Die Hunde aus Tibet.
Schneelöwen? Terrier? Hütehunde?
Wer die Flagge Tibets - genauer gesagt die Flagge der Exiltibeter - betrachtet, findet auf ihr zwei Schneelöwen (tibetisch: gangs seng ge; Löwen aus dem bewaldeten Himalaya), die vor dem heiligen Berg Kailash die tibetische Nation und ihre religiösen Prinzipien symbolisieren. Die buddhistisch inspirierten Tiere, deren Brüllen mit dem Klang der Leerheit, des Mutes und der Wahrheit gleichgesetzt wird, zeigen in ihrer Statur eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit unseren tibetischen Hunden.
Dem ausgedehnten Hochland von Tibet, das eine Fläche von ca. 2,5 Millionen km2 umfasst und im Süden vom »Dach der Welt« (dem Himalaya) begrenzt wird, kann man die Herkunft bemerkenswerter Hunderassen zuschreiben. Etwas kleinere Vertreter sind der Lhasa Apso, der Shih Tzu oder auch der Tibet Spaniel - von überragender Größe ist jedoch der Do Khyi (auch Tibet Mastiff oder Tibet Dogge genannt), der durch seine mächtige, erhabene Gestalt gern als kolossaler Bruder unserer mittelgroßen Tibet Terrier gesehen wird. Ob gerade die kleineren Tibetans bewusst nach dem Abbild der Schneelöwen gezüchtet wurden, ob sich die künstlerischen Darstellungen der von Berggipfel zu Berggipfel springenden Löwen nach den Hunden richteten oder ob es sich lediglich um einen Vergleich aus buddhistisch inspirierter Perspektive handelt mag dahingestellt bleiben - auffällig ist jedoch allemal das üppige langhaarige Fell aller Beteiligten (wenn man den Tibet Spaniel, der auch als geschorener Apso bezeichnet wird, hier einmal außen vor lässt).
Der Begriff »Apso« (als Synonym für den Schnauzbart und die fast schon überladen wirkende Behaarung) beschreibt auch unsere Tibet Terrier besonders treffend. Die Hunde sind folglich Tibet Apsos mittlerer Größe, denn der Begriff »Terrier« (der in der deutschen Sprache auf einen kleinen Jagdhund hinweist) ist für unsere Vierbeiner unsinnig. Der Tibet Terrier entstammt offensichtlich einer nicht jagenden Tradition (ein auf die Jagd ausgelegter historischer Züchtungszweck ist im Wesen der kompakten Hunderasse in keiner Weise ersichtlich) und die unangemessene Namensgebung basiert letztlich wohl nur auf einer willkürlichen Einordnung in das europäische Rassen-System. Sinnvoll ist für unsere Tibetans natürlich auch der regional geprägte Name Tsang Apso (Tsang bezeichnet eine alte Kultur-Provinz im Westen Zentraltibets mit der Hauptstadt Samzhubzê).
+++ Da ich im Alltag oft nach der Rasse meines Hundes gefragt werde und der Begriff »Terrier« nahezu regelmäßig zu Missverständnissen oder Vorurteilen führt, bezeichne ich Pe-Ma in Gesprächen konsequent als »Tibet Apso« oder auch »Tsang Apso«, was der eigentlichen Erscheinung der Hunde entspricht. +++
• HERKUNFT Im Kern einer fast schon romantischen Legende stammt der Tibet Terrier aus dem »Verlorenen Tal Tibets«, wo er manchem Reisenden als Glücks- und Friedensbringer mitgegeben wurde. Die Sage berichtet von einem Erdbeben, durch welches das Tal isoliert wurde - der verbliebene Zugang war gefährlich und so machte man den Gästen die Hunde zum Geschenk, um ihnen eine sichere Rückkehr zu garantieren. Oftmals wird die Region mit dem fiktiven, paradiesischen Ort Shangri-La gleichgesetzt, wobei dieser Begriff letztlich aber erst im 1933 erschienen Roman »Lost Horizon« (auch als »Irgendwo in Tibet« verlegt) durch den britischen Schriftsteller James Hilton in den westlichen Kulturkreis eingeführt wurde. Da die Erzählung um die Hunde im Zeitalter des Internets permanent so weiter gegeben wird, dominiert ein mystisch - vielleicht sogar buddhistisch - inspiriertes Bild die Herkunftsgeschichte unserer Vierbeiner. Der tatsächliche Ursprung der Hunde dürfte jedoch auf eine lange Karriere als (auch nomadischer) Wach-, Hirten- und Begleithund (im Sinne eines funktionalen Arbeitshundes, vgl. S. →) auf den durchschnittlich 4500 m hohen Plateaus der heute tibetischen Region und in den sich unmittelbar anschließenden Vorgebirgsketten des Himalaya-Systems zurückzuführen sein. Da die Geschichte Tibets von vielen politischen und geografischen Brüchen bzw. anhaltenden Konflikten durchzogen ist (das eigentliche Königreich Tibet entstand erst Anfang des 7. Jahrhunderts, wurde 1240 von Khan Güyük Khan in das mongolische Reich eingegliedert und unterliegt heute als weiterhin umstrittenes autonomes Gebiet bzw. als Verwaltungseinheit dem Regierungsanspruch der Volksrepublik China) gestaltet sich die faktische Zuordnung der Vierbeiner schwierig und man könnte die einzigartigen Tiere ohne Weiteres auch als ursprünglich mongolische oder nun sogar chinesische Zeitgenossen bezeichnen. In jedem Fall sollte man die Tibet-Hunde aber als kulturelles Erbe der zentralasiatischen Region (der höchstgelegenen der Welt) am Himalaya zuordnen und dieses bemerkenswerte Gebiet trägt noch immer - unabhängig von der besonders prekären völkerrechtlichen Lage, die aktuell auf der Eingliederungspolitik Chinas beruht - den Namen »Tibet«. Die kleinen und großen Apso-Hunde sind Tibeter.
