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Robin Hood

Geschichte einer Legende

AutorAndrew James Johnston
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2013
ReiheBeck'sche Reihe 2767
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783406645426
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Seit dem Mittelalter kursieren Erzählungen über Robin Hood und sie haben sich bis in die heutige Populärkultur fortgesetzt. Zahlreiche Kinofilme zeigen seine Taten immer wieder in neuem Licht. Doch gab es ihn, den «wahren», den «historischen» Robin Hood? Andrew James Johnston begibt sich auf die Spuren dieses Helden, dessen Bild die Zeiten überdauerte. Dabei stellt sich heraus, dass die Figur des Robin Hood, des Rächers der Armen und Entrechteten, eher einer Sehnsucht entsprang als tatsächlichen historischen Ereignissen. Seine Popularität speiste sich nicht zuletzt aus dem Wunsch, einer ungerechten, mit Zwängen behafteten Gesellschaft zu entfliehen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Andrew James Johnston ist Professor für Englische Philologie an der Freien Universität Berlin.

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Leseprobe

1. Die Suche nach dem ‹echten› Robin


Studenten ebenso wie interessierte Laien stellen in Bezug auf Robin Hood meist zuerst die Frage, wer er eigentlich war. Sie setzt die zwiespältige Annahme voraus, dass hinter der Legende eine fassbare realhistorische Person stehen müsse. Aber muss eine Legende überhaupt einen sogenannten ‹wahren Kern› haben, wie viele von uns es noch in der Schule gelernt haben? Stephen Knight, der wichtigste lebende Robin-Hood-Experte, verneint das entschieden. Für ihn ist Robin ein bloßer Mythos. Es besteht keinerlei Grund zu der Annahme, dass es wirklich einen identifizierbaren Menschen gegeben haben muss oder gar gegeben hat, der so etwas wie den Ursprung der Legende darstellt: eine Art historisches Original, auf das sich die Grundelemente der Robin-Hood-Legende irgendwie zurückführen ließen.

Tatsächlich gibt es alle möglichen legendären Figuren oder Geschichten, die keinen klar zu benennenden realhistorischen Ursprung haben, wie etwa die Päpstin Johanna. Umgekehrt kommt es sogar vor, dass völlig fiktive Figuren so legendär werden, dass sie für realhistorische Wesen gehalten werden. Bestes Beispiel ist Sherlock Holmes, der von Sir Arthur Conan Doyle frei erfundene Held zahlreicher Detektivgeschichten. Noch heute treffen in seiner angeblichen Adresse 221B Baker Street Briefe von Hilfesuchenden und Bewunderern ein. Offenbar erfüllt Sherlock Holmes bestimmte Sehnsüchte so perfekt, dass er gar nicht mehr als Fiktion wahrgenommen wird. Grundsätzlich bedarf es also keines realhistorischen Kerns, damit eine Legende das Publikum in ihren Bann schlagen kann.

Trotzdem steht natürlich die Frage im Raum, ob Robin Hood nicht vielleicht doch gelebt hat und historische Spuren von ihm erhalten sind, die aus der Welt der Legende in die der realen historischen Fakten hinüberführen. Schließlich wird die Öffentlichkeit immer wieder mit angeblich neuen ‹Erkenntnissen› zu Robin Hood konfrontiert, vorzugsweise von eher unseriösen Medien im Sommerloch. Aber auch ernsthafte Historiker haben wiederholt versucht, Beweise für Robins reale Existenz zu liefern. Allerdings sind sie damit allesamt gescheitert. Der wichtigste Robin-Hood-Forscher, der versucht hat, den ‹echten› Robin aus vermeintlichen historischen Indizien herauszupräparieren, war Sir James Holt. Er kam schließlich zu dem Ergebnis, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach mehrere Robin Hoods gegeben habe. Damit gesteht Holt eigentlich ein, dass der ‹eine› Robin nie existiert hat. Lässt man die Beweislage jedoch kurz Revue passieren, kann selbst Holts These von den mehreren ‹echten› Robin Hoods nicht mehr überzeugen.

