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Rechtsextreme männliche Jugendliche und Soziale Arbeit

Die Möglichkeiten und Grenzen eines akzeptierenden Ansatzes in der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit

AutorPhilipp Pältz
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl71 Seiten
ISBN9783656323105
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 2,0, Ernst-Abbe-Hochschule Jena, ehem. Fachhochschule Jena (Sozialwesen), Sprache: Deutsch, Abstract: 'Zunächst möchte ich einige für diese Arbeit bedeutsame Begriffe näher erläutern und im Anschluss die Jugendphase umfangreich beleuchten. Bevor eine detaillierte Darstellung der rechtsextremen Erscheinungsformen und insbesondere eine Betrachtung der rechten Jugendkultur erfolgt, sollen verschiedene Erklärungsansätze zur Entstehung rechtsextremer Einstellungen und Handlungsweisen unter Jugendlichen ausführlich dargelegt werden. Nachfolgend werden die Jugendarbeit sowie Jugendsozialarbeit als Bereiche der Sozialen Arbeit vorgestellt und Bedeutsamkeiten für den Ansatz der Akzeptierenden Jugendarbeit hervorgehoben. Im Hauptteil der Arbeit sollen zunächst die Grundsätze sowie Ziele, die Handlungsebenen und die erforderlichen sozialarbeiterischen Kompetenzen wie auch Rahmenbedingungen der Akzeptierenden Jugendarbeit beschrieben werden. Im Anschluss erfolgt eine beispielhafte Veranschaulichung der Anwendungsbereiche. Weiterführend soll auf die Erfolge und ihre Bedingungen, die Grenzen sowie Regeln, die Gefahren und berechtigten Kritikpunkte sowie auf den fachlichen auf die Akzeptierende Jugendarbeit bezogenen Diskurs eingegangen werden. Meine Ausführungen werde ich letztendlich mit den Erkenntnissen und einem Fazit abschließen.'

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Leseprobe

1. Einleitung

 

„Im Winzerclub (später: "Hugo") galten von Anfang im Rahmen der akzeptierten [sic] Jugendarbeit klare Regeln, sagt Reinhard Schwabe, damals Jugendamtsleiter, heute Teamleiter Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit in der Stadtverwaltung: Kader von Rechtsextremen haben keinen Zutritt, ihnen stehen keine Räume und Reserven zur Verfügung, politisch wird mit ihnen nicht diskutiert, Jugendliche, die Rechte-Szene gefährdet sind, werden integriert. (...) Es ging am Ende nicht so auf wie anfangs gedacht. Die rechts-orientierten Jugendlichen erhielten bald Zutrittsverbot.“ (Döbert, 2011) „Unsere Aufgabe sah ich vor allem darin, den Jugendlichen einen Ort zu geben, wo sie sich ausprobieren konnten. (...) Natürlich besteht die Gefahr, dass junge Leute diesen Ort nicht nur nutzen, sondern ihn auch ausnutzen.“ (Frenzel, 2011a) „Wir haben keine Schuld an dem, was passiert ist, sagt Reinhard Schwabe. Wer glaubt, wir hätten etwas verhindern können, der überschätzt Jugendarbeit. (...) Wären wir nicht gewesen, hätten die Nazis noch mehr Einfluss auf die Jugendlichen gehabt.“ (Frenzel, 2011b)

 

