1. Bootshandhabung
1.1 Längsseits festmachen
1.2 Verwenden von Springleinen
1.3 Im Päckchen liegen
1.4 Römisch-katholisch anlegen
1.5 Achteraus manövrieren
1.6 Umgang mit Schleusen
1.7 Ankern leichtgemacht
1.8 Festmachen unter Segel
1.9 Ankern unter Segel und Motor
1.1 Längsseits festmachen
Auf einem Rundgang in einer Marina wird man feststellen, dass alle Boote verschieden festgemacht sind. Viele Segler haben einen Heidenrespekt vor dem Festmachen. Aber wenn man die Sache logisch durchdenkt, ist alles relativ klar und eindeutig.
Jeder Ausbilder wird in einem Lehrgang für Skipper reichlich Zeit auf das Manövrieren des Boots in einen Liegeplatz verwenden. Die Handhabung eines Boots auf einem Törn, die Führung der Mannschaft und das Sicherstellen, dass immer genug Wasser unter dem Kiel bleibt, sind ohne Zweifel wichtige Fähigkeiten. Aber am meisten beschäftigt Anfänger die Frage: „Und was mache ich, wenn ich am Ziel bin?“
Ich habe mit Simon Slade eine Woche an Bord einer gecharterten Hallberg-Rassy 36 verbracht, um ihm Skipper-Fähigkeiten zu vermitteln. Simon hatte keine Probleme, in einen Liegeplatz zu manövrieren. Jetzt ging es aber darum, was mit den Leinen anzufangen ist. Bei einem Rundgang im Hafen haben wir uns angeschaut, wie andere es machen. Es war keine Überraschung, dass alle Boote verschieden festgemacht waren und zum Losmachen der Leinen äußerst kreativ vorgegangen werden musste.
Bisher war Simon immer mit Freunden beim Segeln gewesen und seine Erfahrungen spiegelten das Chaos wider, das wir gesehen hatten. Also gingen wir die Sache von Grund auf an. Ich war einmal Schiffsoffizier auf einem Küstenhandelsschiff gewesen. Auf diesem Schiff waren die Abläufe genauso wie auf anderen Handelsschiffen und nicht zuletzt wie auf den meisten Yachten in professioneller Hand. Die Methoden sind daher natürlich auch von uns anwendbar.
Die Vorgehensweise beim längsseits Festmachen
So läuft ein Boot mit voller Mannschaftsstärke längsseits einen herkömmlichen Liegeplatz an:
Beim Ansteuern des Bootsstegs werden die Fender angebracht. Vier Leinen werden vorbereitet, indem die Enden, die an Land festgemacht werden sollen, durch die Klüse oder die Reling geführt werden. Der Tampen muss so lang sein, wie zum Festmachen voraussichtlich benötigt wird; plus einer Reserve von 50 %. Bei den Springleinen besteht keine Eile. Sie können meist warten. Die beiden Mannschaftsmitglieder, die Vor- und Achterleine an Land bringen, schießen jetzt die Leinen auf und begeben sich an die Wanten, um an Land zu springen, sobald das Boot längsseits kommt. Das Ende der Vorleine wird an einem Poller, einer Klampe oder einem Ring an Land festgemacht. Anschließend wird die Leine an Bord dichtgeholt. Das gleiche passiert am Heck. Zwei Springleinen werden auf die gleiche Weise an eigenen Klampen festgemacht. Fertig!
Und wenn ich nicht genug Klampen habe?
Das ist schon einmal der erste Haken in meinem idealen Szenario. In dieser vertrackten Situation waren Simon und ich auf unserer Hallberg-Rassy. Offen gesagt war ich darüber ziemlich erstaunt, da eine Hallberg-Rassy ein absolut seegängiges Schiff ist. Die Yacht hatte aber zu meiner Überraschung nicht einmal Klüsen. Stattdessen wartete sie gerade mal mit vier großen Klampen auf, eine an jeder Ecke. Zusätzlich befanden sich noch zwei etwa mittschiffs. Bug- und Heckleine waren problemlos zu belegen. Aber wohin mit den Springleinen?
Ohne Zweifel hat man bei Hallberg-Rassy die robuste Mittschiffsklampe zum Festmachen vorgesehen. Aber dann hätte man zwei Leinen daran festmachen müssen. Das kam überhaupt nicht in Frage, denn wie es der Teufel will, ist die Leine, die man fieren oder dichtholen will, immer die untere. In einem ruhigen Hafen ist das nicht unbedingt ein Problem. Aber an einer normalen Kaimauer sehr wohl. Außerdem zieht eine Achterspringleine das Heck zum Steg. Eine Vorspringleine bewirkt das gleiche am Bug: eine ausgewogene Konstellation. Eine Springleine mittschiffs hat wesentlich weniger Wirkung. Sie verhindert lediglich Hin- und Herbewegungen an einem Liegeplatz, der so klein ist, dass Vor- und Achterleinen nichts bewirken. Das ist aber auch schon alles. Simon hatte die geniale Idee, die Belegklampen als Klüsen zu verwenden und die Springleinen zu den freien Belegklampen an der anderen Seite zu führen. Das funktionierte eigentlich ganz gut. Ich war von dem Provisorium nicht gerade begeistert, aber es war die einzige Lösung und an der Yacht herrschte zumindest kein totaler Leinenverhau.