Im Zentrum aller Versuche, Robin Hood als historische Person aufzuspüren, steht aus naheliegenden Gründen immer sein Name, denn er gaukelt uns vor, dass es sich hier um einen echten Menschen handelt. Auf den ersten Blick wirkt ‹Robin Hood› tatsächlich wie ein normaler englischer Personenname, der typischerweise aus mindestens einem Vornamen, ‹Robin›, und mindestens einem Nachnamen, nämlich ‹Hood›, besteht. Aber da fangen die Probleme schon an: Nachnamen entwickelten sich in England im Mittelalter nur langsam. Sie entstanden ab dem 12. Jahrhundert, doch wurden sie nur für Personen mit hohem sozialen Status gebraucht. In der Zeit, in der die Historiker den ‹echten› Robin Hood vorzugsweise vermuteten, im 13. Jahrhundert, gab es diese Art der Benennung für Menschen einfacher Herkunft noch nicht oder kaum. Daher ist ‹Hood› eher ein Beiname als ein Nachname im modernen Sinne. Und er ist durchaus kein sehr exklusiver Beiname, denn er leitet sich von einem alltäglichen Kleidungsstück ab, von der Kapuze, die von allen Schichten und daher eben auch von einfachen Leuten getragen wurde.

Und ‹Robin›? Dieser Vorname war in England nach der Normannischen Eroberung 1066 bald sehr weit verbreitet. Er kam mit den Normannen aus Frankreich und stellte zu jener Zeit einen Herkunfts- oder Zugehörigkeitsnamen dar. ‹Robin› benennt männliche Personen, die von einem Robert abstammen. Zusammen mit Verkleinerungsformen von Robert in verschiedenen Varianten (‹Robbe›, ‹Hobbe›) scheint ‹Robin› sogar häufiger vorgekommen zu sein als der volle Vorname ‹Robert›. Gemeinsam mit Henry, Richard, William sowie John und Edward bildet Robert einen der populärsten englischen Personennamen im Mittelalter. Wie weit der Name ‹Robert› im englischen Mittelalter verbreitet war, kann man daran erkennen, dass viele der noch heute in England geläufigen Nachnamen von ihm abgeleitet sind: Roberts, Robertson, Robb, Robbs, Robbins, Dobbins, Robson, Dobson, Hobson, Jobson, Hobbes, Hopkins sowie Robards, um nur einige der bekanntesten zu nennen.

Daher überrascht es nicht, dass in juristischen oder anderen Quellen des 13. Jahrhunderts gleich mehrere Personen auftauchen, die als ‹Robin Hood› bezeichnet werden. Doch ist es schon aus namenkundlichen Gründen unmöglich, auf dieser Basis eine Person eindeutig zu identifizieren. Dies gilt selbst dann, wenn die betreffenden Männer mit irgendwelchen Verbrechen in Verbindung gebracht oder von der Obrigkeit verfolgt wurden.

Über diese in Urkunden auftauchenden Menschen ist nämlich fast nichts bekannt. Nur wer unbedingt davon ausgehen will, dass es Robin Hood wirklich gegeben haben muss, wird diese Namen für aussagekräftig halten. Aber selbst wenn man bereit ist, sich auf diese Namen einzulassen, kommt man dem ‹echten› Robin Hood nicht näher. Der Grund liegt darin, dass es erstens mehrere gab und zweitens nicht hinreichend genaue Informationen vorliegen, um diese Namen zweifelsfrei einem einzigen historischen Individuum zuordnen zu können. Auch wenn ein Gesetzesbrecher aus dem 13. Jahrhundert mit dem Namen ‹Robin Hood› überliefert ist, fehlen schlicht die Belege, dass es sich dabei genau um den Robin Hood handelt. Nimmt man aber von vornherein an, dass eine Legende ohnehin keinen realhistorischen oder gar biographischen Ursprung braucht, dann besteht auch kein Grund, einen Zusammenhang zwischen diesen Zufallsfunden und dem legendären Gesetzlosen zu konstruieren.

