I
Innovationskommunikation:
Status quo, Strategien, Handlungsmöglichkeiten
Innovationsmanagement und Innovationskommunikation:
Erfolgsfaktor für Unternehmen und Region
Ansgar Zerfaß
In Zeiten des globalen Kostenwettbewerbs stellt sich mehr denn je die Frage, wie Unternehmen ihre Erfolge sichern können und der Standort Deutschland zukunftsfähig bleibt. Die wichtigste Antwort heißt: Wir müssen die Innovationskraft auf allen Ebenen stärken. Dabei gilt es jedoch Abschied zu nehmen von einem klassischen Innovationsverständnis, das allein auf die Durchsetzungskraft von Forschern und Unternehmen setzt. Gefragt ist eine integrative Sichtweise, die die Bedeutung interner und externer Bezugsgruppen im Innovationsprozess (Stakeholderorientierung) ebenso berücksichtigt wie die Relevanz regionaler und branchenspezifischer Innovationssysteme (Clusterbildung). Dieses neue Konzept soll als „Innovation Readiness“ bezeichnet werden. Es macht deutlich, dass einfallsreiche und zielgerichtete Kommunikation bei der Durchsetzung von neuen Ideen, Produkten und Dienstleistungen immer wichtiger wird. Darüber hinaus erläutert dieser Beitrag den Begriff der Innovationskommunikation und Erfolg versprechende Strategien und Maßnahmen. Beispiele aus der Unternehmenspraxis zeigen: Integrierte Kommunikationskonzepte, Campaigning, die Orientierung an Nachrichtenwerten, formatgerechte Aufbereitung und Visualisierung sowie die konsequente Nutzung aller Informationskanäle ermöglichen es, komplexe Neuerungen zu verdeutlichen und die Innovationsfähigkeit zu steigern.
Innovationen als Treiber für Profitabilität und Wachstum
Der Strukturwandel in der Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren drastisch beschleunigt. Das hat verschiedene Gründe (BMWA 2004, S. 7 ff.): Der globale Wettbewerb ist durch die im Frühjahr 2004 vollzogene Erweiterung der Europäischen Union und den Aufholprozess vieler Schwellenländer, insbesondere Chinas, intensiver geworden. Gleichzeitig sorgt die Informations- und Kommunikationstechnik dafür, dass räumliche Entfernungen und Zeitzonen an Bedeutung verlieren. Knowhow wird in Entwicklungsteams weltweit virtuell zusammengezogen; erfolgreiche Produkte und Geschäftskonzepte sind in kürzester Zeit überall bekannt und finden Nachahmer. Beide Entwicklungen verstärken den Trend zum Outsourcing von Unternehmensfunktionen und zur Verlagerung von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung ins Ausland (Offshoring). Das betrifft längst nicht mehr nur die Produktion, sondern inzwischen auch wissensintensive und anspruchsvolle Tätigkeiten wie Softwareentwicklung, Kundenbetreuung und Produktdesign – also jene Domäne, die Deutschland und andere westeuropäische Industrieländer bislang für sich reklamieren. Als Ausweg propagieren Wirtschaftsforscher und Politiker die Stärkung der Innovationsfähigkeit. Aus volkswirtschaftlicher Sicht sind die positiven Wirkungen von Innovationen auf Wachstum und Beschäftigung weitgehend unstrittig (OECD 2004). Deutlich wird dies nicht nur auf internationaler Ebene. Auch innerhalb Deutschlands sind – bei weitgehend identischen rechtlichen, steuerlichen und tariflichen Rahmenbedingungen – jene Bundesländer überdurchschnittlich erfolgreich, die stark in Forschung und Entwicklung investieren.
Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man Innovationen aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive beleuchtet. Sie gelten als Schlüssel für den Unternehmenserfolg (Gerybadze 2004, S. 3 ff.) und wichtigster Ansatzpunkt für die Steigerung der Profitabilität. Deshalb setzen 90 Prozent der Führungskräfte von Unternehmen in Deutschland und Österreich auf eine Stärkung der Innovationsfähigkeit (ADL 2004). Aber die entsprechenden Anstrengungen bleiben in vielen Fällen erfolglos. Etwa 40 Milliarden Euro pro Jahr gehen deshalb verloren (Friedmann/Maurer 2003). Woran liegt das? – Ein bislang kaum berücksichtigter Grund des Scheiterns ist die unzureichende Kommunikation von Innovationen. Denn im Zusammenhang mit neuen Technologien, Produkten und Dienstleistungen gilt es, frühzeitig Hintergründe und Chancen zu verdeutlichen, vielfältige Handlungen zu koordinieren und möglicherweise widerstreitende Interessen zu klären. Die in diesem Buch dokumentierte Trendstudie INNOVATE 2004 hat gezeigt, dass Unternehmen hierbei auf ganz spezifische Hürden stoßen (Mast/Huck/Zerfaß 2005). Drei Viertel der befragten Kommunikationsfachleute und Journalisten sagen, dass der Informationstransfer von den Fachbereichen zur Kommunikationsabteilung nicht funktioniert. Mehr als 60 Prozent sind der Meinung, dass dies vor allem am Konkurrenzdenken liegt: Man will nicht, dass neue Ideen zu früh bekannt werden und den Wettbewerbern in die Hände fallen. Häufig mangelt es aber auch schlicht an der notwendigen Professionalität. Die Qualität der Unternehmenskommunikation steht teilweise im diametralen Gegensatz zum Innovationsgrad. Redaktionen von Fachmagazinen beklagen, dass gerade kleinere und mittelständische technologiegetriebene Firmen mit dem ABC der Medienarbeit nicht vertraut sind.
