Kapitel 10
In dem Jupp das Zeitalter nahezu unbegrenzter Mobilität einläutet
Der Motorroller
Noch bevor der Homo Humiliatio sein erstes Automobil erwarb, einen Lloyd 400, hatte er von meinem Onkel, also dem Mann seiner Schwester (der von drüben) einen Motorroller, wenn ich mich recht entsinne eine Lambretta, bekommen.
Heutzutage würde wahrscheinlich die gesamte Besatzung eines Mannschaftswagens der Verkehrspolizei Köln vor Schreck in ein tiefes Koma fallen, wenn sie die gesamte dreiköpfige Familie auf dem Roller erblicken würde.
Ich hatte dabei lediglich einen Stehplatz, aber immerhin in der ersten Reihe, dahinter kam Jupp als Pilot und ganz hinten auf dem Sozius sass sich meine Mutter den Arsch platt. So machten wir dann eine Vielzahl von Ausflügen zu dritt auf dem Motorroller. Ich muss sagen, es war für mich als Kind ganz schön, vorne im Roller zu stehen und Alles überblicken zu können. An dieser Stelle also keine Kritik von mir. Kurz nachdem Jupp den Roller bekommen hatte, fuhren wir also alle drei nach Kalk und dort auf den Kaufhofparkplatz. Am Eingang des Parkplatzes liess Jupp meine Mutter und mich absteigen und fuhr dann weiter in den hinteren Bereich des Parkplatzes, um den Roller dort abzustellen. Wenige Sekunden danach hörte man die Parkaktion dann deutlich bis zum Eingang und wiederum einige Sekunden später kam dann Jupp angelatscht und regte sich ansatzlos masslos darüber auf, dass mit dem Roller etwas ganz und gar nicht in Ordnung sei. Wir gingen also alle zum Fahrzeug, um zu begutachten, was mit dem Roller, der auf der Hinfahrt völlig in Ordnung gewesen war, nicht stimmte. Das Schutzblech des vorderen Rads, so sahen wir mit Schrecken war verbeult und bis auf den Reifen eingedrückt. Jupp hatte den Roller also im wahrsten Sinne des Wortes an der Wand geparkt.
Selbstverständlich ohne sein Verschulden. Die Herstellerfirma in Mailand war schuld, mein Onkel und Vorbesitzer sowieso und ausserdem war diese Sache mit der Gangschaltung am Lenkergriff und der Kupplung doch völlig bescheuert. Die exakten Details, was nun so bekloppt daran war, kann ich nicht mehr wiedergeben und verstand ich damals wohl auch nicht so richtig.
Wichtig war eben nur, dass praktisch jeder Arsch in Köln, NRW und Deutschland Schuld hatte, die Italiener sowieso, nur Jupp nicht. Vom Kaufhof-Parkplatz aus fuhren wir dann später mit auf dem Vorderrad schleifendem Schutzblech zu meinen Grosseltern, die nur wenige hundert Meter entfernt wohnten. Dort wurde dann jedem Bewohner der Bertramstrasse, der sein Hörgerät nicht ausgeschaltet hatte, nochmals klargemacht, was die Italiener, sein Schwager, oder sonst irgendjemand wieder für eine Scheisse veranstaltet hätten. Und nun sei deswegen sein Roller verbeult. Um das Schleifen auf dem Vorderrad abzustellen, wurde dann das Schutzblech soweit wieder nach vorne vom Reifen weg gezogen, dass es nicht mehr schleifen konnte. Kurz danach fuhren wir dann nach hause. Zum Glück waren die Italiener, mein Onkel und alle Anderen wohl für diesen Tag zufrieden mit ihrem Zerstörungswerk, so dass wir ohne Zwischenfall den Heimweg meisterten und auch der Parkvorgang zufriedenstellend abgeschlossen werden konnte. Ach, diese verflixten Südländer aber auch....
Jupps Autos
Das Zeitalter des Lambretta Rollers endete, als ein Bekannter Jupps, es war derselbe, bei dem an anderer Stelle im Buch die unsägliche Kommunionsfeier seiner Tochter stattfand und der in Sankt Augustin nicht allzu weit von Siegburg entfernt lebte, mit einem Angebot auftrat, welches man ihm offeriert hatte. Man hatte ihm ein Auto angeboten, welches er für dreihundert DM erstehen konnte und das er nun Jupp zum Kauf anbot. Jupp wog also alle dafür und dagegen sprechenden Argumente ab und beschloss, seiner Familie für die Zukunft den paradiesischen Luxus eines eigenen Fortbewegungsmittels zu bieten, bei dem allen Mitreisenden eigene Sitzplätze ohne Aufpreis geboten werden konnten.
Kurz und gut, Jupp griff zu und erwarb sein erstes Auto. Damit war der Startschuss für eine automobile Galerie gefallen. Man kann eigentlich selbst bei kritischster Betrachtungsweise Jupp nicht unterstellen, dass er ein besonderes Getue um seine jeweiligen Autos gemacht hätte oder sie zu seinem Heiligtum oder Fetisch gemacht hätte.
