Eimeria stiedai und andere Eimeria spp.
Erreger: Die Kokzidiose der Leporiden stellt eine Erkrankung des Verdauungstraktes mit hoher Mortalität dar, für die besonders Jungtiere anfällig sind. Je nach Lokalisation des Erregers werden Darm- und Leberkokzidiose unterschieden (Abb. 1.1), wenn auch Letztere besser als Gallengangskokzidiose zu bezeichnen ist (Abb. 1.2). Die Kokzidien sind wirtsspezifische Protozoen des Darms und der Gallengänge. Nach Ausscheidung mit dem Kot sporulieren die Oozysten (Abb. 1.3) in der Außenwelt und bleiben dort unter feucht-warmen Bedingungen monatelang infektiös. Die Ansteckung erfolgt durch perorale Aufnahme der infektiösen Stadien. Im Wirtstier vermehren sich die Kokzidien in der Darmschleimhaut ungeschlechtlich (Schizogonie) und geschlechtlich (Gamogonie) (Abb. 1.4, 1.5). Die Präpatenzzeit beträgt 14–16 Tage – Symptome können aber bereits vorher auftreten. Die Patenz dauert 3–4 Wochen. Wenn sich Kaninchen infizieren, kann es zu einem seuchenhaften Verlauf im Bestand mit hoher Mortalität kommen. Ausbruch und Verlauf der Erkrankung werden weitgehend von der Infektionsdosis, der Pathogenität der Eimeria-Spezies und der körperlichen Verfassung der Kaninchen beeinflusst. Erwachsene Tiere sind nach Reinfektionen häufig monatelange Dauerausscheider. Moderate Infektionen führen zur Ausbildung einer Prämunität. Es scheint aber keine Kreuzimmunität unter den verschiedenen Arten zu geben. Eimeria stiedai (Abb. 1.2, 1.6, 1.7) ruft die besonders verlustreiche Gallengangskokzidiose hervor. Prädisponiert sind landwirtschaftliche Kaninchenbestände (Beck u. Pfister 2005a, Kutsche 1993).
Abb. 1.1
Darmlokalisation verschiedener intestinaler Eimeriosen beim Kaninchen: (A) Eimeria magna, (B) Eimeria perforans, (C) Eimeria media, (D) Eimeria irresidua, (E) Eimeria piriformis, (F) Eimeria coecicola, (G) Eimeria intestinalis (schematisch).
Abb. 1.2
Gallengangskokzidiose durch Eimeria stiedai: Querschnitt eines befallenen Gallengangs im histologischen Leberpräparat (400 ×).
Abb. 1.3
Sporulierte Form einer Eimeria-Oozyste (4 Sporozysten mit jeweils 2 Sporozoiten) (schematisch).
Abb. 1.4
Schematische Darstellung des Entwicklungskreises von Kokzidien: Sporogonie – Schizogonie – Gamogonie – Ausscheidung (schematisch).
Abb. 1.5
Entwicklungszyklus der Kokzidien beim Kaninchen. Oben: Endogene Entwicklung und Vermehrung der Kokzidien in der Darmschleimhaut: (A) ungeschlechtliche Vermehrung (Schizogonie), (B) geschlechtliche Vermehrung (Gamogonie). Unten: Exogene Entwicklung in der Außenwelt: (C) Reifung der Oozysten im Freien (Sporogonie) (schematisch).
Abb. 1.6
Eimeria-stiedai-Oozysten vom Kaninchen im Flotationspräparat (1000 ×).
Abb. 1.7
Eimeria-sp.-Oozyste (sporuliert) vom Kaninchen im Flotationspräparat (1000 ×).
Abb. 1.8
Sporulierte Oozysten verschiedener Eimeria-Spezies vom Kaninchen: (A) Eimeria stiedai, (B) Eimeria magna, (C) Eimeria perforans, (D) Eimeria media, (E) Eimeria irresidua, (F) Eimeria piriformis, (G) Eimeria coecicola, (H) Eimeria elongata, (I) Eimeria intestinalis, (J) Eimeria matsubajashii, (K) Eimeria nagpurensis (schematisch). © Zool. Soc. Calcutta.
Abb. 1.9
Frei lebende Nematodenlarven (sekundäre Kontamination) und Eimeria-Oozysten von einem Kaninchen im Flotationspräparat (100 ×).
Klinik: Klinisch fallen oft dramatische Verdauungsstörungen, Tympanie, wässriger, übel riechender Durchfall, Appetit- und Teilnahmslosigkeit auf. Todesfälle können schon in der Präpatenz vorkommen, also noch vor der ersten Oozystenausscheidung. Die Schwere der klinischen Erscheinungen hängt von der Pathogenität der über 25 bei Kaninchen beschriebenen Eimerien-Arten (Abb. 1.8, 1.10) und den nachfolgenden bakteriellen Sekundärinfektionen ab (Gregory u. Catchpole 1986).
Diagnose: Der Nachweis der Oozysten gelingt sehr gut mithilfe der Kotflotation (Abb. 1.7, 1.9).
