Die Gesellschafter einer AG, unabhängig davon, ob es sich um private oder staatliche Anteilseigner handelt, üben ihre Rechte in der Hauptversammlung aus (§ 118 Abs. 1 AktG). Bei den staatlichen Eignern vertritt der erste Bürgermeister die Gemeinde in der Hauptversammlung der AG. Er kann aber auch laut der Gemeindordnungen der Länder einen Beamten oder Angestellten der Gemeinde mit seiner Vertretung beauftragen (z.B. § 4 Abs. 1 GO Baden-Württemberg). Ist die öffentliche Hand im Alleinbesitz der AG, so wird sie als Ein-Mann-Gesellschaft eine Hauptversammlung haben, die in der Regel aus nur einem Hauptversammlungsvertreter des öffentlichen Eigners besteht.[38] Als unumstritten gilt, dass die gewählten Vertreter der Bürgerschaft ein Weisungsrecht gegenüber ihren Vertretern in der Hauptversammlung besitzen.[39] Die jeweilige Gebietskörperschaft ist nämlich als juristische Person Gesellschafterin der AG und verwendet, um ihre Rechte ausüben zu können, von ihr bestimmte Vertreter, da sie als solche nicht handlungsfähig ist.[40]
Es stellt sich die Frage, ob auch gegenüber den entsandten oder gewählten Mitgliedern des Aufsichtsrates Weisungen zulässig sind. Besonders bei Public Private Partnerships ist es wichtig, dass die beteiligte Gebietskörperschaft über den Aufsichtsrat die Geschäftsleitung genügend überwachen kann. Zunächst ist festzuhalten, dass ein Aufsichtsrat für Aktiengesellschaften nach § 95 ff AktG zwingend erforderlich ist. Die Vertreter der Gebietskörperschaft im Aufsichtsrat werden gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AktG von der Hauptversammlung gewählt. Der öffentlichen Seite kann aber auch ein Entsenderecht eingeräumt werden, wobei dies für höchstens ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder der Inhaberseite möglich ist (§ 101 Abs. 2 AktG). In der Regel wählt der Gemeinderat seine Mitglieder für den Aufsichtsrat, und diese werden dann entweder der Hauptversammlung zur Wahl vorgeschlagen oder von der Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat entsandt.[41] Die Positionen werden häufig durch Bürgermeister, Gemeinderatsmitglieder und Kommunalbedienstete besetzt.[42]
Das Aktiengesetz enthält keine explizite Regelung darüber, ob die Vertreter der Gebietskörperschaft ihren Aufsichtsratsmitgliedern Weisungen erteilen können oder nicht. Der Bundesgerichtshof vertritt den Grundsatz vom Vorrang des Gesellschaftsrechts, wonach das Bundesgesellschaftsrecht nach Art. 3 GG einen grundsätzlichen Vorrang gegenüber dem Landesrecht besitzt.[43] Danach ist ein Aufsichtsratsmitglied nur an die Weisungen des Gemeinderates gebunden, wenn und soweit sie nicht mit den gesellschaftsrechtlichen Regelungen kollidieren.[44] Der Vorrang des Gesellschaftsrechts wird damit begründet, dass sich die öffentliche Hand auf eine Stufe mit Privatpersonen begibt, wenn sie sich privater Rechtsformen bedient. Somit muss sie dann auch die spezifischen Bedingungen akzeptieren, die hier gelten und denen auch Privatleute bei der Wahl dieser Rechtsform unterliegen.[45] Wenn die öffentliche Seite ihren Aufsichtsratsmitgliedern Weisungen erteilen darf, ist sie besser gestellt als die übrigen Aktionäre.[46] Da das Unternehmen aber einen öffentlichen Zweck verfolgen soll, ist die Gleichstellung der öffentlichen und privaten Anteilseigner zu hinterfragen. Siekmann sieht den Vorrang des Gesellschaftsrechts als sehr kritisch an. Er begründet dies damit, dass auch privatrechtlich organisierte Unternehmen der öffentlichen Hand öffentliche Aufgaben erfüllen und daher die Normen des öffentlichen Rechts für die mittelbare Verwaltung beachten müssen.[47] Folglich müsste die Gebietskörperschaft Einfluss auf die Überwachungstätigkeit ihrer Entsandten nehmen können, um so ihrer Verpflichtung zur Kontrolle nachkommen zu können.