Fallbeispiel Roslin
Doch auch Großunternehmen und renommierte Forschungsinstitute müssen dazulernen. Das wird deutlich, wenn man sich an eines der vielleicht wichtigsten Ereignisse in der Genforschung erinnert. Dem schottischen Roslin-Institut war es 1996 gelungen, ein Schaf zu klonen. Weil es aus einer Euterzelle entstanden war, benannte es sein Schöpfer Ian Wilmut nach der vollbusigen Dolly Parton – das „Klonschaf Dolly“ sorgte weltweit für Aufsehen. Doch der Schuss ging nach hinten los. Der Spiegel titelte: „Der Sündenfall“ und schnell verankerte sich das Bild von irrwitzigen Forschern, die ein widernatürliches Wesen basteln. Denn über die unpassende Namensgebung hinaus vergaßen die Forscher zu sagen, wofür Dolly gut war. Das Klonschaf sollte ein lebenswichtiges Eiweiß produzieren, mit dem die Stoffwechselkrankheit Cystische Fibrose (CF) beim Menschen behandelt werden kann. Später besann sich die Presseabteilung des Roslin-Instituts darauf und ließ Dolly mit zwei CF-kranken Kindern ablichten. Aus der Wolle des Schafs wurde ein Pullover gestrickt und eine CF-kranke Schauspielerin übergab ihn dem Londoner Science Museum. Das Bild ging um die Welt – denn die komplexe Botschaft wurde menschlich und sympathisch vermittelt.
Notwendigkeit einer interdisziplinären Annäherung
Die Bedeutung der Kommunikation im Innovationsprozess wurde bislang in Theorie und Praxis kaum thematisiert. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Im Zusammenhang mit technologiegetriebenen Problemen mangelt es Entscheidern bis heute häufig an hinreichendem Wissen um die Bedeutung und Rahmenbedingungen von Kommunikationsprozessen. Umgekehrt fehlt in der Wissenschaft eine fundierte interdisziplinäre Auseinandersetzung mit entsprechenden Problemen. Antworten auf die Fragen der Praxis bietet deshalb – wie bei jeder Auseinandersetzung mit den Grundlagen und Zukunftsfragen der Unternehmenskommunikation (Zerfaß 2004) – nur ein Brückenschlag zwischen betriebswirtschaftlichen, kommunikationswissenschaftlichen und sozialtheoretischen Erkenntnissen. Dabei gilt es zunächst, das klassische Innovationsverständnis aufzuzeigen und zu hinterfragen.
Das klassische Innovationsverständnis und seine Grenzen
Das herkömmliche Verständnis von Innovation leitet sich von dem entsprechenden lateinischen Wort ab und steht zunächst für etwas Neues, also etwas, das bislang in dieser Form nicht vorhanden war. Viele denken dabei zunächst an technische Erfindungen wie die Entwicklung des Telefons durch Bell, das von Benz und Daimler konstruierte Automobil, die Zündkerze von Bosch oder auch den Personal Computer von IBM. Joseph Schumpeter hat in seiner 1912 erschienenen „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ grundlegend darauf hingewiesen, dass solche Erfindungen (Inventionen) aus ökonomischer Sicht erst dann zu Innovationen werden, wenn sie erfolgreich eingeführt und wirtschaftlich genutzt werden (Schumpeter 1997). Technologische Neuerungen sichern nur dann den wirtschaftlichen Fortschritt, wenn sie von dynamischen Unternehmern im Zuge einer „schöpferischen Zerstörung“ der bisherigen Verhältnisse im Markt durchgesetzt werden. Innovationen können nicht nur technologiegetrieben sein, sondern auch durch eine grundlegende Neustrukturierung von Dienstleistungen, Marketing- und Vertriebsansätzen, Finanzierungsmodellen sowie in der Struktur und Kultur von Unternehmen entstehen. Dadurch wird es möglich, den Kundennutzen zu erhöhen (und damit höhere Preise bzw. Marktanteile durchzusetzen) oder aber Management und Leistungserstellung zu optimieren, also die Kosten zu senken. Auf diese Weise wird die Wettbewerbsfähigkeit erhöht und der Erfolg des Unternehmens gesichert.
Von Bedeutung ist die Unterscheidung verschiedener Typen der Innovation (Thom 1980, S. 32 ff.): Produktinnovationen wie teflonbeschichtete Pfannen oder DVD-Recorder mit integrierter Festplatte zum zeitversetzten Fernsehen bieten konkreten Kundennutzen. Gleiches gilt für Dienstleistungsinnovationen, beispielsweise das rund um die Uhr verfügbare Online- und Telefon-Banking. Dagegen fokussieren Prozessinnovationen wie die Einführung des Fließbands im Automobilbau oder die Ablösung chemischer Versuche durch computergestützte Simulationen (Bioinformatik) in der Pharmaindustrie auf die Produktion. Sie bleiben für die Abnehmer häufig unsichtbar und berühren stattdessen die Interessen von Arbeitnehmern und – aufgrund der notwendigen Investitionen und der erhofften Rendite – von Kapitalgebern. Schließlich macht es einen Unterschied, ob Innovationen schrittweise und kontinuierlich geschehen,...