Kapitel 4.1.2, Outsourcing als Strategie ökonomisch-politischer Kostenvermeidung:
Nahezu alle, die zugunsten eines Einsatzes von PMFs plädieren, nehmen auf das ökonomische Effizienzpotential sowie die faktische Leistungsfähigkeit der privaten Militäranbieter Bezug. Einige Negativbeispiele, die gegen das Einsparargument zu sprechen scheinen, wurden bereits im Zusammenhang mit der vertragsrechtlichen Problematik erwähnt. Aufgrund seiner Bedeutung im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs bedarf es jedoch einer genaueren Prüfung der Effizienz und Effektivität der Firmen.
Das Effizienzargument basiert auf der klassisch-liberalen Logik, wonach die Privatisierung staatlicher Aufgaben – also auch auf dem Militärsektor – über die Bildung eines freien Wettbewerbmarktes automatisch zu einer Kostensenkung führen würde: Das Militär könnte sich durch die Abgabe belastender, aber notwendiger Nebentätigkeiten auf seine Kernkompetenzen konzentrieren. Die mit dem technologischen Fortschritt korrelierenden hohen Ausbildungskosten sowie die langen Standzeiten von Gerät und Personal in Friedenszeiten würden in diesem Zusammenhang Potential für Einsparungen bieten. Sollte eine Firma, die in Übereinstimmung mit der Politik ihres Landes agiert, von einem Drittstaat verpflichtet werden, könnte außerdem deren Heimatstaat vor einem eventuell notwendigen eigenen militärischen Engagement bewahrt werden.
Bezüglich der Effektivität wird vorgebracht, dass die Privatanbieter flexibler und schneller auf Lageänderungen zum Beispiel in Afrika reagieren könnten, als dies träge handelnden, auf langwierige politische und militärische Entscheidungsprozesse angewiesenen staatlichen Organisationen möglich wäre. Gerade in Zeiten sinkender Etats, begrenzter Haushaltsmittel und steigender Verwaltungskosten scheint ein solches Mittel für Staaten geeignet zu sein, um der Verantwortung im Bündnisrahmen – für den Fall, dass sie nicht nach obigem Ablauf komplett zu vermeiden ist – möglichst kostengünstig nachkommen zu können.
Obwohl diese Logik in der Theorie einleuchten mag, musste auch die jüngste Untersuchung zu diesem Thema zugestehen, dass „no overwhelming evidence has entered the public domain to prove that the outsourcing of deployed support functions has been cheaper than direct military provision.” Aus der Kostenperspektive betrachtet ist die Privatisierung staatlicher Aufgaben vielmehr an Risiken gekoppelt, die sich daraus ergeben, dass Unsicherheitsfaktoren bestehen, die nur schwer auszuschalten sind:
Demgemäß sind – wie bereits erörtert – Verträge nur bedingt in der Lage, rapide wechselnden Szenarien gerecht zu werden, was kostenintensive Nachverhandlungen notwendig machen kann. Auch ist zu bedenken, dass PMFs bei allen kurzfristigen Erfolgen nur einen begrenzten Beitrag zu einer langfristigen Lagestabilisierung leisten können. Eine solche bedürfte Lösungsansätze, die über mehrere Generationen mit politischem Willen vorangetrieben werden müssten. Dies ist von den Firmen nicht zu leisten.
Die Erfahrungen der USA im Irak haben außerdem gezeigt, dass durch den Einsatz von PMFs auch militärtaktische Nachteile entstehen können, die in eine Effektivitätsbetrachtung mit einzubeziehen sind: So erhalten mit dem Einsatz von PMF-Mitarbeitern zwangsläufig Zivilisten Zugang zu militärischen Anlagen und Zugriff auf sicherheitsrelevante Informationen. Dies kann die Sicherheitslage gefährden, vor allem, wenn in Einsatzländern wie dem Irak einheimische Mitarbeiter angeworben werden.
Weiterhin ist die Koordination der verschiedenen zivilen und militärischen Elemente planungs- und damit personalintensiv, weil die Privatfirmen nicht direkt in die militärische Befehlskette integriert sind.
Ferner muss die Regierung, die Privatisierungsmaßnahmen durchführt, dem Auftragnehmer ein hohes Maß an Vertrauen entgegenbringen, da sie im Falle des Scheiterns einer Privatisierungsmaßnahme kurzfristig keine oder nur ungenügende eigene Kräfte als Ersatz vorhalten kann.
