2 Marketing, Verkauf und Honorare
Was nützt der schönste Text, wenn er am Ende nie gedruckt wird! Viele passionierte Schreiber stellen am Ende des langen schreiberischen Geburtsvorgangs fest, dass es erheblich mehr als nur ein Telefonat oder eine E-Mail braucht, um einen Artikel an den Mann zu bringen. Nicht nur die Qualität des Textes zählt, sondern auch die Fähigkeit, diese überzeugend zu verkaufen. Während festangestellte Redakteure sich wenig Gedanken um den Abnehmer machen müssen, gilt für freie und nebenberufliche Journalisten (und damit für fast alle Reisejournalisten) genauso wie für jeden anderen Verkäufer, der eigene Waren anbietet: Selbstmarketing ist essentiell!
Marktpositionierung – auch für Journalisten
Die meisten Anfänger machen sich erst einmal wenig Gedanken um Profil und Verkaufsstrategie. „Endlich den Artikel unterbringen“ lautet die kurzfristige Mission. Das ist verständlich und nicht einmal falsch: Je länger die Publikationsliste, desto leichter fällt es, neue Kunden zu gewinnen.
Parallel zu den ersten Gehversuchen auf dem journalistischen Parkett sollten Sie sich jedoch unbedingt Gedanken zur Marktpositionierung machen. Als was präsentiere ich mich? Was will ich verkaufen? Wo liegen meine Schwerpunkte? Nur wenn Sie mit einem eindeutigen Profil auftreten, bleiben Sie in Erinnerung. Inhaltliche und regionale Schwerpunkte helfen dabei. Haben Sie sich erst einen Namen gemacht, ist es nicht schwer, den Aktionsradius auszuweiten: Dem erprobten Fachmann für Lateinamerika kauft der Chefredakteur vielleicht auch einen USA-Text ab. Nicht weil das inhaltlich zwingend verbunden wäre, sondern weil er dessen Arbeiten bereits kennt und sich darauf verlassen kann, ein solides Produkt zu bekommen. Auch die Mehrfachverwertung von Texten wird bei ausreichender Spezialisierung einfacher.
Generalisten hingegen tun sich oft schwer, Texte zu verkaufen: Wie glaubwürdig ist es, einem Magazin gleichzeitig eine Dschungelreportage aus dem Herzen Borneos und einen Artikel über die wohltuenden Effekte der indianischen Steinmassage auf die Zellulitis anzubieten?
Der Versuch, ein Profil zu erarbeiten, sollte jedoch nicht in einer monothematischen Spezialisierung münden. Zu Deutsch: Machen Sie sich nie von einer einzigen Destination abhängig! Wer sich ausschließlich auf Sri Lanka spezialisiert, steht beim nächsten Zusammenstoß zwischen Regierungstruppen und tamilischen Rebellen vor leeren Auftragsbüchern. Empfehlenswert ist eine ausgewiesene Kernkompetenz (inhaltlicher oder geographischer Natur) in Kombination mit einigen anderen Fachgebieten beziehungsweise geographischen Schwerpunkten.
• Erstellen Sie ein Selbstprofil
Noch vor dem ersten Kontakt zu potentiellen Abnehmern in den Redaktionen sollten Sie sich eine kleine Liste erstellen und folgende Fragen beantworten:
• Welchen Themengebieten und Regionen möchte ich mich vorrangig widmen?
• Was qualifiziert mich dafür?
• Welche Punkte in meinem Lebenslauf belegen dies? (zum Beispiel Auslandsstudium, Sprachkenntnisse, persönliche Reiseerfahrung)
• Habe ich außergewöhnliche Fähigkeiten, Kenntnisse oder Hobbys? Lassen sich diese mit den journalistischen Tätigkeiten verknüpfen?
• Kann ich auf journalistische Erfahrung verweisen?
• Was unterscheidet mich von den Konkurrenten auf dem Markt? Was kann ich besser?
• Gibt es Marktlücken, die ich füllen kann?
• Habe ich stilistische Stärken? (zum Beispiel humoriger Stil, didaktische Texte, klassische Reportagen)
Gefällig formuliert und auf einige Zeilen zusammengestrichen ergeben die Antworten das Kurzprofil, das nicht nur bei schriftlichen Angeboten, sondern auch bei Telefongesprächen für einen hohen Wiedererkennungswert sorgt („Hans Müller, der Kuba-Müller, Sie wissen schon …“).
• Was zeichnet meine Zielgruppe aus?
Bei dieser Gelegenheit ist es auch Zeit, sich noch einmal Gedanken über die Zielgruppe zu machen. Für wen wollen Sie schreiben? Wie sieht der Leser aus, der Ihre Text liest? Wie alt ist er, wie viel Vorwissen bringt er mit? Für welche Zielgruppe möchten Sie keinesfalls schreiben? Richten Sie sich an jugendliche Leser mit dem entsprechend „hippen“ Vokabular? Oder eher an den älteren Intellektuellen mit solidem Allgemeinwissen?
Gut möglich, dass der potentielle Abnehmer in der Redaktion derartige Fragen stellt. Auch wenn sich die Zielgruppe nicht immer genau eingrenzen lässt, sollten Sie sich zu diesem Thema Gedanken gemacht haben. Nicht zuletzt, weil sich dadurch viel leichter potentielle Abnehmer identifizieren lassen.
