Teil 2
Das fotografische Handwerk
2.1Das Aufnahmeinstrument: Kamera und Objektiv
Viele denken, die Kamera sei das wichtigste Instrument des Fotografen. Sie haben insofern recht, als es ohne Kamera natürlich kein Bild gibt. Die Kamera ist die Verlängerung unseres Auges. Mit ihr können wir festhalten, was sich vor uns abspielt, oder auch was wir – extra fürs Foto – inszeniert und aufgebaut haben. Sie dient dem Festhalten des Augenblicks, macht aber alleine kein Bild und sollte deshalb nicht überbewertet werden. Mit anderen Worten: Die Kamera ist zwar wichtig, aber nicht das entscheidende Instrument. Oder nochmals anders formuliert: Ein schlechter Fotograf macht mit einer teuren Kamera noch keine besseren Bilder. Umgekehrt kann aber ein guter Fotograf auch mit einer billigen Kamera gute Bilder kreieren.
Gleichwohl wird sich ein Berufsfotograf für eine qualitativ hochwertige Kamera entscheiden, da er selten eine zweite Möglichkeit erhält und das Bestmögliche aus jeder Situation herausholen muss.
Was heißt hier »hochwertig«?
Lange Zeit hat das Format die tragende Rolle in Sachen Qualität gespielt: Je größer das Aufnahmeformat, desto besser die Qualität. Die Fotografen arbeiteten deshalb – mit Ausnahme der Bildjournalisten, die beweglich sein mussten – mit schweren und großen Fachkameras im Format 10 × 12,5cm bis zu 20 × 2 cm. Selbst Bildjournalisten fotografierten, wenn es die Umstände zuließen, mit Mittelformatkameras im Format 6 × 6 cm oder 6 × 7 cm, die eine wesentlich bessere Qualität liefern konnten als das Kleinbildformat mit 35-mm-Film (24 × 36 mm). Die Auflösung der analogen Filme betrug zwischen 40 und 60 Linienpaaren pro Millimeter, sodass ein größeres Format automatisch eine höhere Auflösung und damit eine bessere Qualität bedeutete.
Die Digitalisierung hat hier zu fundamentalen Veränderungen geführt. Sensoren in der Größe des früheren Großbildformats herzustellen, erwies sich als zu teuer, sodass man sich auf die kleineren Formate konzentrierte. Das heutige Großformat entspricht dem früheren Mittelformat und beträgt etwa 4,3 × 5,5 cm. Und das heutige Vollformat entspricht dem früheren Kleinbildformat von 24 × 36 mm. Dafür haben heutige Sensoren Auflösungen, die rund 5-mal höher sind als bei analogem Film, nämlich rund 300 Linienpaare pro Millimeter. So löst ein heutiger Vollformatchip von 24 × 36 mm mehr auf als ein früheres Großformat von 10 × 12,5 cm!
Der Schwachpunkt bilden momentan noch Objektive, die in ihrer Auflösung nicht an die der Chips heranreichen. Die allerbesten Objektive neuester Konstruktion kommen auf rund 120 Linien pro Millimeter, erreichen also nicht den Wert, den die Sensoren heutiger Kameras zur Verfügung stellen können. Dabei spielt es auch eine große Rolle, welches Bildformat ein Objektiv bedienen muss: Je größer das Bildformat, desto schwieriger die Konstruktion hochauflösender Objektive.
Alles in allem sind wir mit den kleineren Kameras heute bei einer Qualität angelangt, die für nahezu alle Zwecke vollkommen ausreichend ist. Die Fortschritte in der Entwicklung digitaler Kameras haben sich etwas verflacht, der Peak des Möglichen und Sinnvollen scheint langsam erreicht und Fortschritte sind in anderen Bereichen wie Filmaufnahmen, Schnelligkeit etc. noch wünsch- und machbar. Rein fotografisch machen heutige Vollformatkameras Bilder, die man sich nicht mehr besser vorstellen kann. Diese Kameras sind tatsächlich Hightech-Spielzeuge geworden, die aber auch beherrscht werden wollen.
Stellt sich noch die Frage nach Vollformat versus Mittelformat. Meines Erachtens kann diese Frage nicht mehr rein qualitativ beantwortet werden. Zwar haben Mittelformatkameras höhere Auflösungen im Bereich von 100 Megapixeln (MP), die man sich aber mit größerem Gewicht, weniger Lichtstärke und tieferen ISO-Höchstwerten erkauft. In meiner Praxis habe ich im Übrigen sehr selten eine höhere Auflösung als 24–30 MP gebraucht. Eine Doppelseite im A3-Format in einem Magazin braucht rund 24 MP und eine Bilddatei mit 30 MP lässt sich wunderbar auf Postergröße von 80 × 120 cm drucken, vorausgesetzt, wir verwenden die besten Objektive der neuesten Generation und machen beim Fotografieren keine unachtsamen Fehler, die zum Beispiel zu Unschärfe durch Verwacklung führen. Ich selbst habe nicht nur meine Großformatausrüstung, sondern kürzlich auch meine gesamte Mittelformatausrüstung verkauft und setze seit 2017 ganz auf das Vollformatsystem.