Außerdem kann, weil die PMF-Mitarbeiter nicht dem Prinzip von Befehl und Gehorsam unterliegen, der Erfolg einer Mission auch dadurch gefährdet sein, dass sich PMF-Mitarbeiter weigern, den ihnen erteilten Auftrag zu erfüllen – ohne dass die militärische Führung dies verhindern könnte. Sie hat neben administrativen Maßnahmen – wie dem Entzug der Sicherheitsüberprüfung und dem damit implizierten Hausverbot zum Betreten der Militärbasen – nur die Möglichkeit, sich an den für den Vertrag zuständigen Verbindungsoffizier zu wenden, um Beschwerden an die Firmenleitung weiterzugeben. Was dies bedeuten kann, musste die kanadische Armee erfahren, als sie zwei Wochen lang auf ein Drittel ihrer Ausrüstung verzichten musste, weil der private Transportservice wegen eines finanziellen Disputs das aus Bosnien zurückkehrende Transportschiff vor der Küste in internationalen Gewässern ankern ließ. Glücklicherweise war die Verschiffung nicht in einem realen Einsatz, sondern zu Übungszwecken durchgeführt worden. Wäre das Material dringend benötigter Nachschub für Einsatzverbände gewesen, hätten wohl dramatischere Folgen eintreten können.
Bei allen Nachteilen eines PMF-Einsatzes ermöglicht ein solcher Regierungen allerdings sehr wohl, unpopuläre eigene Sicherheits- und Machtinteressen voranzutreiben. Sie laufen hierdurch jedenfalls weiniger Gefahr, im Falle des Scheiterns einer Operation die eigene Position vor den Wählern durch notwendige Rechtfertigungen zu gefährden. Gefallene PMF-Angestellte, die in keiner offiziellen Statistik aufgeführt sind, werden nachweislich weit weniger von der Öffentlichkeit wahrgenommen, als Soldaten gleicher Nationalität. Die Vermeidung politischer Kosten scheint also bei den Erwägungen, PMFs zu engagieren, im Vordergrund zu stehen, wofür zum Teil sogar höhere finanzielle Aufwendungen – siehe die KBR-Affäre – in Kauf genommen werden. So ist zu erklären, warum gerade im Irak, in dem die Militärs von einem extrem hohen Budget profitieren und deshalb allein mit Einsparungsbedürfnissen der massive PMF-Einsatz nicht begründet werden kann, Privatanbieter den zur Zeit attraktivsten Markt mit einer nahezu unbegrenzten Nachfrage vorfinden. Ähnliche Erwägungen waren auch für das von Großbritannien geförderte Engagement von Sandline in Sierra Leone verantwortlich, nachdem in der vorhergehenden Operation über 1000 afrikanische ECOMOG-Soldaten getötet worden waren.
Ein weiteres Beispiel für diese Theorie ist die Antidrogenkampagne in Kolumbien, in der private Firmen an Stelle des US-Militärs aktiv sind. Aber auch in Kroatien erlaubte das Engagement von MPRI den USA, offiziell neutral zu bleiben und dennoch Einfluss auf den Verlauf des Konflikts zu nehmen. Denn ein Eingreifen seitens der USA hätte nach Expertenschätzungen neben – aufgrund der fehlenden Infrastruktur im Einsatzland anfallenden – immensen finanziellen Kosten auch hohe Verluste verursacht, die von der Bevölkerung nach Umfrageergebnissen nicht getragen worden wären. Als der Kongress nach Kriegsende wegen der Risiken die Stationierung von 20.000 amerikanischen Soldaten ablehnte, war MPRI wiederum die erste Wahl, um in der Region Einfluss zu nehmen.
In all diesen Fällen war die Entscheidung für Sandline, MPRI oder Dyncorp weniger das Ergebnis ökonomischer Erwägungen als vielmehr das Resultat eines, Bündnisverpflichtungen und andere Eigeninteressen mit den möglichen innenpolitischen Risiken abwägenden, Kosten-Nutzen-Kalküls. „This “foreign policy by proxy“ is in fact one of the most vociferously criticised aspects of the private military industry [...] it is also of the industry’s main selling points, even if not openly acknowledged as such.” Das Argument der ökonomischen Kostenvermeidung als Hauptgrund für die Privatisierung militärischer Aufgaben ist nach momentanem Erkenntnisstand dahingegen nicht haltbar."