Das Strafvollzugsgesetz ist die bestimmende Rechtsgrundlage für die Durchführung des Strafvollzugs. Es ersetzte am 16.03.1976 weitgehend die früheren, bis zu diesem Zeitpunkt gültigen Verwaltungsvorschriften durch eine gesetzliche Regelung. Notwendig wurde das Strafvollzugsgesetz, nach dem das Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen feststellte, daß Freiheitsentzug und die Beschränkung der freien Lebensgestaltung nur auf einer gesetzlichen Grundlage erfolgen dürfen. Im Strafvollzugsgesetz werden die (Rechts-) Stellung und die Behandlung des Gefangenen,[90] Aufgabenbereiche der Vollzugsbediensteten und –behörden,[91] „Vollzug der freiheitsentziehenden Maßnahmen der Besserung und Sicherung“[92] sowie Organisation des Vollzugs und Aufbau der Vollzugsanstalten[93] geregelt. Darüber hinaus enthält das Strafgesetzbuch „Schlußvorschriften“[94] unterschiedlichster Art.
Die gesetzliche Regelung des Strafvollzugs hat nach Callies/Müller-Dietz[95] im wesentlichen zwei Funktionen:
Sie soll dem Strafvollzug zu einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für die Rechtsstellung und Behandlung des Gefangenen entsprechend den Verfassungsprinzipien des sozialen Rechtsstaates im Sinne der beiden Artikel 20, Absatz 1 und 28, Absatz 1 GG verhelfen.
Außerdem soll sie die gesetzliche Voraussetzung für eine Reform und Weiterentwicklung des Strafvollzugs, im Sinne des als vorrangige Vollzugsaufgabe festgelegten Vollzugszieles der Rückfallverhütung, schaffen.[96]
Das heute bestehende Strafvollzugsgesetz geht auf verschiedene Vorarbeiten zurück. Zu Anfang aber war man sich nicht einig, ob die Vollzugsaufgaben und die Grundsätze der Vollzugsgestaltung im Strafgesetzbuch oder im Strafvollzugsgesetz zu regeln seien. So wurde 1966 ein Alternativentwurf zum Strafgesetzbuch vorgelegt, in dem man vorschlug, Vorschriften über das Vollzugsziel, die Ausgestaltung des Vollzuges sowie die Arbeit der Gefangenen in das StGB aufzunehmen. Da sich aber abzeichnete, daß eine umfassende Reform des materiellen Strafrechts in Angriff genommen werden würde, übernahm der Gesetzgeber diesen Vorschlag nicht.[97] Inhaltlich wirkten die Vorstellungen des Alternativentwurfs aber weiter und beeinflußten die Beratungen der Strafvollzugs-kommission, die aus Wissenschaftlern und Praktikern zusammengesetzt war und 1967 durch das Bundesministerium einberufen wurde.[98] Diese legte nach 13 Sitzungen einen Entwurf zum Strafvollzug vor, der dann zum Regierungsentwurf umgearbeitet wurde.[99] Aus finanziellen Gründen mußte dabei die Urfassung an die Ressourcen der Landesjustizverwaltungen angepaßt werden, was zu Abstrichen am ursprünglichen Reformkonzept führte.[100] Durch die vorzeitige Beendigung der sechsten Wahlperiode stockte das bereits laufenden Gesetzgebungsverfahren und der Entwurf des Strafvollzugsgesetzes mußte deshalb Anfang 1973 erneut eingebracht werden. In Folge eingehender Beratungen wurde er im Sonderausschuß für die Strafrechtsreform teilweise verändert.[101] Unterdessen legte ein Arbeitskreis deutscher und schweizerischer Strafrechtsprofessoren im Sommer 1973 ein Alternativentwurf vor, der insbesondere durch seine verhaltenswissenschaftliche Ausrichtung, in welcher Ausbildung, soziale Hilfen und Therapie im Zentrum des Konzeptes standen, eine echte Alternative zum Regierungsentwurf darstellte.[102] Dazu kam eine stärkere Durchstrukturierung in organisatorischer und personeller Hinsicht.[103] Ein entscheidender Einfluß auf die Endfassung blieb aber aus, da man den Alternativentwurf damals als zu utopisch und jenseits der politischen Realisierbarkeit einordnete. Am 12.02.1976 verabschiedete der Bundestag schließlich mit vom Bundesrat erzwungenen Änderungen das Strafvollzugsgesetz. Es trat am 01.01.1977 in Kraft.[104]