Therapie: Sulfonamidpräparate können zur Kokzidiosetherapie beim Kaninchen herangezogen werden. Sulfadimethoxin (Kokzidiol SD®, Pulver, Pharmawerk Weinboehla) ist als Chemotherapeutikum und Kokzidiostatikum für Kaninchen zugelassen. Bei diesem Wirkstoff wird die außerordentlich gute kokzidiostatische Wirkung dem N-Dimethoxypyrimidinanteil zugeschrieben. Dabei wird unter den Entwicklungsstadien der Eimerien besonders die 2. Schizontengeneration in ihrem Wachstums- und Vermehrungskreislauf innerhalb der Epithelzellen blockiert. Dadurch kommt der gesamte Zyklus der Kokzidiose-Infektion zum Erliegen (insbesondere Darm- und Nierenepithelien sowie Endothelzellenbereich der Leber). Die Toxizität von Sulfadimethoxin ist sehr gering. Das Pulver wird durch Einmischen in trockenes Futter bzw. nach Auflösen in Tränkwasser peroral verabreicht. Die entsprechende Pulvermenge ist täglich frisch in einer kleinen Menge Wasser vollständig zu lösen und dem Trinkwasser zuzufügen. Um eine gleichmäßige Wasseraufnahme für alle Tiere zu gewährleisten, ist ein ausreichendes Tränkplatzangebot sicherzustellen. Die Grunddosierung für dieses Präparat liegt bei 1,33 g/kg KM. Für die Behandlung von Kaninchen wird eine tägliche Dosis von 40 mg Sulfadimethoxin/kg KM über einen Zeitraum von 5 bis 10 Tagen empfohlen. Die Wartezeit beträgt für essbares Gewebe 14 Tage. Alternativ können dem Kaninchen auch 25 mg/kg KM (= 1 ml/kg KM) Amprolium (Amprolium®, Albrecht) zweimal täglich über 5 bis 7 Tage direkt ins Maul gegeben werden. Die Flasche enthält 50 ml Suspension und die passende Dosierspritze ist beigefügt.
Wie praktische Erfahrungen gezeigt haben, eignet sich außerdem Toltrazuril (100 ml Baycox® 5% für Ferkel, Bayer) zur Prophylaxe und Therapie der bei Kaninchen bevorzugt auftretenden Eimerien (Eimeria flavescens, Eimeria intestinalis, Eimeria magna, Eimeria perforans und Eimeria stiedai)hervorragend. Die 2,5%ige Baycox®-Formulierung für Geflügel (Bayer) ist zu alkalisch und führt bei Säugern zu Reizungen der Darmschleimhaut. Daher wurde diese früher angesäuert: 2 Teile Baycox® + 1 Teil Wasser + 1 Teil Propylenglykol. Dieses Vorgehen ist nach dem heutigen Stand des AMG nicht mehr gesetzeskonform. Der Wirkstoff reduziert die Oozysten-Ausscheidung und verhindert klinische Anzeichen und makroskopische Läsionen. Prophylaktisch können 10–15 mg/l (10–15 ppm) Toltrazuril kontinuierlich über 5 Wochen oder 1 Woche lang im Trinkwasser gegeben werden, ohne dass irgendwelche Leistungseinbußen auftreten (Bucklar et al. 1999). Die Behandlung erfolgt mit 25 mg/l (25 ppm) Trinkwasser über 2 Tage. Nach einer 5-tägigen Pause wird in derselben Dosierung erneut 2 Tage lang behandelt (Beck et al. 2004). Erfahrungsberichten aus der Praxis zufolge, ist aber auch eine einmalige 2-tägige Therapie ohne Wiederholungsapplikation ausreichend. Toltrazuril sollte nicht bei trächtigen Tieren appliziert werden. Die unverdünnte Gabe kann Schleimhautverätzungen zur Folge haben. Dem Flüssigkeits- und Elektrolytverlust muss begleitend durch intravenöse, intraperitoneale und gegebenenfalls auch subkutane Infusionen begegnet werden. Döbelt (pers. Mitteilung, 2011) erzielt mit 1–2 mg/kg KM Diclazuril (Vecoxan®, Elanco) über mehrere Wochen per os gute Behandlungserfolge. Zusätzlich zu den chemotherapeutischen Maßnahmen ist eine ausgewogene Diät wichtig, da insbesondere bei der Leberkokzidiose (Abb. 1.11) der Vitamin-Metabolismus gestört ist (Harcourt-Brown 2002). Eine Supplementierung von Vitamin A (Korvimin® ZVT, WDT) kann die Heilung unterstützen. In größeren Kaninchenbeständen sind Kokzidien oft hartnäckig und lassen sich nur schwer beseitigen. Deshalb hat neben der Auswahl eines geeigneten Wirkstoffs und einer gezielten Behandlungsstrategie auch die Vermeidung von Reinfektionen durch Hygienemaßnahmen (Reinigung und Desinfektion) außerordentliche Bedeutung. Da Kokzidien-Oozysten den Stallboden besiedeln, muss durch Reinigung und Desinfektion das Infektionsrisiko minimiert werden. Daher sollte ein gegen Kokzidien wirksames Desinfektionsmittel verwendet...