Persönlich bevorzuge ich das Nikon-System, jedoch sind auch die anderen Kamerasysteme von herausragender Qualität. Es sind vor allem das Handling der Kameras und die Philosophie von Nikon, die sich für mich als passend und gut erwiesen haben.
Meine Ausrüstung besteht aus:
- Nikon D850
- Nikon D5
- 14–24 mm, Blende 2,8
- 35 mm, Blende 1,4
- 58 mm, Blende 1,4
- 85 mm, Blende 1,4
- 85 mm TS, Blende 2,8
- 100 mm und 200-mm-Makro-Nikkore
- 70–200 mm, Blende 2,8
- 200 mm, Blende 2,0
- 300 mm, Blende 2,8
Die D5 ist dabei der SUV und die D850 der Sportwagen. Erstere lässt sich bei allen, auch schlechtesten Lichtverhältnissen einsetzen und liefert unter allen Bedingungen hervorragende Bildqualität. Sie kommt daher bei Reportagen und aus freier Hand zum Einsatz.
Die D850 ist die hochauflösende Kamera, die ich dann einsetze, wenn ich vom Stativ arbeiten kann, also bei Stills, Food-, Uhren- und Schmuckaufnahmen.
Wohl am meisten benutze ich die Festbrennweiten 35 mm, 58 mm und 85 mm mit der Lichtstärke 1,4 für Reportagen, da sie sehr lichtstark sind und Available-Light-Fotografie ermöglichen, dies zusammen mit den beiden Zooms 70–200 mm und 14–24 mm mit Lichtstärke 2,8.
Für Food-Aufnahmen und Stills kommt das 85-mm-TS zum Einsatz, bei Schmuck- und Uhrenaufnahmen sind es die beiden Makroobjektive. Das 200er ermöglicht mir dabei etwas mehr Abstand zum Objekt und erlaubt auch, bis zum 1:1-Maßststab heranzugehen.
Das 200 mm mit Lichtstärke 2,0 und das 300 mm mit 2,8 sind Spezialobjektive, die zum Einsatz kommen, wenn kleinstmögliche Schärfentiefe mit starkem Teleeffekt erzielt werden soll.
Spiegellos oder Spiegelreflex?
In den letzten Jahren haben sich spiegellose Kameras mit elektronischem Sucherbild mehr und mehr etabliert. Zurzeit mischen alle wichtigen Hersteller in diesem Bereich mit und entwickeln Kameras mit Funktionen, die bei Spiegelreflexkameras nicht oder nur schwer integrierbar wären. Dabei werden die anfänglich noch sehr »gewöhnungsbedürftigen«, weil künstlich anmutenden Sucherbilder immer besser und realistischer und lassen fast vergessen, dass es sich dabei nicht um optische Sucher handelt (z. B. bei den Nikon-Z-Modellen).
Ich fotografiere nach wie vor mit Spiegelreflexkameras und denke, dass die Spiegellosen ihren Platz finden werden, ohne die Spiegelreflexkameras komplett zu verdrängen. Mir persönlich gefällt es einfach, wenn das Bild, das ich im Sucher sehe, noch nicht durch Vorgaben verändert wurde und sich so in meinen kreativen Prozess einschaltet. Ich mag es also unverfälscht, sodass ich mir eigene Gedanken machen und meine Bildvorstellung unbeeinflusst entwickeln kann. So entsteht das Bild zunächst in mir und erst dann in der Kamera.
Zum Filmen sind die Spiegellosen aber erste Wahl. Mit ihnen ist die Handhabung etwa mit Gimbals viel einfacher wegen des geringeren Gewichts. Sie lassen auch Funktionen wie Zeitlupe zu, da kein Spiegel mehr hochgeklappt werden muss. Auch denke ich, dass die Gefahr von Verwacklung mit ihnen gebannt ist und deshalb mehr scharfe Aufnahmen gelingen. Nikon hat mit dem neuen Mount von 55 mm zudem für die Möglichkeit gesorgt, in Zukunft noch bessere und auch lichtstärkere Objektive herzustellen. Deshalb sprechen einige gute Gründe für die spiegellosen Kameras.
2.2Das Licht
Licht ist so etwas wie die Seele der Fotografie. Der Begriff »Fotografie« selbst bedeutet ja »Zeichnen mit Licht«. Die Wirkung von Licht ist deshalb essenziell in Fotografien, weshalb wir diesem Thema einen großen Abschnitt widmen.
Licht und Schatten modulieren unsere Umwelt und schaffen die Illusion der Dreidimensionalität in unseren zweidimensionalen Bildern. Dabei gehört übrigens Schatten genauso dazu, als Konterpart bringt er den Effekt der Beleuchtung erst zur Geltung. Jacques Nouvel, der berühmte Architekt, formulierte es einmal so: »J’aime la Lumière a cause de l’ombre.«
Licht bringt aber auch die Materialität und Struktur der Objekte zum Vorschein und lässt sie lebendig greifbar erscheinen.
Licht ist ferner wesentlich für die Bildung der Stimmung verantwortlich, wobei...