Im November 2011 wurden Reinhard Schwabe und andere Sozialarbeiter Jenas von der Vergangenheit eingeholt. Ihnen bekannte Jugendliche, welche Anfang der 1990er Jahre durch eine rechte Gesinnung sowie entsprechendes Verhalten auffielen und zunächst noch zu dem Adressatenkreis der sich erst entwickelnden Jugendarbeit gehörten und im weiteren Verlauf versuchten im Winzerlaer Jugendclub die Meinungshoheit zu übernehmen und sich in der Thüringer Neonaziszene radikalisierten, wurden als `Nationalsozialistischer Untergrund` (`NSU`) im negativen Sinne deutschlandweit bekannt. In den darauf folgenden Wochen wurden in der Öffentlichkeit viele Fragen bzgl. der Tathintergründe, der Versäumnisse entsprechender Sicherheitsbehörden und der Ursachen dieser Radikalisierung gestellt, sei es durch die Angehörigen der Opfer, in den Medien, durch politische Vertreter oder zivilgesellschaftliche Initiativen. Die Antworten waren nicht wirklich aufschlussreich und es ist zunächst anzuzweifeln, ob die zukünftigen Aufklärungen entscheidende Konsequenzen und Veränderungen mit sich bringen, welche die Sicherheitsorgane für die Problematik Rechtsextremismus sensibilisieren und vor allem ein gesamtgesellschaftliches Klima der couragierten Aufmerksamkeit gegenüber Rassismus, Fremdenhass und Ausgrenzung schaffen. Eine ausschließliche Konzentration auf ein NPD-Verbot, eine Neonazi Datei und den Kern der rechtsextremen Szene, welcher scheinbar losgelöst von der Allgemeinheit agiert, werden dabei der Wirklichkeit nicht gerecht und verdecken die Vielschichtigkeit der Thematik. Auch die oftmals ungenügende Arbeit der Polizei mit verbundener Ignoranz gegenüber dem Rechtsextremismus (Vgl. Erdmenger, 2007), die verharmlosende Haltung der Politik z.B. die zu niedrige Angabe der Todesopfer rechter Gewalt (Vgl. Deutscher Bundestag, 2011) mit einhergehender Kriminalisierung zivilgesellschaftlicher Initiativen gegen Rechts (z.B. `Extremismus-klausel`), die Ausgrenzung und Diskriminierung befördernden sozio-ökonomischen Negativentwicklungen (Vgl. Becker/Wagner/Christ, 2010, S. 138-141) sowie die durch (größtenteils gesellschaftlich anerkannte) Rechtspopulisten und u.a. auch durch undifferenzierte Medienberichterstattung angeheizten Diskussionen über das Asylrecht und die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, führen zu menschlichen Einstellungsmustern, welche in Teilen mit rechtsextremen Charakteristika vergleichbar sind, zumindest aber zu einem Klima, dass Neonazis einen Nährboden bietet. Der Rechtsextremismus sowie seine vielfältigen Einstellungsmuster sind Teil des Alltags und eine gesamtgesellschaftlich relevante Problematik (Vgl. Decker/Weißmann/Kiess/Brähler, 2010, S. 139-149).  Die rechtsextreme Szene versucht diesen Umstand für sich zu nutzen, indem sie Sympathisanten aktiviert sowie weitere Themen besetzt und behauptet, die Meinung des Volkes zu vertreten. 

 

Hingegen möchte die Soziale Arbeit auf den Grundlagen der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit, die zwischenmenschlichen Beziehungen verbessern, Aus-grenzungen abbauen und selbstbestimmtes Leben ermöglichen, wodurch man auch ein verpflichtendes Engagement gegen Rechtsextremismus ableiten kann (Vgl. Leinenbach/Nodes/Stark-Angermeier, 2009, S. 1-2). Das Berufsfeld als Gesamtes betrachtet, stellt einen bedeutenden Teil unserer Gesellschaft dar, welcher in Wechselwirkung zu allen ihr innewohnenden Bereichen steht. Somit muss sich auch die Soziale Arbeit den Fragen nach Ursachen und Verantwortung stellen, welche u.a. nach dem Bekanntwerden der Mordserie des `NSU` in der Öffentlichkeit formuliert wurden. Soziale Arbeit kann aber nicht isoliert betrachtet und als Allheilmittel verstanden werden, sondern muss in den Gesamtkontext von sozialen, politischen sowie ökonomischen Verhältnissen eingeordnet werden. Ebenso wenig lassen sich dem Rechtsextremismus geradlinige  Ursachen zuschreiben, die die Soziale Arbeit mit ihrem umfangreichen Methodenkoffer problemlos beheben kann. Unabhängig von der Sensibilität sowie Aufmerksamkeit der Medien und politischen Vertreter, haben die miteinander verknüpften Themen Rechtsextremismus, Diskriminierung, Chancenungleichheit, Gewalt, Demokratie-verdrossenheit und sozio-ökonomische Ungerechtigkeit, eine generelle Aktualität  für die Soziale Arbeit. Diese Alltäglichkeit kann man genauso wenig nur auf den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe beziehen, wie man Ausgrenzungen sowie rechtsextremes Gedankengut ausschließlich dem direkten Adressatenkreis Sozialer Arbeit zuschreiben sollte, da diese Problematiken beispielsweise auch in Behörden, bei der Polizei oder unter Sozialarbeitern selbst, existieren können. Dennoch ist unter den vielen Bereichen Sozialer Arbeit die Kinder- und Jugendarbeit von besonders großer Bedeutung wenn es um das Thema Rechtsextremismus geht, da Einstellungsmuster sich vor allem in dieser Lebensphase entwickeln und im höheren Alter weniger wandlungsfähig sind. Zum einen sind dabei präventive Ansätze relevant, welche z.B. die kindliche Entwicklung fördern sollen. Zum anderen geht es um Bereiche der Jugendhilfe, die sich direkt mit Jugendlichen auseinandersetzen, welche Gefahr laufen, intolerante Einstellungsmuster zu manifestieren bzw. in die rechte Szene abzurutschen und um Heranwachsende, die sich bereits an rechtsextremen Jugendgruppen orientieren oder fester Bestandteil eines organisierten neonazistischen Milieus sind. Die Kinder- und Jugendhilfe befindet sich hierbei in einem enormen Spannungsfeld. Die an den Menschenrechten orientierten Ziele sowie Werte Sozialer Arbeit mit der zu gewährleistenden Selbstbestimmung der Klienten, stehen den menschenverachtenden Ansichten rechtsextremer Jugendlicher gegenüber, während gleichzeitig eine ablehnende Haltung sowie Sanktionierungen statt Akzeptanz und auf der anderen Seite von der Jugendhilfe, als scheinbares Universalmittel, maximale Erfolge im Kampf gegen Neonazismus gefordert werden. Hinzu kommen die unterschiedlichen persönlichen Hintergründe und Empfindungen der Sozialarbeiter. Somit können die Grenzen Sozialer Arbeit schnell verschwimmen bzw. sind sie den Praktikern nicht bewusst, was gerade beim Ansatz der Akzeptierenden Jugendarbeit gefährlich werden kann.

