1 Einführung
1 Produktmanagement
2 Produkte
1 Produktmanagement
Was ist eigentlich Produktmanagement? Wie ist es entstanden und wie hat es sich zu dem entwickelt, was es heute ist? Von welchen Faktoren hängt sein Erfolg ab? Diese Fragen sollen in diesem ersten Abschnitt des einführenden Kapitels beantwortet werden.
1.1 Begriffsdefinition
Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffs Produktmanagement. So legen die meisten Hersteller von Gebrauchsprodukten, z. B. von Maschinen und technischen Ausrüstungen, den Schwerpunkt des Produktmanagements auf die Planung und Entwicklung von neuen Produkten bzw. Produktvarianten.
Dagegen stehen beim Management von Verbrauchsprodukten – wie Nahrungs- und Heilmittel – Vermarktung und Vertrieb im Vordergrund. Die Frage, inwieweit Marktforschung zum Produktmanagement gehört oder hiervon organisatorisch losgelöst betrieben werden soll, wird von den einzelnen Unternehmen oft sehr unterschiedlich beantwortet.
Im vorliegenden Buch wird Produktmanagement im breiteren und möglichst allgemein gültigen Sinne behandelt, wie dies z. B. in der Beschreibung der Aufgaben des Produktmanagers (siehe Kapitel II, 3) zum Ausdruck kommt. Daraus resultiert folgende Begriffsdefinition:
Produktmanagementumfasst die Planung, Entwicklung, Fertigung, Vermarktung und Entsorgung eines Produktes zum größtmöglichen Wohle von Nachfrager und Anbieter.
1.2 Entstehung und Verbreitung
Ansätze des Produktmanagements findet man schon im Mittelalter. Denn sowohl bei der Hanse als auch bei Handelshäusern wie dem der Augsburger Familie Fugger gab es für bestimmte Produkte und Produktgruppen Spezialisten, deren Aufgaben mit denen der heutigen Produktmanager weitgehend vergleichbar waren.
Der Geburtstag des modernen Produktmanagements ist nach Ansicht von Wirtschaftshistorikern der 13. Mai 1931. Kurz zuvor war Neil McElroy, damaliger Leiter der Werbeabteilung des US-Konzerns Procter & Gamble (P&G), gebeten worden, sich um die Markteinführung des neuen Seifenprodukts „Camay“ zu kümmern. Dadurch sollte jedoch der Erfolg der im Markt schon etablierten P&G-Seife „Ivory“ so wenig wie möglich gefährdet werden. McElroy schlug daher in einem Memorandum mit dem obigen Datum vor, dass er nicht nur für die Werbung der neuen Seife, sondern – als Chef eines Ein-Produkt-Unternehmens und organisatorisch herausgelöst aus der Marketinggruppe „Seifen“ – auch für alle übrigen Produktaufgaben und damit insgesamt für den Markterfolg des Produktes „Camay“ die Verantwortung übernehmen sollte. Richard Depreu, der damalige Präsident von P&G, war von dem neuen Managementkonzept bald so überzeugt, dass es nach bestandener Prüfung im Markt für alle neuen Produkte des Unternehmens übernommen wurde. Dahinter stand die Erkenntnis, dass durch die maßgeschneiderte Betreuung der einzelnen, häufig sogar konkurrierenden Produkte einer Firma der Markterfolg jedes einzelnen Produktes und damit der Unternehmenserfolg gesteigert werden kann.
Das erkannten dann auch andere Unternehmen, die das von P&G entwickelte Konzept kopierten. Jedoch nahm sich zunächst ausschließlich die Verbrauchsgüterindustrie des Produktmanagements an – und zwar bis in die 1950er Jahre nur in den USA, erst zehn Jahre später dann auch in Deutschland. Den Anfang machten hier die Tochtergesellschaften amerikanischer Firmen, denn in den deutschen Unternehmen war damals Marketingbewusstsein kaum vorhanden, und den neuen amerikanischen Managementmethoden begegnete man mit großer Skepsis. Das änderte sich erst Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre unter dem wachsenden Wettbewerbsdruck, der vor allem durch die damalige Ölkrise ausgelöst wurde. Nach und nach führten nicht nur die großen, sondern auch die mittleren und kleinen Unternehmen der deutschen Verbrauchsgüterindustrie Produktmanagement ein.
Anfang der 1980er Jahre entstanden in der Gebrauchsgüterindustrie erste eigenständige Marketingabteilungen, und zwar zu dem Zeitpunkt, als man mit dem Aufbau von Produktbereichen begann. Damals wurden im Rahmen von Dezentralisierungsmaßnahmen die Aufgaben der bis dahin meist funktional gegliederten Unternehmen schrittweise auf Produktbereiche verteilt, die damit sukzessive die Verantwortung für Umsatz und Ergebnis ihrer Produkte bzw. Produktgruppen übernahmen.
