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E-Book

Psychopathinnen

Die Psychologie des weiblichen Bösen

AutorLydia Benecke
VerlagVerlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl430 Seiten
ISBN9783732549658
Altersgruppe16 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR

Frauen sind wehrlos, sie leiden, sie dulden, sie verzeihen. Doch wenn die Psychopathie in ihrer Seele sich Bahn bricht, töten sie ebenso grausam und skrupellos wie Männer. Lydia Benecke analysiert neueste Forschungsergebnisse zum Thema weibliche Psychopathie und zeigt an aktuellen und historischen Fällen, wie sich Psychopathinnen die Rollenklischees von Frauen zunutze machen. Denn Frauen planen ihre Verbrechen nicht nur eiskalt, sie bleiben auch länger unentdeckt. Besonders gruselig: Die Taten von Psychopathinnen richten sich besonders häufig gegen die eigene Familie ...



<p><strong>Lydia Benecke</strong>arbeitet als selbstständige Psychologin und als Therapeutin, unter anderem in einer Sozialtherapeutischen Einrichtung des Strafvollzugs mit schweren Straftätern. Sie hält regelmäßig Fortbildungen und Vorträge für ein breites Publikum. Mit<strong>AUF DÜNNEM EIS</strong>,<strong>SADISTEN</strong>und<strong>PSYCHOPATHINNEN</strong>sowie als Co-Autorin von<strong>AUS DER DUNKELKAMMER DES BÖSEN</strong> hat sie bereits mehrere Bestseller geschrieben. Mehr über sie unter www.lydiabenecke.de</p>

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Leseprobe

Siehe, ich habe gestern bei meinem Vater gelegen


Mein Dad sagte,

wenn ich es jemandem erzählen würde,

würde mich jeder hassen.

Elizabeth Diane Downs

Diane ist zwölf Jahre alt, als ihre Mutter wieder eine Berufstätigkeit annimmt. Das jüngste Kind, Paul, ist vier. Wes hat Willadene eine Stelle bei der Post besorgt. Um sich weiter um den Haushalt und die Kinder kümmern zu können, arbeitet sie häufiger in der Spätschicht, wodurch sie nachts nicht zu Hause ist. Dann übernimmt Wes allein die Aufsicht der Kinder. Wes beginnt in dieser Zeit, sich Diane gegenüber anders zu verhalten. Wenn Willadene nicht da ist, ist Wes freundlicher zu seiner Tochter, sucht ihre Nähe. Er scheint sich zum ersten Mal für sie zu interessieren, redet von sich aus mit ihr. Abends setzt er sich neben ihr Bett und beginnt, sie zu streicheln. Zunächst glaubt Diane, es sei die Zuwendung, welche sie sich all die Jahre über gewünscht hätte. Doch es bleibt nicht bei väterlicher Nähe. Wes beginnt, seine Tochter in seine Vorstellungen von Sexualität einzuführen. Sie versteht nicht, was er da tut. Wie aus einem angenehmen Gefühl ein unangenehmes wird. Angenehm und unangenehm, alles gleichzeitig. Einerseits hat sie schon vor dem Missbrauch Verachtung für ihn empfunden. Andererseits aber hat sie sich all die Jahre nach elterlicher Zuneigung gesehnt. Sie ekelt sich vor dem, was Wes mit ihr tut. Doch weil er ihr Vater ist, liebt sie ihn trotzdem. Später sagt sie darüber: »Er zwang mich zu früh, erwachsen zu werden. Ich begreife heute, dass es sehr viel ernster war, als ich es damals verstanden habe. Damals habe ich Sex nicht verstanden.«

Wenn Väter auch Täter sind

Den Tagvater habe ich geliebt,

den Nachtvater gehasst.

