Definition Dekubitus
Das Wort »Dekubitus« leitet sich von dem lateinischen Begriff »decumbere« ab und bedeutet übersetzt » sich niederlegen«. Im Pflegejargon wird auch von einem »Druckgeschwür« oder »Wundliegegeschwür« gesprochen. Der medizinisch richtige Fachausdruck lautet aber »Decubitalulkus«.
Bei einem Dekubitus handelt es sich um eine lokale Hautschädigung inklusive des darunter liegenden Gewebes- bevorzugt über Knochenvorsprüngen. Verursacht wird dieser durch eine zu lange Einwirkung von Druck und/oder Schwerkräften.
Die Hauptursachen für die Entstehung eines Dekubitus sind eine eingeschränkte, mangelnde Mobilität oder sogar Immobilität, die es dem Betroffenen nicht mehr möglich macht, den Druck, der durch die Belastung des Sitzens oder Liegens innerhalb einer gewissen Zeit entsteht, durch Verlagerung des Körpergewichtes auszugleichen. Der anhaltende Druck komprimiert die versorgenden Blutgefäße. Mangeldurchblutung ist die Folge, sodass das nährstoff- und sauerstoffreiche arterielle Blut nicht mehr zu den Zellen transportiert werden kann. Bei länger anhaltendem Druck auf das Hautareal werden die Nervenzellen irreversibel geschädigt und schließlich sterben die betroffenen Körperzellen ab.
Tab. 2: Dekubitusstadien*
Grad I | Nicht wegdrückbare, umschriebene Rötung bei intakter Haut, meist über einem knöchernen Vorsprung; Bereich kann schmerzempfindlich, verhärtet, weich, wärmer oder kälter als das umgebende Gewebe sein. |
Grad II | Teilzerstörung der Haut bis hin zur Dermis, die als ein flaches, offenes Ulkus mit einem rot- bis rosafarbenen Wundbett ohne Beläge in Erscheinung tritt; es kann sich auch als intakte oder offen/rupturierte, serumgefüllte Blase darstellen. |
Grad III | Zerstörung aller Hautschichten. Subkutanes Fettgewebe kann sichtbar sein. Die Wunde kann Beläge, Tunnel oder Unterminierungen aufweisen. |
Grad IV | Ein totaler Gewebsverlust mit freiliegenden Knochen, Sehnen oder Muskeln liegt vor. Beläge und Schorf können vorkommen. Tunnel der Unterminierungen liegen oft vor. |
* In Anlehnung an Hellmann S & Rößlein R(2013):Formulierungshilfen Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege. Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover, S. 8 |
Weil die arterielle und die venöse Durchblutung verhindert wird, können Stoffwechselprodukte nicht mehr abtransportiert werden. Bei gesunden Menschen löst der Anstieg der sauren Substanzen im Gewebe den Reflex zur Bewegung aus. Außerdem veranlasst der entstehende Druckschmerz den Menschen im Normalfall zu einem Positionswechsel. Bei eingeschränkt mobilen bzw. immobilen Menschen ist dieser Reflex jedoch häufig nur noch in abgeschwächter Form vorhanden, sodass sie nicht mit einer notwendigen Bewegung reagieren können.
Das Gewebe übersäuert, die Gefäße weiten sich. Dies führt zu einer stärkeren Durchblutung, die an einer Hautrötung zu erkennen ist. Diese sog. Gefäßdilatation bewirkt den Flüssigkeits- und Eiweißaustritt in das Gewebe und fördert die Entstehung von Ödemen und Blasen. Zusätzlich kommt es zu einer Gefäßthrombose. Die Folge: Ein Druckgeschwür ist entstanden.
Neben Druck spielen Scherkräfte noch eine wesentliche Rolle bei der Entstehung eines Dekubitus. Insbesondere bei älteren Menschen können durch Scherkräfte die Hautschichten voneinander getrennt werden. Eine weitere Ursache für einen Dekubitus ist in der Reibung zu sehen, die zu Hautschäden führt. Ein klassisches Beispiel dafür ist »das Herunterrutschen im Bett«, dessen Reibung zu Verletzungen der Haut führen kann.
Abb. 2: Entstehung eines Dekubitus (vereinfachte Darstellung).
