektieren des eigenen und fremden Gesprächsverhaltens. In der vierten Phase lernen die Kinder zunehmend selbstständig themen- und lösungsorientierte Gespräche zu führen und auszuwerten, also in Diskussionen zu argumentieren, eigene Meinungen zu vertreten und andere Meinungen einzuschätzen (Phasenmodell von Ritz-Fröhlich nach Eriksson 2015).
Hinzu kommt die Fähigkeit, diese Sprachverwendung auch zunehmend explizit zum Gegenstand der Betrachtung werden zu lassen und metakommunikativ darüber zu reflektieren. Das ist eine höhere kognitive Leistung als die intuitive implizite Anwendung. Neben diesen allgemeinen...