Aussage eines Missbrauchsopfers

Viele Eltern haben Angst davor, ihr Kind könne von einem fremden Mann sexuell missbraucht werden. Vorstellungen von einem Mann, der sich Kindern mit Süßigkeiten nähert und sie an abgelegene Orte lockt, sind bis heute weit verbreitet. Dabei verkennen die meisten Menschen, dass die überwiegende Mehrzahl sexueller Missbrauchshandlungen an Kindern nicht von Fremden begangen wird, sondern von Menschen, die den Opfern bekannt sind und häufig sogar nahestehen. Dies ist nicht die einzige Fehlannahme in der Bevölkerung bezüglich des Phänomens des sexuellen Kindesmissbrauchs. Unter sexuellem Kindesmissbrauch werden alle Arten sexueller Handlungen an oder mit einem Kind verstanden. Hierzu zählt nicht nur, wenn der Täter das Kind intim berührt oder sich selbst von dem Kind intim berühren lässt, sondern auch, wenn er das Kind auffordert, sexuelle Handlungen an sich selbst vorzunehmen. Sehr weit verbreitet ist die Annahme, dass alle Kindesmissbrauchstäter pädophil seien und alle pädophilen Menschen automatisch auch Kinder missbrauchen würden. Beide Teilaspekte dieser Annahme sind falsch.

Es gibt eine unbekannte Anzahl von Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen und niemals Missbrauchstaten begehen. Entsprechende Betroffene äußern, ihnen sei bewusst, dass die Umsetzung ihrer Fantasie ein Kind schädigen und eine strafbare Handlung darstellen würde. Da sie weder ein Kind schädigen noch eine Straftat begehen wollen, leben sie ihre entsprechende sexuelle Neigung nur in ihrer Vorstellung aus und kontrollieren sich im alltäglichen Verhalten. Um solche Menschen dabei zu unterstützen, trotz ihrer Neigung dauerhaft ein straffreies Leben führen zu können, gibt es in Deutschland seit 2005 das Projekt »Kein Täter werden«. Manche der Betroffenen sind in ihrem sexuellen Interesse ausschließlich auf Kinder ausgerichtet, andere fühlen sich sowohl zu Kindern als auch zu Erwachsenen sexuell hingezogen. Bei der Neigung der ersten Gruppe spricht man von »Kernpädophilie«, bei der zweiten von einer »pädophilen Nebenströmung«.

Im Unterschied zu diesen nicht missbrauchenden, pädophil empfindenden Menschen gibt es auch solche, die ihre entsprechenden sexuellen Fantasien als Handlungsgrundlage benutzen und Kinder tatsächlich sexuell missbrauchen. Die durch ihre pädophile Neigung motivierten Täter machen weniger als die Hälfte aller Missbrauchstäter aus. Hierbei sind sowohl die Kernpädophilen als auch die Täter mit einer pädophilen Nebenströmung eingerechnet. Es sind also bei Weitem nicht die meisten Missbrauchstäter von einem grundsätzlichen sexuellen Interesse an Kindern angetrieben, und nicht alle Menschen mit entsprechender Neigung werden jemals zu Tätern.

Mehr als die Hälfte aller Kindesmissbrauchstaten wird von Menschen begangen, deren sexuelles Interesse eigentlich Erwachsenen gilt. Häufig erleben diese Täter Frustrationen in Beziehungen mit Erwachsenen, können Konflikte nicht angemessen thematisieren und konstruktiv lösen. Einige scheitern auch daran, überhaupt einen erwachsenen Partner für eine romantische und sexuelle Beziehung zu finden. Diese Täter missbrauchen Kinder im Sinne einer sogenannten Ersatzhandlung. Eigentlich würden sie gerne Nähe und sexuelle Befriedigung mit einem erwachsenen Partner erleben. Doch der Mangel an einem geeigneten Partner oder ständig schwelende Konflikte und Stresssituationen erzeugen bei solchen Tätern latente Unzufriedenheit. In dieser Situation beginnen sie – typischerweise für sie selbst überraschend – ein sexuelles Interesse an einem in ihrer Nähe befindlichen Kind oder Jugendlichen zu entwickeln.

Häufig, aber nicht immer, ist der Täter in derartigen Konstellationen der Stiefvater oder biologische Vater des Opfers. Ersatzhandlungstäter neigen dazu, in ihrer Wahrnehmung das Opfer auf ihre Entwicklungsstufe zu heben. Sie sagen zu sich selbst beispielsweise, das Opfer sei »schon eine kleine Frau« und »weiter als andere in diesem Alter«. Hiermit versuchen sie sich selbst unbewusst darüber hinwegzutäuschen, was sie eigentlich tun, wenn sie das Kind missbrauchen. Häufig berichten solche Täter, dass ihr minderjähriges Opfer ihnen die bedingungslose Liebe und Zuneigung geschenkt habe, welche sie sich eigentlich von einer erwachsenen Partnerin gewünscht hätten, aber mit einer solchen nicht herzustellen in der Lage waren. Manche dieser Täter nehmen entsprechend auch eine aus ihrer Perspektive vermeintlich bestehende, romantische Liebesbeziehung mit ihrem Opfer wahr. Sie verkennen dabei das völlig asymmetrische Machtgefälle in der Situation und auch den Schaden, den sie in der Psyche ihres Opfers anrichten.

