Psychofallen bei Kaufentscheidungen ein Schnippchen
schlagen
Wer gern einkaufen geht, steht oft vor einem Problem: Zu Hause ist mehr in der Einkaufstasche, als wirklich benötigt wird. Ab und an passiert auch das, was in einem Buchtitel von Jochen Mai so beschrieben wird: „Warum ich losging, um Milch zu kaufen, und mit einem Fahrrad nach Hause kam.“
Marketing-Experten wissen, wie sich Kunden verführen lassen. Sich ihre Techniken bewusst zu machen, ist der erste Schritt zum Sparen – dann wird zum Beispiel aus dem Kleiderschrank auch keine Rumpelkammer.
Markenprodukte und Preisreduzierungen sind die größten Kaufimpulse. Sich ein Markenprodukt zu leisten, ist oft mit einem Belohnungs- oder gar Glücksgefühl verbunden. Die Marken an sich sind hoch emotional aufgeladen. Produktwerbung dafür geht deshalb oft mit einem Lebensgefühl wie Freiheit oder Unabhängigkeit einher. Jeder möchte gerne etwas Besonderes sein, wenn das nicht geht, wenigstens etwas Besonderes haben. Dazugehören und sich mit anderen verbunden fühlen, wollen wir alle. Wer zum Beispiel bei Amazon kauft, bekommt den Hinweis: Kunden, die dieses Produkt betrachtet haben, haben ebenso Folgendes angesehen. Das ist eine sehr clevere Reklame, denn sie koppelt an das Bedürfnis an, dazu gehören zu wollen.
Grundlage jeder Kaufentscheidung ist der Kontrast zwischen der Belohnung durch ein attraktives Produkt und dem sogenannten „Preisschmerz“. Treffen Markenprodukte auf eine vorhandene Motivation beim Einkaufen, setzten sie die kognitive Entscheidungskontrolle relativ leicht außer Gefecht. Das lässt sich häufig beim Besuch eines Designer-Outlets beobachten: Kleiner Preis für große Marken – und schon befindet sich der Kunde in einem permanenten Zustand der Emotionalisierung. Der Belohnungsaspekt siegt dann über den Preisschmerz und es wird großzügig eingekauft.
Attraktive Produkte oder Preise bilden in Verbindung mit Gerüchen, Farben oder Musik einen Schlüsselreiz, der automatisch eine emotionale Verknüpfung über das Nervensystem zum Nucleus accumbens – dem Belohnungssystem in unserem Gehirn – herstellt. Kaufen macht also tatsächlich glücklich.
„Übertriebene“, exzessive Käufe lassen sich aber – trotz professionellem Marketing – vermeiden. Grundsätzlich sollten sich Verbraucher die praktizierten Verkaufsstrategien vor dem Shoppen bewusstmachen. Dazu gehört es etwa, sich von Lichteffekten oder der Platzierung und Plakatierung von Produkten nicht beeindrucken zu lassen.
Je länger ein Kunde im Geschäft bleibt, desto mehr Schnäppchen bekommt er zu Gesicht und desto größer wird letztlich der Kaufreiz. Es empfiehlt sich für eine „Unmotivation“ vor dem Einkauf zu sorgen. Wer zum Beispiel hungrig in den Supermarkt geht, schätzt seinen Nahrungsbedarf in der Regel falsch ein.
Gehen Sie nicht ständig in neue Supermärkte. Suchen Sie sich einen günstigen in Ihrer Nähe und merken Sie sich, wo welche Waren stehen. Wer seinen Weg kennt, geht zielstrebiger durch den Markt und lässt sich weniger leicht zum Kauf verleiten. Wenn Sie Rechtshänder sind, probieren Sie ruhig auch einmal, „verkehrt herum“ durch den Markt zu gehen. Da Lockangebote für Kunden auf dem üblichen Weg meist bequem rechter Hand platziert sind, lassen Sie sie so einfach links liegen.
Zu viel Entspannung kann beim Einkaufen ins Geld gehen. Wissenschaftler der Columbia Business School (USA) konnten nachweisen, dass entspannte Menschen leichtfertiger Geld ausgeben als jene, die unter Druck stehen. Luxusgüter lassen sich demnach besonders gut in Wohlfühl-Atmosphäre verkaufen.
Gehen Sie nie ohne Einkaufszettel in den Supermarkt, und kaufen Sie nur das, was Sie notiert haben. Gehen Sie möglichst zielstrebig durch die Gänge und halten Sie bei jeder Kaufentscheidung bewusst inne: Will ich das wirklich? Ist das Produkt so preiswert, wie es mir mein Unterbewusstsein vorgaukelt?
Hilfreich ist es, sich vorher über Preise zu informieren. Wer laufend Preise beobachtet, bekommt schnell ein Gefühl dafür, was günstig und was teuer ist.
Die Qual der Wahl – Maximizer versus Satisficer
Beispiel Supermarkt: Maximizer wollen herausfinden, welches Produkt (Zahnpasta, Seife, …) das absolut Beste für sie ist. Dazu müssen sie theoretisch alle Möglichkeiten durchspielen, bevor sie sich für eine Alternative entscheiden. Selbst wenn Maximizer am Ende eine gute Wahl getroffen haben, schmälert der Zweifel, dass es noch eine bessere hätte geben können, ihre Befriedigung.