Freie Winschen können häufig für Festmacherleinen missbraucht werden, aber die fehlenden Klüsen auf unserem Boot verhinderten auch das. Manchmal kann eine Achterleine vom Steg zum seeseitigen Heck geführt werden. Aber der Heckspiegel bot bei der Hallberg-Rassy aufgrund der zahlreichen Anbauten keinen Platz. Was soll´s! Wir taten unser Möglichstes und waren damit zufrieden.
Die Verwendung von Belegklampen als Klüsen war das geringere von zwei Übeln.
Was ist eine Bucht?
Die Bucht einer Leine ist der Teil zwischen den beiden Enden. Oft hat sie die Form einer Kurve oder Schlinge. Unter Festmachen der Bucht versteht man das Belegen in der Mitte der Leine.
Klüse
Öffnung in der Decksleiste zur Leinenführung.
WIE WERDEN SCHIFFE UND GROSSE YACHTEN LÄNGSSEITS FESTGEMACHT?
Die einfachste Lösung ist immer die beste:
• Eine Leine, eine Funktion.
• Eine Leine, eine Klampe.
• Enden an Land.
• Leine dichtholen und an Bord festmachen.
• Aufschießen an Deck.
Und das war´s! Selbst bei idealen Bedingungen (Liegeplatz in einem Hafen ohne Strömung oder Wind) müssen bei einem größeren Schiff alle Leinen einzeln zugänglich sein, damit die Mannschaft die Länge individuell anpassen kann. Wenn die Leinen mit dem Ende an Bord beginnen, um eine Klampe an Land gelegt und anschließend als Springleinen wieder zurück an Bord oder sogar zur ursprünglichen Klampe in Form einer doppelten Belegung geführt werden, ist das Boot unmittelbar gefährdet. Wenn die Mannschaft beispielsweise die Vorleine losmachen will, muss sie hierfür zunächst die Springleine losmachen. Dadurch kann sich das Boot in eine unerwünschte Richtung bewegen, der Bug abfallen o. ä. Die Verwendung einer Leine für zwei oder mehr Aufgaben macht eine einfache Arbeit zu einem Alptraum.
Als ich Simon das einfache Prinzip „Eine Leine – eine Funktion“ erklärte, verstand er es sofort, stellte aber konsequenterweise die Frage:
„Warum wird das dann bei jedem Boot anders gemacht?“ Offen gesagt: Ich weiß es nicht. Es gibt nun mal keine einfachere und sicherere Lösung. Und noch dazu geht es letztendlich erheblich schneller.
LÄNGSSEITS FESTMACHEN MIT ZWEI MANN AN DECK
Der Grundsatz „Eine Leine – eine Funktion“ ist mit ein paar Anpassungen auch bei einer kleinen Mannschaft einfach umzusetzen. So gingen Simon und ich vor: Simon übernimmt das Ruder. Ich bereite Leinen und Fender vor. Die Länge der Vorleine wird wie üblich abgemessen. Ich belege aber das Ende an Bord, so dass ich sie vorübergehend von Land aus festmachen kann. Wir führen die Achterleine genauso wie bei voller Mannschaftsstärke. Simon kümmert sich um die Achterleine und hält sich bereit, mir diese zu übergeben.
Simon legt an und ich springe mit der Vorleine an Land.
Simon stoppt auf. Ich hole die Vorleine dicht und belege die Bucht an Land. Der Bug ist jetzt festgemacht.
Als nächstes begebe ich mich zum Heck und Simon übergibt mir die Achterleine.
Ich mache das Ende an Land fest. Simon holt die Leine an Bord dicht und macht die Bucht fest. Die Springleinen werden wie üblich festgemacht.
Schließlich bringen wir noch die Vorleine in Ordnung. Simon bleibt an Bord und ich kümmere mich um die Klampe an Land. Ich mache die Bucht los und belege rasch das Ende, während Simon die Leine dichtholt und festmacht. Wenn ein starker ablandiger Wind weht, empfiehlt sich eine zusätzliche Leine, bevor die provisorisch festgemachte gelöst wird.
LÄNGSSEITS FESTMACHEN AN PFÄHLEN
Nach dem Manöver an einem Liegeplatz in der Marina mussten wir noch an einer Kaimauer für die Berufsschifffahrt anlegen. Es handelte sich um ein Tidenbecken und an der Mauer befanden sich hässliche Stahlpfähle. Wir konnten uns keinen Fehler leisten und unser Boot sollte auch später nicht im Kielwasser der Schlepper hin- und hergeworfen werden. So gingen wir vor:
1 Wir suchten uns eine passende Stelle aus und liefen diese an.
2 Fender wurden seitlich an Bug und Heck mit einer Leine an beiden Enden sicher befestigt, um den Rumpf zu schützen, wenn wir am Pfahl unserer Wahl...