Die überwiegend buddhistische Tradition des Landes legt nahe, dass unsere Vierpfoten auch in Klöstern gehalten und gezüchtet wurden. Im Hinblick auf die Erinnerung an den Löwenhund Buddhas (Buddha soll einen Hund besessen haben, der sich in einen Löwen verwandeln konnte) ist eine funktionale Erweiterung der Tibetans zum sesshaften Hof-, Haus- und Klosterhund (also zum praktischen, nützlich-wachsamen und gleichzeitig religiös inspirierten bzw. schmückenden Begleiter) in eher wohlhabenderen Gesellschaftsschichten und bei den Mönchen eine durchaus logische Entwicklung. Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass das Bild vom Löwenhund bzw. Palastliebling heute auch vom deutlich kleineren Shih Tzu besetzt wird, der nur selten ein Gewicht von 8 kg erreicht und eine Widerristhöhe von lediglich 27 cm aufweist.
Um die körperlichen Eigenschaften der Tibet Terrier (vgl. S. →) verstehen zu können, lohnt auch ein Blick auf die klimatischen Verhältnisse der Region. Die Ausdehnung und die Topografie von Tibet sorgen für ausgesprochen dramatische Klimaunterschiede. Durch die Höhe herrscht in den südlichen Zonen ein kühlgemäßigtes Kontinentalklima mit sehr trockener Luft und besonders starker Sonneneinstrahlung. Der Regenschatten des Himalaya lässt unsere tibetischen Freunde hier kaum Niederschläge erleben und die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sind erheblich. Im Winter können in den nördlichen Hochlagen Temperaturen um die minus 40 Grad Celsius erreicht werden - im Sommer sind plus 35 Grad Celsius messbar. Im Bereich von Lhasa (im Süd-Osten Tibets) ist das Klima milder. Zu den Niederschlägen sei noch erwähnt, dass es neben den besonders trockenen Bereichen am Hochgebirge auch Zonen gibt, die in den Sommermonaten (trotz der Abregnungs-Barriere des Himalaya, der nicht das gesamte Land abschirmt) vom Monsun erreicht werden.
In Europa sind die Tibet Terrier praktisch erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts etabliert. Natürlich ist anzunehmen, dass bereits früher der eine oder andere Tibet Apso die Region mit Reisenden verlassen hat - man denke hier an die unverkennbare Ähnlichkeit zum Puli der Magyaren oder den Polski Owczarek Nizinny (PON). Die Zucht als standardisierte Rasse ist jedoch auf die englische Ärztin Dr. Agnes Greig zurückzuführen, die eine Hündin als Geschenk erhielt und daraufhin eine europäische Zucht (Linie »of Lamleh«) etablierte. Durch ihre Bemühungen kam es zu einer Registrierung der Rasse in Indien und später in England.
SCANNEN & INFORMIEREN Fakten zu Geografie, Geschichte, Kultur und zum aktuellen geopolitischen bzw. völkerrechtlichen Status Tibets in der Wikipedia. Informationen unter https://de.wikipedia.org/wiki/Tibet
Pepper, Channa, Inyima und Jojo (Artgenossen aus Deutschland und der Schweiz)
• PHYSIOLOGIE Unser Tibet Terrier gehört zu den mittelgroßen Hunden und hat einen robusten Körperbau, der sich optisch in einer fast quadratischen Silhouette präsentiert - die Schulterhöhe bis zum Widerrist (gemeint ist der höchste Punkt hinter dem Hals, der sich besonders gut bei gesenktem Kopf ausmachen lässt) ist nahezu identisch zur Länge zwischen der Spitze des Schulterblatts und dem Ansatz der Rute. Ein starker Hals gibt unserem Tibetan die Möglichkeit, das Haupt hoch über dem Rücken zu tragen - situationsabhängig wird der Kopf aber oft tiefer positioniert. Kräftige Wimpern schützen die ausdrucksstarken Augen auch vor der üppigen Kopfbehaarung, die das Gesichtsfeld sonst zu stark verdecken würde. Durch eine relativ breit angelegte Position der Sehorgane kann der Tibet Terrier auch das seitliche Geschehen wahrnehmen...