Diese Täter verwechseln die Liebe eines Kindes zu seiner Bezugsperson mit ihrer eigenen, erwachsenen Vorstellung von romantischer Liebe und/oder sexuellem Interesse. Sie drängen ihre Bedürfnisse dem minderjährigen Opfer auf, das natürlich seine Bezugsperson nicht enttäuschen oder verlieren will und daher tut, was diese verlangt. Das wiederum interpretiert der Täter in seinem Sinne als Zustimmung des Opfers und sogar als Eigeninteresse. Dass der Täter die emotionale Bindung des Kindes instrumentalisiert, um durchzusetzen, was er für seine Bedürfnisbefriedigung will, leugnet er häufig lange vor sich selbst. Die Opfer in solchen Konstellationen schweigen oft über den Missbrauch, weil sie Angst davor haben, ihre missbrauchende Bezugsperson zu verlieren und ihre Familie durch die Thematisierung des Missbrauchs zu zerstören. Denn trotz allem lieben sie ihre missbrauchende Bezugsperson und ihre Familie.

Diane Downs wurde offenbar Opfer genau solch einer Missbrauchskonstellation. Ihre Schilderungen der Missbrauchserlebnisse und ihrer Reaktionen darauf wirken sehr authentisch. Auch der Beginn des Missbrauchs kurz nach Einsetzen ihrer Pubertät macht in diesem Kontext Sinn. Viele Ersatzhandlungstäter, die gleichzeitig Väter ihrer Opfer sind, beginnen mit dem Missbrauch, kurz nachdem sie bei ihrer Tochter durch die Pubertät bewirkte, erste körperliche Veränderungen feststellen. Da sie eigentlich unbewusst nach einem Ersatz für eine erwachsene Frau suchen, können sie sich durch die wahrgenommenen Körperveränderungen eher einreden, das Mädchen sei ja bereits »fast« eine Frau. Dianes Vater ist zur Zeit des Missbrauchs ein herrschsüchtiger, sexuell sehr aktiver Mann. Seine Ehefrau, die er jung heiratete, hat durch die zahlreichen Geburten und den allgemeinen Familienstress in seinen Augen kontinuierlich an Attraktivität verloren. Parallel hierzu wird ihm die körperliche Veränderung seiner Tochter bewusst, die er als erregend wahrzunehmen beginnt.

Die abendliche Berufstätigkeit seiner Frau bietet ihm schließlich die optimale Gelegenheit zur Umsetzung seiner sexuellen Bedürfnisse an seiner Tochter. Er bringt ihr vorübergehend mehr Aufmerksamkeit, Zuwendung und Freundlichkeit als je zuvor entgegen, doch nur, um an sein Ziel der sexuellen Befriedigung zu gelangen. Hierdurch prägt er Diane auf eine extrem negative Weise, die den Rest ihres Lebens beeinflussen wird. Er bringt ihr bei, sich nur liebenswert zu fühlen, wenn sie einem Mann sexuelle Befriedigung verschafft. Er bringt ihr bei, dass geliebt zu werden gleichbedeutend ist mit verletzt zu werden und dass die konservativen, christlichen Werte, die er zu leben vorgibt, nichts als eine Fassade sind. Während sie den Missbrauch erlebt, kann sie noch nicht ansatzweise begreifen, was ihr Vater mit ihr tut. Auch wie sehr sich ihre Persönlichkeit durch diese Erfahrung für den Rest ihres Lebens verändern wird, kann sie zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen.

Diane kann dem, was Wes ihr antut, nicht entgehen. Er ist die unantastbare Autorität im Haus. Ihre Mutter würde ihr nicht glauben. Selbst wenn doch, so hat Willadene ihren Mann immer über ihre Kinder und alles andere gestellt. Sie würde Diane niemals vor ihm beschützen. Die einzige andere erwachsene Bezugsperson ist ihre...

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