Soviel muss man schon zugeben, für Jupp blieben es immer nur Autos und Mittel zum Zweck, nicht mehr, nicht weniger. Das verhinderte aber keineswegs, dass Jupps Erzählungen über die Eigenschaftenseines jeweiligen Fahrzeugs oft nicht den werksseitig veröffentlichten Parametern des jeweiligen Gefährts entnommen waren, sondern mehr dem Bereich der Fantasy-Literatur entsprungen schienen. So wurden gerne Fabelwerte über den Treibstoffverbrauch erwähnt, angeblich penibel belegt durch die notierten Werte über Tankfüllungen und gefahrene Kilometer in einem kleinen goldenen Notizbuch, dessen Inhalt so geheim war, dass es nie jemand einsehen durfte. Besonders wunder nimmt das bei den Verbrauchswerten über einen Mercedes 230, den er erstens von mir übernommen hatte und der bei mir die handelsüblichen Verbrauchswerte aufgewiesen hatte und bei dem zweitens der Kilometerzähler kaputtt gegangen war und man darum gar nicht mehr erkennen konnte, wieviele Kilometer man zwischen den Tankstopps zurückgelegt hatte. Das Fehlen dieser Information macht es meines Wissens aber praktisch unmöglich, den auf einhundert Kilometer errechneten Durchschnittsverbrauch zu ermitteln.
Jupp konnte das aber wohl und kam auf Verbrauchswerte von enormer Qualität. Auch die Beschleunigungswerte eines Opel-Vectra Automatic, die Jupps Erzählungen zu entnehmen waren, hätten Sebastian Vettel vor Neid grün anlaufen lassen. Im weiteren werden nun die automobilen Fantasy - Stars Colonia Jupps vorgestellt. Die dabei gemachten technischen Angaben sind den Datenblättern der Hersteller entnommen und werden weitgehend uninterpretiert weitergegeben.
Der erste Wagen, der wie eingangs erwähnt, erworben wurde war ein Lloyd 400 LP, ein Kleinstwagen, den die Lloyd Motoren Werke G.m.b.H. in Bremen von 1953 bis 1957 als Nachfolger des Lloyd 300 bauten. Das Gerät erbrachte eine Leistung von 13 PS Der Motor brauchte ein Benzin-Öl-Gemisch im Verhältnis 1 : 25. Eine Besonderheit war übrigens die Tatsache, dass es zum Schalten dieser Fahrzeuge nötig war, Zwischengas zu geben, etwas, zu dem wenn ich Jupp richtig verstanden habe nur die wahren Koryphäen unter den PS-Dompteuren fähig waren. Die ersten Modelle dieser Serie hatten noch wie sein Vorgängermodell Lloyd 300 Karosserieteile aus kunstlederbespannten Sperrholzschalen, was den Spitznamen „Leukoplastbomber“ rechtfertigte. Jupps Modell hingegen war eines der ab 1954 ganz aus Blech gefertigten Fahrzeuge. Die beiden Seitentüren waren hinten angeschlagen und eine Kofferraumhaube gab es nicht. Das Gepäckfach im Heck musste also von innen durch die umklappbare Rückenlehne beladen werden.
Der Lloyd 400 LP in Stavoren /
Holland
Das Cockpit des Lloyd 400
Die Spitzengeschwindigkeit des Lloyd 400 wurde von den Borgwardwerken mit fünfundsiebzig Stundenkilometern angegeben.
Nach einigen Jahren wurde dann zusammen mit einem wahrscheinlich stärker werdenden Drang, sich noch mehr dem ungezügelten Geschwindigkeitsrausch hinzugeben der Lloyd 400 ersetzt durch einen Lloyd Alexander TS
Der Lloyd Alexander war ebenfalls ein Kleinwagen der zur Borgwardgruppe gehörenden Lloyd Motoren Werke GmbH in Bremen, der 1957 auf den Markt kam. Er war die Weiterentwicklung des seit 1955 gebauten Lloyd 600 mit wesentlichen Änderungen gegenüber diesem weiterhin gebauten Modell. Größte Verbesserung war der jetzt von außen zugängliche Kofferraum hinten; die seitlichen Schiebefenster wurden durch voll versenkbare Kurbelfenster ersetzt. Im Gegensatz zum 600 mit Dreiganggetriebe und Krückstockschaltung hatte der Alexander ein synchronisiertes Vierganggetriebe mit Lenkradschaltung. Satte fünfundzwanzig (in Zahlen: 25 ) PS beschleunigten diesen Feuerstuhl in mal gerade 60 Sekunden vom Stand auf einhundert Stundenkilometer. die Spitzengeschwindigkeit lag dabei dann bei einhundertundzehn. Der Stolz auf diesen Semi-Rennwagen wäre sicher noch grösser gewesen, wenn er nicht rosafarben gewesen wäre. Nun ja, man kann nicht alles haben, entweder Speed-Attack oder schöne Farbe.
Der Alexander TS
Nach einigen Jahren in der Welt der Hochgeschwindigkeitsreisen verstarb der 600 ccm - Motor des Lloyd Alexander TS dann ohne Vorwarnung, oder zumindest ohne eine von wem auch immer bemerkte Vorwarnung auf einer Kreuzung in Köln Vingst. Eine Reparatur war zu teuer und die nötigen Ersatzteile zu beschaffen schwer, da das Automobilwerk 1961 zu existieren aufgehört hatte. Eine automobile Umorientierung war also nötig und die liess Jupp dann weg vom Hochgeschwindigkeitsreisen und hin zum gemütlich behäbigen Luxusreisen tendieren. Ein vergleichsweise grossdimensionierter Ford 12M sollte es dann werden. Ford hatte 1952 die ersten neuen Ford-Modelle nach dem zweiten Weltkrieg präsentiert, den 12M, wobei die zwölf für die...