Erst werben, dann schreiben
Stellt sich der Schreiber dem Verkaufsproblem erst, wenn der Artikel fertig auf dem Tisch liegt, hat er bereits den ersten kapitalen Fehler begangen: Für den Anfänger mag es sinnvoll sein, einige fertige Texte vorweisen zu können, in der Regel jedoch schreibt der Journalist seinen Artikel für eine ganz bestimmte Zeitschrift oder Zeitung. Und jedes Medium auf dem Markt zeichnet sich durch seinen eigenen Stil, eine ganz eigene Leserschaft aus. Bieten Sie fertige Texte an, laufen Sie daher immer Gefahr, an der klar umrissenen Zielgruppe vorbei zu schreiben. Wie ärgerlich, wenn der stundenlange Aufwand völlig umsonst war. Einfacher ist es, sich vorher telefonisch zu vergewissern, ob überhaupt, mit vielen Konjunktiven, vielleicht Interesse an diesem oder jenem Thema besteht. Es ist wie beim Schneidern: Sie können ein originelles Hemd nähen und jemanden suchen, dem es passt. Oder jemanden suchen, der ein Hemd braucht, und ihm eines auf den Leib schneidern. Letzteres ist im Journalismus meist sinnvoller.
Zur Vorbereitung der ersten Verkaufsgespräche sollten Sie sich daher mit den folgenden Fragen befassen:
• Wer bedient meine Zielgruppe?
Wenn manch ein Autor seine Texte immer wieder unveröffentlicht von den Redaktionen zurückerhält, muss dies nicht nur an der literarischen Qualität liegen: Wer einer Modezeitschrift für junge Frauen die knallharte Dschungel-Tour mit viel Schweiß und wöchentlichem Unterhosenwechsel anträgt, dem Sportmagazin eine Reportage über den Urlaub auf dem eigenen Balkon und die süße Lust des Nichtstuns, der kann so witzig oder gut schreiben, wie er will, gedruckt wird er seine Texte wahrscheinlich nie sehen. Der Zeitschriftenmarkt ist mittlerweile so spezialisiert, dass für fast jede gesellschaftliche Gruppierung eigens eine ganze Reihe von Medien aufgelegt wird. Und ganz zu Recht fordern Leser und Redakteure, dass die Texte auf das Zielpublikum zugeschnitten werden. Genauso wichtig: Schon beim ersten Kontakt mit dem potentiellen Abnehmer muss klar werden: Hier klopft ein Journalist an, der dieses Prinzip verstanden hat! Blinde Versuche nach dem Motto „mehr als nein sagen können die nicht“ sind zum Scheitern verurteilt und schaden dem Ruf.
Vor dem Angebot gilt es also Recherche zu betreiben. Welche Zeitschriften kommen für mich in Frage? Gibt es Themen, die ganz besonders gut zu einer bestimmten Publikation passen? Wer deckt meine Zielgruppe ab?
• Wer sind die potentiellen Abnehmer?
Für eine gründliche Vorbereitung ist es sinnvoll, eine bereits erschienene Ausgabe der anvisierten Magazine aufmerksam zu lesen (bei knapper Kasse sind die meisten auch in der Stadtbibliothek einsehbar) und einige vergleichbare Artikel zu analysieren. Wie sind sie aufgemacht? Was zeichnet den allgemeinen Stil aus? Damit ist nicht nur die sprachliche Gestaltung gemeint, sondern auch Layout, Informationsgehalt, Zielgruppe und Texttiefe.
Die meisten Redaktionen haben sich ganz bewusst für eine bestimmte Darstellung entschieden, die genau auf die Leserschaft abgestimmt ist. Das Gespräch mit Redakteuren zeigt: Immer wieder geben potentielle Autoren gleich im ersten Gespräch zu erkennen, dass sie die Publikation, für die sie gerne schreiben möchten, gar nicht kennen! Oder diese (und das ist genauso delikat) nicht mögen.
• Wie sieht der Markt aus? Wie viele potentielle Leser hat mein Text?
Schreiben Sie vorrangig über eine bestimmte Region oder einen Kulturraum? Dann besorgen Sie sich die aktuellen Fremdenverkehrsstatistiken:
• Wie viele Deutsche reisen jährlich dorthin?
• Handelt es sich um Geschäftsreisende oder Touristen?
• Wie und wo bewegen sich die Besucher im Lande?
• Wie sind die Ankünfte über die Monate verteilt?
• Gibt es einen positiven oder negativen Trend?
Derartige Zahlen sind meist im Internet auf den Seiten der jeweiligen Tourismusbehörden zu finden oder über das Fremdenverkehrsamt zu beziehen. Mit dem passenden statistischen Material lässt sich manch ein Redakteur überzeugen: Für ihn sind Reisende vor allem potentielle Leser. Niedrige Besucherzahlen sind kein Grund, nicht über eine Destination zu schreiben. Umgekehrt jedoch können Statistiken die eine oder andere Tür öffnen: So viele Touristen steuern jedes Jahr die Insel Ko Chang in Thailand an? Dann wird es Zeit, endlich darüber zu berichten.
Genauso wichtig wie die Touristenzahlen ist die jahreszeitliche Verteilung der Ankünfte. Es hat wenig Sinn, während der Hochsaison einen Text anzubieten: Bei Erscheinen ist die Hauptreisezeit vorbei und das Interesse der Leser eher gering. Besser ist es, den Text ganz bewusst für einen sinnvollen Veröffentlichungszeitraum vorzuschlagen und diese...