 

Diese Bachelor Arbeit im Studiengang Soziale Arbeit, der Ernst-Abbe-Fachhochschule Jena greift die genannte Problematik auf und widmet sich dem Thema „Rechtsextreme männliche Jugendliche und Soziale Arbeit – Die Möglichkeiten und Grenzen eines akzeptierenden Ansatzes in der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit“.  

 

Zu der vielseitigen Problematik des Rechtsextremismus habe ich schon einen sehr langen persönlichen Bezug, der für mich als weltoffener und tolerant denkender Jugendlicher mit der als intensiv erlebten „Blütezeit“ der Jenaer Neonaziszene um das Jahr 2000 herum begann und über ein stetiges Interesse an der Thematik, zu einem inzwischen seit über vier Jahren andauernden ehrenamtlichen Engagement in einem Verein führte, der durch Bildungs-, Projekt- und Öffentlichkeitsarbeit vielfältigen Diskriminierungsformen und neonazistischen Bestrebungen entgegen wirken möchte. Durch letztgenannte Erfahrungen konnte ich auch Einblicke in die öffentlich geförderten sowie zivilgesellschaftlichen Strukturen des Engagements gegen Rechtsextremismus bekommen. Diese sind nicht immer direkt innerhalb der Sozialen Arbeit verwurzelt und vertreten dementsprechend abweichende Auffassungen und Prinzipien, gerade was den diskussionswürdigen Gegenstand der Akzeptanz betrifft. Diese stellt für mich im Allgemeinen eine wichtige Grundlage Sozialer Arbeit dar, geht es doch darum, die Klienten mit ihrer ganzen Persönlichkeit zu respektieren, um eine gemeinsame professionelle Beziehungsbasis schaffen zu können. Jedoch stoße ich bei rechtsextremen Jugendlichen aufgrund des geschilderten persönlichen Hintergrundes bzgl. des Aspekts der Akzeptanz schnell an meine Grenzen. Während meines berufspraktischen Semesters bei `Streetwork Lobeda` konnte ich bereits einige Erfahrungen mit rechten Jugendlichen sammeln, die mich zwar nicht in einen handlungsunfähigen Zustand versetzt haben, aber die Bedeutung der Thematik für meine anvisierte berufliche Zukunft und die Soziale Arbeit im Allgemeinen deutlich werden ließen.

 

Im Folgenden möchte ich die Thesen sowie die angrenzenden Fragestellungen darlegen, welche Grundlage dieser Arbeit sind:

 

1. Das im Begriff der Akzeptierenden Jugendarbeit enthaltene und besonders...

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