Lokalisationen
• Knochenvorsprünge
• Areale, die nur wenig durch Muskel- und Fettgewebe abgepolstert sind wie Steißregion, große Rollhügel (Trochanter major), Fersen, Ohren/Hinterkopf, Schulterblätter, Zehen/Fersen
Risikofaktoren
Intrinsisch
• Alter
• Exsikkose
• reduzierte Mobilität, Immobilität
• höheres Körpergewicht
• Stoffwechsel- und neurologische Erkrankungen
• Neuropathien
• Mangelernährung
• Inkontinenz
• Infektion
Extrinsisch
• Druck
• Dauer
• Scherkräfte, die zur Trennung der Hautschichten führen
• Reibungen, die Hautverletzungen verursachen
• mangelnde Körperhygiene
• Feuchtigkeit oder Temperaturen, die zur Trennung von Hautschichten führen
• Medikamente
• Lagerung
• falsche Hebe- und Lagerungstechnik
• Schläuche (PEG, SPDK/DK)
• Hilfsmittel, z. B. Brille, Hörgerät
Folgen
• chronische Wunden
• chronische Schmerzen
• Mobilitätseinschränkungen
• Einschränkungen in den täglichen Aktivitäten
• Rückzug/Isolation
Maßnahmen
• sämtliche Maßnahmen, die die Mobilität betreffen: Gehen, Aufsetzen, Stehen
• bei Bettlägerigkeit: Positionswechsel in individuell festgelegten Zeitabständen
• bei Auftreten einer Rötung: Fingertest
• Anwendung von Lagerungshilfsmitteln
• auch Mikrolagerungen
• auf eine ausgewogene Ernährung achten, Mangelernährung vermeiden
• eine individuell adäquate Flüssigkeitszufuhr (ggf. Absprache mit dem Hausarzt, je nach Grunderkrankungen)
• Medikation überprüfen
Zur Erkennung des Dekubitusrisikos können Sie die Norton-oder Bradenskala nutzen. Sie messen aber nur das Konstrukt »Dekubitusrisiko«. Sie können nicht vorhersagen, ob tatsächlich ein Dekubitus entsteht. Deshalb müssen Sie sehr genau hinschauen und auf individuelle Risikofaktoren achten. Beziehen Sie insbesondere Grunderkrankungen in Ihre Einschätzung mit ein.
Das Gleiche gilt auch für die Auswahl der Hilfsmittel. Auch diese sollten Sie sowohl unter Einbezug Ihrer pflegefachlichen Kompetenz als auch unter Berücksichtigung der Individualität des Betroffenen auswählen.
Im Rahmen der Hautpflege ist immer darauf zu achten, individuell abgestimmte Pflegeprodukte zu empfehlen bzw. zu nutzen. Die Hautbeschaffenheit ist sehr unterschiedlich, nicht jede Creme oder Lotion ist für jeden Betroffenen geeignet. Bei Unsicherheiten können Sie einen Dermatologe hinzuziehen, um die idealen Hautpflegeprodukte zu finden.
Grundsätzlich gilt, dass ein Dekubitus ein Pflegefehler ist. Aber es gibt durchaus Grunderkrankungen und/oder Veränderungen des Gesundheitszustandes, die die Entstehung fördern. Daher ist eine aufmerksame Hautbeobachtung in individuell festzulegenden Abständen erforderlich.
Auf keinen Fall sollten Sie zulassen, dass auf Hautveränderungen jeglicher Art einfach eine Creme oder Salbe aufgetragen wird! Auch wenn die meisten Cremes in der Apotheke frei verkäuflich sind, muss dennoch ein Arzt eine Diagnose stellen, um das passende Präparat zu finden.
Beispiel Das Risiko ist höchst individuell
Frau A. war eine alte Dame: kachektisch, bettlägerig, demenziell verändert, bedingt ansprechbar. Ihr Essverhalten war eher moderat. Sie bekam hochkalorische Kost, da sie über die normale Nahrung nicht genug Kalorien aufnahm. Auf den ersten Blick, ganz objektiv betrachtet, hatte sie ein hohes Dekubitusrisiko.
Frau B., ihre Zimmernachbarin, war das genaue Gegenteil: mobil, guter Ernährungszustand, voll orientiert, gutes Ess- und Trinkverhalten. Auf den ersten Blick erschient...