Dem Satisficer-Typ genügen im Gegensatz dazu die Informationen, die ihm zur Verfügung stehen, um zu entscheiden, was er will, auch wenn sein Wissensstand alles andere als optimal ist. Er wählt das Erstbeste, was seinen Kriterien genügt – und ist zufrieden damit.
Das heutige Überangebot an Waren in Industrieländern macht insbesondere dem Typus Maximizer das Entscheiden schwer.
Worauf Sie beim Einkauf im Supermarkt achten sollten:
- Obst- und Gemüsestände verstellen den Weg. Diese „Bremszone“ soll die Schritte der eiligen Kunden verlangsamen und für Wochenmarkt-Flair sorgen.
- „Frische-Inseln“ sind eine neue Form der Verführung. In Folien verpackte Ware (Obstsalate, Fertiggerichte) sorgt gleich am Eingang für Spontankäufe.
- Die Temperatur beträgt rund 19 Grad Celsius. Im Markt darf es nicht zu kalt oder zu warm sein, damit sich der Kunde wohlfühlt und seine Kauflaune steigt.
- Probier-Tresen stellen neue Produkte vor. Wer kostet, fühlt sich anschließend oft zum Kauf verpflichtet. Geschenke gibt es dagegen eher selten. Sie machen den Kunden misstrauisch.
- Lange Regalreihen behindern den Weg zur Kasse. Auch wer nur ein einziges Produkt kaufen will, muss am kompletten Sortiment des Marktes vorbei.
- In der Sichtzone (1,4m-1,8m) liegen meist neue Produkte mit hoher Gewinnspanne. Hier greift man dreimal öfter zu als in der Bückzone (bis 0,6m).
- Die Greifzone (0,6m-1,4m) bietet meist das Markensortiment, darunter liegen günstigere Produkte, für die man sich bücken muss.
- Große Warenstapel gaukeln Schnäppchen vor, auch wenn die Produkte manchmal nicht billiger sind als im Regal. Gleichzeitig bremsen Paletten die Kunden.
- Großpackungen signalisieren: Hier wird gespart! Doch erst beim Vergleich der Kilo- oder Literpreise erkennt der Kunde, ob die Ware wirklich günstiger ist.
- Einkaufswagen im XXL-Format verleiten dazu, mehr einzuladen. Zwei Joghurts und ein Brot sehen in den Riesenkörben verloren aus.
- Vorher-/Nachher-Preise beeinflussen den Kunden. Je mehr wir bei reduzierten Produkten zu sparen glauben, desto unüberlegter greifen wir zu.
- Kombi-Platzierungen erschweren den Preisvergleich. Neben den Nudeln stehen Saucen. Doch in den nächsten Regalen gibt es Vergleichbares meist billiger.
- Alltagsartikel wie Milch und Brot liegen in der hintersten Ecke. So muss der Kunde durch den ganzen Laden.
- Beleuchtung macht Appetit. Spezialstrahler lassen das Gemüse knackiger und Fleischwaren frischer aussehen.
- Düfte sollen die Kauflust steigern. Am Brotstand etwa riecht es nach frisch gebackenen Brötchen – perfekte Backstuben-Illusion.
- Gesichter auf Packungen und Plakaten sprechen unsere Gefühle deutlich intensiver an als ein Produkt-Logo („Anflirten“).
- Neben einem billigen und einem teuren Produkt steht ein sehr teures. Umso eher greifen wir zum teuren.
- Rabattschilder verleiten – oft wider besseres Wissen – zuzugreifen. Das Kontrollsystem im Gehirn wird geschwächt.
- Musik muss unauffällig sein und das Wohlgefühl steigern. Morgens laufen eher „gefühlsduselige“ Schlager, abends ist auch Pop im Programm.
- „0,99-Preise“ wirken trotz aller Kundenaufklärung weiter. Der Mensch rundet unbewusst eher ab als auf.
- Quengelzone wird der Kassenbereich genannt. Hier gibt es nicht nur Süßes für Kinder, sondern Tabakwaren, Alkohol, Snacks. Wer warten muss, greift eher zu.
Kritiker fordern die Verbannung von Süßigkeiten aus dem Kassenbereich, doch in den deutschen Supermärkten ändert sich wenig. Zu sehr lohnt sich das Geschäft mit der Quengelware für sie.
Obwohl der Kassenbereich in der Regel nur 1 Prozent der Ladenfläche einnimmt, liegt der Umsatzanteil in Supermärkten bei 6 bis 7 Prozent, in Warenhäusern immerhin noch bei gut 3 Prozent. Gesundheitsbewusste Menschen haben für solche Marketing-Interessen kein Verständnis. 15 Prozent der Kinder in Deutschland sind zu dick.
Shopping wird für immer mehr Menschen zur Droge. 5 Prozent gelten bereits als kaufsüchtig, 20 Prozent als deutlich gefährdet. Betroffen sind vor allem jüngere Frauen, doch auch viele Männer geraten in Kaufrausch. Fatale Folgen: Schulden – bis zum Ruin.
Was steckt hinter der Sucht? Oft ist Kaufrausch Ersatz für fehlende Liebe. Betroffene leiden an Einsamkeit, geringem Selbstbewusstsein, sie fliehen vor Problemen. Beim Einkaufen fühlen sie sich bestätigt,...