Abbildung 1: Entstehung des Produktmanagements bei der Bildung von Produktbereichen und ihrer Abteilungen für Vorentwicklung (Ev), Produktentwicklung (Ep), Fertigung (F), Vertrieb (V) und Kaufmännische Aufgaben (K)
Wie in Abbildung 1 am Beispiel eines großen deutschen Herstellers von Telekommunikationssystemen schematisch gezeigt, waren von dieser Umstrukturierung zunächst die Produktentwicklung und -fertigung betroffen, wenige Jahre später dann auch die bis dahin zentral geführte (produktfernere) Vorentwicklung und schließlich zu Beginn der 90er Jahre auch der Vertrieb und die den Produkten zugeordneten kaufmännischen Aufgaben. Schließlich wurde das Produktmarketing von der zentralen Marketingabteilung an die damit weitgehend autonomen Produktbereiche übertragen. Am Ende dieses Prozesses stand dann – vor etwa zehn Jahren – die Verselbständigung des Produktmanagements, entweder als eigene organisatorische Einheiten der Produktbereiche oder, bei den immer noch funktional gegliederten Unternehmen, als Zentralabteilung.
Inzwischen wird das Produktmanagementkonzept nicht nur für Verbrauchs- oder Gebrauchsgüter, also materielle Produkte, genutzt, sondern zunehmend auch für immaterielle. Gerade im Dienstleistungssektor, speziell bei Banken und Versicherungen, wächst die Erkenntnis, dass deren Produkte durch den gezielten Einsatz von Produktmanagementmethoden effizienter, schneller und kostengünstiger geplant, entwickelt und vermarktet werden können.
1.3 Erfolgsfaktoren
Wirtschaftswissenschaftler, Manager und Unternehmensberater, allen voran Arthur D. Little (siehe Literatur), haben häufig untersucht, warum bestimmte Unternehmen – gemessen an Umsatzwachstum und Eigenkapitalrendite – erfolgreicher sind als die Mehrzahl ihrer Wettbewerber. Dabei wurde festgestellt, dass der Erfolg maßgeblich von der Effizienz der Produktplanung (siehe Kapitel IV) und den daraus resultierenden Eigenschaften der angebotenen Produkte abhängt, nämlich:
• innovative Leistungsmerkmale,
• optimale Komplexität,
• attraktives Design,
• starke Marke,
• hohe Qualität, niedrige Kosten/Preise und
• umfassende Dienstleistungen.
Darüber hinaus zeigen diese Untersuchungen, dass erfolgreiche Produkte ein effizientes Produktmanagement voraussetzen und dass dessen Erfolg in erster Linie von folgenden Faktoren abhängt:
• Eine geeignete Unternehmenskultur, nämlich eine, die ohne Top-down-Hierarchie, ohne autoritären Führungsstil und ohne Bereichsegoismen auskommt und stattdessen Delegation von Aufgaben, interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie Kreativität und Experimentierfreude fördert und fordert.
• Produktmanager, für die der Erfolg ihrer Produkte wichtiger ist als ihr eigener, die Probleme nicht nur erkennen, sondern auch lösen, und die sich auf das Wesentliche konzentrieren.
• „Sponsoren“, die in der Unternehmenshierarchie weit genug oben stehen, um „ihrem“ Produktmanager bei der Versorgung mit den erforderlichen finanziellen und anderen Ressourcen helfen und ihnen den Rücken freihalten zu können.
• Eine schlanke und durchlässige Organisationsstruktur, die schnelle Entscheidungen und kurze Reaktionszeiten bei der Abstimmung und Umsetzung von Korrekturmaßnahmen gewährleistet.
• Ein gut funktionierendes innerbetriebliches Kommunikationssystem, das diese Entscheidungs- und Abstimmungsprozesse unterstützt.
In den Kapiteln II und III werden die hier genannten Erfolgsfaktoren untersucht und Maßnahmen zu ihrer Stärkung vorgestellt – ergänzt durch entsprechende Beispiele und Hinweise aus der Praxis.
2 Produkte
2.1 Begriffsdefinition
Aber was ist denn eigentlich ein Produkt? Auf diese Frage erhält man – je nachdem ob man mit einem Produktanbieter oder einem Produktnachfrager spricht – unterschiedliche Antworten. Für den letzteren ist das Produkt Mittel zur Erfüllung von Wünschen und Bedürfnissen, für den Anbieter dagegen Grundlage seiner Daseinsvorsorge. So dient ein Fahrrad einerseits der sportlichen Fortbewegung des Käufers und andererseits dem finanziellen Wohl des Verkäufers und seiner Mitarbeiter und Lieferanten. Diese begriffliche Ambivalenz bringt folgende, in der Betriebswirtschaftslehre gebräuchliche, Definition zum Ausdruck:
Ein Produkt ist ein Wirtschaftsgut, das der Bedarfsdeckung seitens des Nachfragers und der Existenzsicherung seitens des Anbieters dient.
2.2 Produktarten
Produkte lassen sich nach bestimmten Kriterien gruppieren. Die drei wichtigsten sind:
Substanz
• Materielle Produkte sind stofflicher Natur...