Für den ‹echten› Robin Hood sind folgende dokumentarisch erfasste Kandidaten immer wieder herangezogen worden:

1. Robert Hood, belegt in den Jahren 1213–1216, ein zum Tode verurteilter Dienstbote des Abtes von Cirencester.

2. Robert of Wetherby, ein Gesetzloser aus Yorkshire, der im Jahre 1225 gehenkt wurde.

3. Ein ebenfalls aus Yorkshire stammender Gesetzloser namens Robert Hood, der auch als ‹Hobbehod› auftaucht und zwischen 1228 und 1232 in Erscheinung trat.

4. William le Fevere aus Berkshire – das heißt ‹William der Schmied› –, der laut einer Quelle 1261 mit den Behörden in Konflikt geriet und ein Jahr später in einer anderen Quelle als ‹William Robehood› bezeichnet wurde.

5. Schließlich ein Mann, der im Jahre 1354 wegen Gesetzesverstößen im Wald von Rockingham vor Gericht kam und sich selbst ‹Robin Hood› nannte.

Dies sind zwar durchaus nicht die einzigen Männer, die in den Quellen als ‹Robin Hood› oder unter einem vergleichbaren Namen in Erscheinung traten, aber sie sind alle in der einen oder anderen Weise straffällig geworden. Manche der Historiker, die versucht haben, den realhistorischen Robin Hood auf der Basis dieser Datenlage dingfest zu machen, gehen davon aus, dass es sich bei 2. und 3. um dieselbe Person gehandelt haben muss. In allen genannten Fällen ist die Faktenlage zu dünn und sind die Quellen nicht aussagekräftig genug: Wir wissen über diese Männer nur das, was in der Liste erwähnt ist. Warum nun gerade sie den Ursprung einer Legende darstellen sollten, lässt sich nicht erklären. Letztlich kann es aber nicht darum gehen, in den Quellen einen Übeltäter aufzuspüren, der zufällig ‹Robin Hood› genannt wird, sondern es müsste jemand gefunden werden, dessen Wirken und Umfeld ihn glaubwürdig zum Ursprung der Legende machen könnten. Und schließlich stimmen nur die unter 2. und 3. genannten Figuren im Ansatz mit dem überein, was uns die frühe Legende über Robin Hood sagt; denn diese beiden Männer sind in Yorkshire belegt, was geographisch zumindest einem Zweig der Robin-Hood-Legende entspricht. Der letzte in der Liste taucht eigentlich zu spät auf. Denn aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts stammen bereits die ersten Hinweise darauf, dass sich die Robin-Hood-Figur zur literarisierten und sprichwörtlich gewordenen Legende entwickelt hat. Ein echter Robin Hood kann hier sinnvollerweise gar nicht mehr existiert haben, denn er wäre in der peinlichen Lage gewesen, seiner eigenen Legende hinterherlaufen zu müssen.

Eine dieser fünf Figuren bleibt für das Problem des ‹echten› Robin Hood allerdings interessant: der aus Berkshire stammende William Le Fevere (Nr. 4), der 1261 und im Jahr darauf eines Vergehens wegen aktenkundig wurde. Denn hier taucht ein eigenartiger Befund auf: Von den zwei Quellen, in denen William erscheint, nennt die erste zur genaueren Identifikation seine Berufsbezeichnung. Er ist Schmied. Im England jener Zeit wird es mehrere zehntausend andere...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Impressum4
Inhalt5
Einleitung7
1. Die Suche nach dem ‹echten› Robin11
2. Die Anfänge der Legende17
3. Robins erste Verkörperung: die Robin-Hood-Spiele19
4. Die Robin-Hood-Balladen24
Die drei ältesten Balladen28
Bogen und Bogenschützen35
Der yeoman und sein historischer Kontext39
Der Robin der frühen Balladen: links oder konservativ?50
5. Erste Anzeichen des Aufstiegs: A Gest of Robyn Hode61
6. Die Robins der Frühen Neuzeit66
Wandel und Ende der Robin-Hood-Spiele68
Robin auf der Londoner Bühne75
7. Robin zwischen 1600 und 190089
Angelsachsen und Normannen90
8. Robin auf der Leinwand96
Der linke Film-Robin104
Der späte Robin: das Unbehagen an der Legende113
Schlussbemerkung120
Danksagung121
Weiterführende Literatur122
Filmografie123
Personenregister127

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