Beratung ist eine helfende Interaktion, die täglich in vielen Situationen von Laien durchgeführt wird. Professionelle BeraterInnen mit entsprechender (Zusatz-) Ausbildung kommen dann als „dritte Kraft“ zum Einsatz, wenn diese Unterstützung durch das direkte soziale Umfeld zur Problembewältigung nicht mehr ausreicht bzw. nicht verfügbar ist, die Hilfesysteme des Sozialsystems (noch) nicht aktiv sind bzw. ebenfalls nicht genügend Unterstützung bieten oder die Beratung durch eine Institution angeordnet wird (PflichtklientInnenschaft). Ziel professioneller Beratung ist es, sowohl präventiv als auch kurativ und rehabilitativ den Ratsuchenden Unterstützung zur kognitiven, emotionalen und handelnden Lösung und Bewältigung lebenspraktischer Fragen, psychosozialer Konflikte und Krisen anzubieten.
Professionelle Beratung kann weiter differenziert werden mit Hilfe der Unterscheidungskriterien:
Beratung erster und zweiter Ordnung,
erwartende und aufsuchende Beratung,
Formalisierungsstufe (informell, halbformalisiert, formalisiert).
Des Weiteren gibt es unterschiedliche Definitionen der in der Beratung tätigen Berufsgruppen.
In vielen Situationen der täglichen sozialen Interaktion wird beraten: Familienmitglieder, FreundInnen, KollegInnen unterstützen sich gegenseitig bei der Bewältigung von Problemen und Schwierigkeiten im Alltag, bei wichtigen Entscheidungen und in Konflikten. Für manche Menschen haben auch Berufsgruppen wie Gastwirte, Taxifahrer, Frisöre, Seelsorger u.ä. in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung. Das direkte soziale Umfeld ist für Ratsuchende in der Regel die erste Anlaufstelle, wenn Probleme auftauchen. Diese Alltagsberatung oder Laienberatung ist in vielen Fällen äußerst hilfreich und führt zu einer Bewältigung der Schwierigkeiten. Die Beratung muss dabei nicht ausschließlich in direkter Interaktion erfolgen – auch Beiträge in den Medien können zur Alltagsberatung gezählt werden.
Allerdings hat diese Form der Beratung auch ihre Grenzen.
„Oftmals geht man im Alltagsverständnis von einem verkürzten und rationalistischen Beratungsbegriff aus. Beratung ist demnach ein einmaliger auf eine bestimmte Situation bezogener „Ratschlag“, der unabhängig von Gesamtzusammenhang und den unbekannten Hintergründen als „vernünftig“ empfunden wird und ohne Probleme befolgt werden kann. Dieses Beratungsverständnis ist einfach naiv. Als wenn das Erkennen und Befolgen „richtiger“ Hinweise für Problembewältigung so einfach wäre. Leider haben wir es in den meisten Beratungsfällen mit tiefer gehenden Schwierigkeiten zu tun, die überhaupt erst nach einer vertrauensvollen und anonymen – also auch nicht verstrickten – Beratungsbeziehung ans Licht kommen. Dagegen sind mehr oder weniger gutgemeinte Vorschläge von Freunden oder Verwandten oftmals auch von deren Interessen und Schwierigkeiten geprägt, also durch die „eigene Brille“ wahrgenommen“ (Belardi u.a. 2001: 34).
Wenn das soziale Umfeld nicht mehr weiterhelfen kann oder die Ratsuchende sich an dieses nicht wenden will, weil ihr die Probleme peinlich sind, diese zu stark involviert sind oder sie keine Hoffnung hat, dass diese Personen ihr weiterhelfen können, sind professionelle BeraterInnen gefragt. Professionelle Beratung wird von Personen durchgeführt, die eine entsprechende Aus- oder Weiterbildung in einer Beratungs- bzw. Therapierichtung, in (Sozial-)Pädagogik oder Psychologie haben.
Belardi u.a. (vgl. 2001:35-43) unterscheiden zwei Arten professioneller Beratung:
- Sozialpädagogische Beratung wird beschrieben als
„eine spezielle Dienstleistung für Einzelpersonen, Familien und Institutionen, um diesen zur eigenständigen Lösung von Problemen im psychosozialen und/oder materiellen Bereich zu verhelfen. Sozialpädagogische Beratung kommt in allen Feldern des Sozial- und Gesundheitswesens vor. Sie hat sehr unterschiedliche Schwerpunkte und Institutionalisierungsgrade. Da die sozialpädagogische Beratung nicht über eine eigenständige Methodik verfügt, benutzt sie in pragmatischer Weise Erkenntnisse und Verfahren aus der Psychologie, Psychotherapie, den Sozial-, Verwaltungs- und Rechtswissenschaften“ (Belardi u.a. 2001: 40).
Wichtige Merkmale sozialpädagogischer Beratung sind: „Professionalität, Erreichbarkeit, Uneigennützigkeit, Nichtverstrickung sowie Vermittlungsmöglichkeiten bezüglich weiterer Hilfequellen“ (belardi u.a. 2001: 36).