Der Strafvollzug von heute dient laut Gesetz mehr als nur der bloßen Verwahrung von Straftätern. Im Verlauf der Entwicklung der modernen Strafhaft wurde zunehmend die Erfordernis einer Besserung der Verurteilten erkannt, um auf der einen Seite die soziale Wiedereingliederung zu fördern und auf der anderen Seite einen Rückfall hin zur Straffälligkeit zu verhindern.[105]
Dementsprechend hat nach § 2 StVollzG der Vollzug der Freiheitsstrafe heute zwei Aufgaben, die folgendermaßen aussehen:
„Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene befähigt werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.“
Das heißt das Vollzugsziel, also die oberste Gestaltungsmaxime des Strafvollzugs, soll hiernach nach dem Willen des Gesetzgebers die Resozialisierung des Straffälligen sein. Die zweite, nachgeordnete[106], Aufgabe des Vollzuges der Freiheitsstrafe ist somit der „... Schutz der Allgemeinheit.“[107] Die gesamte Ausrichtung des Strafvollzugs gemäß dem vorrangigen Zweck der Resozialisierung ist eine grundlegende Weichenstellung, an der sich ein großer Teil vollzuglicher Entscheidungen und Maßnahmen orientieren müssen.[108]
Das Vollzugsziel erfährt eine Konkretisierung in den in § 3 StVollzG geregelten Gestaltungsprinzipien, die
Angleichungsgrundsatz[109],
Gegensteuerungsgrundsatz[110] und
Integrationsgrundsatz[111]
heißen.
Hierbei handelt es sich um Mindestgrundsätze für die Gestaltung des Vollzuges.[112] Der Vollzug muß danach dementsprechend ausgestaltet sein, um damit eventuell auftretenden, kontraproduktiven Auswirkungen entgegenzusteuern.[113]
Das Strafvollzugsgesetz versteht die Behandlungsmaßnahmen als Angebot an die Gefängnisinsassen und geht in § 4 Absatz 1 von einer Mitwirkungsnotwendigkeit von Seiten des Gefangenen aus, die durch Motivation vom Vollzugspersonal zu wecken ist[114].[115]
Die Resozialisierung des Strafgefangenen ist nach § 2 StVollzG Satz 1 die Zielvorgabe des Strafvollzugsgesetzes und alleiniges Vollzugsziel.[116] Es geht den anderen Aufgaben des Vollzuges vor, gilt für alle Gefangenen und ist unabhängig von der Straftat und der Länge der Strafe. Es ist also auch für jene, die als „nicht-resozialisierungswillig“ oder als „nicht-resozialisierungsfähig“ gelten, gültig.[117] Des weiteren ist eine „... Diskriminierung nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischen oder sonstigen Ansichten, nationaler oder sozialer Herkunft, Geburt, wirtschaftlicher oder sonstiger Stellung ... untersagt.“[118] Das Vollzugsziel ist somit auch für Ausländer gültig. Entgegen den im Gesetz stehenden Wortlaut gilt es auch für weibliche Gefangene.[119]
Zum Schlüsselbegriff der gesetzlich festgelegten Zielvorgabe der Resozialisierung wird die Sozialisation. Darunter ist ein bereits in der Kindheit beginnender Prozeß gemeint, in dem Lernen von Sozialverhalten und eigenverantwortliche Persönlichkeitsentfaltung verbunden mit der Aneignung kultureller Werte im Mittelpunkt stehen. Folgt man der im Strafvollzugsgesetz festgelegten Zielbestimmung der Resozialisierung, so ist das gleichbedeutend damit, daß das Phänomen der Kriminalität mit einem Mangel an Sozialisation erklärt wird. Dieser Mangel soll im Vollzug behoben werden und stellt damit dann auch das Vollzugsziel dar. [120]
Die Zielvorgabe der Resozialisierung im Strafvollzug folgt dabei zwei zentralen Verfassungsgrundsätzen: zum einen dem Gebot zur Achtung der Menschenwürde, zum anderen dem Sozialstaatsprinzip.[121] Resozialisierung im Strafvollzug ist somit ein verfassungsrechtlich (nicht einklagbarer) Anspruch des Verurteilten,[122] der aber nicht nur verschiedene Angebote[123] von Seiten des Staates impliziert, sondern auch eine „... soziale Inpflichtnahme ...“[124] im Sinne einer Mitwirkungsnotwendigkeit[125] des Gefangenen beinhaltet,[126] und bei einem Vollzug, der auf Reintegration und Rückfallvermeidung...