Es wird auch die persönliche Haftung als Begründung für die Unzulässigkeit von Weisungen gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern angeführt.[48] Nach dem Aktiengesetz gilt, dass jedes Aufsichtsratsmitglied Inhaber eines ungebundenen, höchstpersönlichen Mandats ist und dass es nur dem Gesellschaftsinteresse verpflichtet ist[49]. Sonstige Interessen, und somit auch solche, die nur der Gebietskörperschaft nutzen, sind zurückzustellen[50]. Die Autoren May und Weiblen kommen daher zu der Auffassung, dass die öffentliche Hand nur auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrates einwirken kann, mehr Einflussmöglichkeiten auf den Aufsichtsrat hat sie nach dem Aktiengesetz nicht.[51] Auch Mahlberg schließt ein Weisungsrecht aus: „Grundsätzlich ist kein von der Gemeinde bestelltes Aufsichtsratsmitglied nach dem Aktienrecht verpflichtet, Weisungen der Gemeinde zu befolgen“.[52] Allerdings sind bei der genannten Begründung die Unterschiede zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern der öffentlichen Hand und den Aufsichtsratsmitgliedern der privaten Eignerseite bezüglich der Haftung zu berücksichtigen. Der Leistungsanreiz für ein engagiertes, eigenverantwortliches Handeln wird bei den privaten Aufsichtsratsmitgliedern durch die Androhung der persönlichen Haftung gegeben (§ 116 Satz 1 i.V.m. § 117 AktG), die im Übrigen auch für den Vorstand gemäß § 93 Abs.2 AktG gilt.[53] Dies trifft für die Aufsichtsratsmitglieder der öffentlichen Seite nicht zu, denn in den Gemeindeordnungen ist eine Freistellung von der Haftung vorgesehen (z.B. Art. 93 Abs. 3 GO Bayern oder § 113 Abs. 6 GO Nordrhein-Westfalen). Nur bei Vorsatz oder grob fahrlässiger Schädigung müssen sie persönlich haften. Beamte sind gemäß § 78 des Bundesbeamtengesetzes auch von einer persönlichen Haftung befreit.[54] Da der öffentliche Anteilseigner die Haftung übernimmt, muss er Vorkehrungen treffen, um Haftungsfälle möglichst zu vermeiden.[55] Dies wird mittels einer Beteiligungsverwaltung zu erreichen versucht. Es besteht eine Verpflichtung zur Einrichtung einer solchen Verwaltung[56]. Deren Aufgabe ist, die Aufsichtsratsmitglieder bei ihrer Kontrolltätigkeit zu unterstützen[57].
Der Autor Schön berücksichtigt bei der Frage der Zulässigkeit von Weisungsrechten den Ermessensspielraum, der den Mitgliedern bei Entscheidungen im Aufsichtsrat zusteht.[58] Für den Fall, dass kein Ermessensspielraum vorliegt, haben die entsandten Aufsichtsratsmitglieder die zuvor in der Gebietskörperschaft getroffene Meinung umzusetzen. Wenn allerdings eine Entscheidung zu treffen ist, die einen gewissen Spielraum offen lässt, dann soll die Beteiligungsverwaltung nur die notwendigen Informationen aufbereiten und Empfehlungen und Hinweise geben[59], ansonsten kann das Mitglied seine eigene Auffassung durchsetzen[60]. Diese Empfehlungen und Hinweise sollen zulässig sein, da das Aufsichtsratsmitglied nicht von der Verpflichtung entbunden wird, sie eigenverantwortlich zu überprüfen.[61] Wenn ein Aufsichtsratsmitglied bei Entscheidungen ohne Ermessensspielraum eine andere Meinung vertritt als die zuvor in der Gebietskörperschaft festgelegte, muss es dies zuvor bekannt geben[62]. Der Gemeinderat kann bei einem entsandten Aufsichtsratsmitglied entscheiden, ob er es abbestellen möchte oder nicht. Ein entsandtes Aufsichtsratsmitglied kann nach § 103 Abs. 2 AktG jederzeit von dem Entsendungsberechtigten abberufen werden. Schön betont zwar, dass durch die Möglichkeit der Abberufung die gesellschaftsrechtliche Unabhängigkeit gefährdet sei, kommt aber dennoch zu dem Schluss, dass es sich um ein zulässiges Verhalten handelt, da der Gesetzgeber gerade wegen der dadurch entstehenden Einflussmöglichkeit der öffentlichen Hand Entsenderechte vorgesehen hat.[63]
Möller hingegen vertritt die Auffassung, dass es nicht erlaubt ist, ein Mitglied abzubestellen, wenn damit der gesellschaftsrechtliche Grundsatz der Weisungsfreiheit umgangen werden soll.[64] Die Vertreter der Gebietskörperschaft können nicht mit Abberufung drohen, wenn ihr Aufsichtsratsmitglied einer Weisung nicht nachkommen möchte.[65] Außerdem behauptet er, dass sich die Aufsichtsratsmitglieder gegen ungefragte Hinweise und Empfehlungen des Beteiligungsmanagements mit einer Unterlassungsklage wehren können.[66]
Sogar für den Fall, dass es sich um Aktiengesellschaften im alleinigen Besitz einer Gebietskörperschaft handelt, finden sich unterschiedliche Auffassungen über die Berechtigung von Weisungen. Das Argument, dass aussenstehende Aktionäre nicht schlechter gestellt sein sollen als jene, die Weisungen erteilen können, kann hier nicht mehr angeführt werden. Es ist kein Privataktionär vorhanden und es gibt kein Unternehmensinteresse, das autonom ist und sich von dem des öffentlichen Gesellschafters unterscheidet.[67] Diese Ansicht wird aber beispielsweise von dem Autor Gersdorf nicht geteilt.[68] Insgesamt kann festgehalten werden, dass aufgrund des...