- Klinische Beratung oder Psychotherapie, die im rechtlichen Sinne eine Krankenbehandlung darstellt und die Kosten daher unter bestimmten Voraussetzungen von der Krankenkasse übernommen werden, „ist ein spezifisches Angebot von niedergelassenen Diplompsychologen sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (manchmal auch Ärzten und Angehörigen anderer Berufe) im Rahmen freier Praxis. Aber auch in ambulanten und stationären Einrichtungen gibt es die klinische Beratung“ (belardi u.a. 2001: 35). Die Fachkräfte verfügen über qualifizierte psychotherapeutische Zusatzausbildungen und sind vom Gesundheitsamt anerkannt. Sie orientieren sich an wissenschaftlich anerkannten Krankheitsbildern (Diagnose) und versuchen PatientInnen, die an solchen Krankheiten leiden, zu heilen – unter Umständen auch mit Hilfe von Medikamenten (dies ist die Domäne der Mediziner).
Eine eindeutige Grenzziehung zwischen Beratung und Therapie ist jedoch äußerst schwierig, da sich beide in großen Teilen auf dieselben Modell- und Methodengrundlagen beziehen und die Übergänge in vielen Bereichen fließend sind.
„Trotz der schon mehrfach angesprochenen schwerpunktmäßigen Unterschiede zwischen klinischer und sozialpädagogischer Beratung („mehr Tiefe“ bzw. „mehr Breite“) gibt es einen Bereich, wo diese Grenzen nicht immer klar sein können und deswegen im Beratungsprozeß möglicherweise ineinander übergehen. Wenn man in der sozialpädagogischen Beratung immer wieder an denselben Punkt einer „verfestigten Lebensproblematik“ kommt, hat man es mit einem Bereich zu tun, den Psychotherapeuten als seelische Beeinträchtigung oder psychische Erkrankung bezeichnen. Hier intensiver weiterzumachen würde heißen, die Grenze zur Psychotherapie zu überschreiten. Daraus wird deutlich, daß es eine ideale Grenzziehung zwischen Beratung und Psychotherapie nicht geben kann. Auch im „normalen Gespräch“ unter Freunden (Alltagsberatung) gerät man zuweilen in psychotherapeutische Tiefen. Sozialpädagogische Beraterinnen und Berater müssen ihre Grenzen kennen und gegebenenfalls an andere Helfer oder Institutionen weiterverweisen können“ (Belardi u.a. 2001: 43)
Sickendiek u.a. (vgl. 1999: 15-21) unterscheiden die Arten professioneller Beratung anhand der Beratungsdefinitionen der in der Beratungsarbeit tätigen Disziplinen (Psychologie, Sozialarbeit, (Sozial-)Pädagogik und psychosoziale Arbeit):
Psychologische Beratung wurde lange Zeit relativ eng als wissenschaftlich fundierte Beeinflussung diagnostizierter Störungen oder als Eignungsprognose (beispielsweise für bestimmte Berufe) verstanden. Erst in neuerer Zeit öffnete sich dieses Beratungsverständnis und schloss die Tätigkeiten anderer Berufsgruppen aus dem Erziehungs-, Bildungs- Sozial- und Gesundheitswesen mit ein. Diesem Verständnis liegt jedoch immer noch „die expertInnenorientierte Vorstellung des Vermittelns von fachlich legitimiertem Wissen“ (Sickendiek u.a. 1999: 16) zugrunde. Dies zeigt die Definition von Fröhlich (1994: 85f.):
„Beratung: Zusammenfassende Bezeichnung für die Erteilung von Entscheidungs- und Orientierungshilfen durch ausgebildete Fachkräfte (z.B. Ärzte, Psychologen, Pädagogen, Sozialarbeiter) in Einzel- oder Gruppengesprächen. ... Zu den allgemeinen Kennzeichnen [!] der psychologischen Beratung gehört ihre nicht-direktive, d.h. nicht direkt auf eine Verhaltensmodifikation abzielende Art; sie fördert Einsichten und Einstellungsänderungen in bezug auf individuelle oder soziale Problembereiche“ (zitiert in: Sickendiek u.a. 1999: 16).
Soziale Beratung oder lebensweltorientierte Beratung: „Soziale Beratung ist ein breitgefasster Begriff für die Gesamtheit beraterischer Hilfen in Problemfeldern, die sich auf Schwierigkeiten von Individuen oder Gruppen in und mit ihrer sozialen Umwelt beziehen. Unter sozialer Umwelt sind sowohl nähere soziale Kontexte wie Familie, Verwandschaft [!], berufliche oder schulische Umwelt oder Freundeskreise zu verstehen wie auch übergreifende, z.T. nur noch vermittelt erlebte gesellschaftliche Bedingungen. Soziale Beratung bezieht sich zudem auf die materiellen, rechtlichen und institutionellen Strukturen der sozialen Umwelt“ (sickendiek u.a. 1999: 17).
Nach Thiersch (vgl. 1995: 129-141) sind wichtige strukturelle Elemente des Beratungshandelns die Schritte Erkennen von Schwierigkeiten, Klären, Entwerfen von Hilfemöglichkeiten und Ressourcenerschließung. Sie wird zudem charakterisiert als...