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E-Book

SAFE® - Sichere Ausbildung für Eltern

Sichere Bindung zwischen Eltern und Kind

AutorKarl Heinz Brisch
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783608101072
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Mit SAFE® lernen Eltern bereits in der Schwangerschaft, feinfühlig, prompt und angemessen auf die Signale ihres Kindes zu reagieren. Dadurch entwickeln die Babys eine sichere Bindung als stabiles Fundament ihrer Persönlichkeit. SAFE® ist ein erfolgreiches, expandierendes Erziehungsprogramm - vom wichtigsten Autor im Bereich Bindungsforschung. SAFE® bietet die Grundlage für eine gute Eltern-Kind-Beziehung. Werdende und junge Eltern haben viele Fragen: - Wie werde ich eine gute Mutter oder ein guter Vater? - Müssen Eltern immer da sein, Kinderkrippe ja oder nein? - Was tun, wenn die Eltern andere Bedürfnisse haben als das Baby? - Wie entsteht Verwöhnung? - Welche Grenzen braucht mein Baby? - Was tun, wenn das Baby schreit und nicht einschlafen kann? Ein Buch, das Eltern in den ersten Lebensjahren ihres Kindes begleiten wird. Es ist die beste Basis dafür, dass Kinder lebenslang selbstsicher, belastbar und sozial kompetent sind. Über das SAFE®-Programm SAFE ist ein Präventionsprojekt, das für alle Eltern ab der 20. Schwangerschaftswoche bis zum ersten Lebensjahr entwickelt wurde und ihnen helfen soll, eine sichere Eltern-Kind-Bindung aufzubauen. Babys, die ein solches »Urvertrauen« und eine sichere Bindung an ihre Eltern verinnerlicht haben, werden im Leben große Vorteile haben, denn eine sichere Bindung ist wie ein stabiles Fundament für die körperliche, geistige, seelische und soziale Entwicklung der Persönlichkeit des Kindes. Sicher gebundene Kinder - im Vergleich zu unsicher gebundenen - können schon im Kindergartenaltern besser mit Belastungen umgehen, haben mehr Bewältigungsstrategien, holen sich eher Hilfe, sind gerne in Gruppen und mit anderen Kindern zusammen, ihre Lernleistungen, Kreativität, Ausdauer, Gedächtnis, Sprachentwicklung sind besser und ihre Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen (Empathieentwicklung) ist schon sehr gut ausgeprägt. Daher gilt das sichere Bindungsmuster auch als »Schutzfaktor für die kindliche Entwicklung«, besonders, wenn das Leben einen mit Schwierigkeiten und Belastungen konfrontiert. Zusätzlich gibt es eine SAFE-Spezial-Kurse, etwa für Eltern mit Frühgeborenen, Adoptiv- und Pflegeeltern, Eltern mit vielen Belastungen, psychischen Erkrankungen, aber auch für Krippenerzieherinnen, Kindergärten, Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen. Wir haben inzwischen 3.500 Mentoren ausgebildet, die in ganz Deutschland solche SAFE-Eltern-Kurse anbieten, aber etwa ebenso in Österreich, der Schweiz, USA und Neuseeland. Karl Heinz Brisch

Karl Heinz Brisch, Univ.-Prof., Dr. med. habil., ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychiatrie und Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Neurologie; Psychoanalytiker für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Gruppen; Ausbildung in spezieller Psychotraumatologie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Er war bis 2020 Vorstand des weltweit ersten Lehrstuhls für Early Life Care und leitete das gleichnamige Forschungsinstitut an der PMU in Salzburg.Seine klinische Tätigkeit und sein Forschungsschwerpunkt umfassen den Bereich der frühkindlichen Entwicklung und der Psychotherapie von bindungstraumatisierten Menschen in allen Altersgruppen. Brisch leitete über viele Jahre die Abteilung für Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München und entwickelte dort das MOSES®-Therapiemodell zur erfolgreichen Intensiv-Psychotherapie von früh traumatisierten Kindern und Jugendlichen. Er entwickelte die Präventionsprogramme »SAFE® - Sichere Ausbildung für Eltern« und »B.A.S.E® - Babywatching«, die inzwischen in vielen Ländern Europas, aber etwa auch in Australien, Neuseeland und Russland Verbreitung gefunden haben. Brisch ist Gründungsmitglied der »Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der Frühen Kindheit« (GAIMH e. V. - German-Speaking Association for Infant Mental Health) und war dort viele Jahre lang im Vorstand. Die GAIMH ist eine Tochtergesellschaft der WAIMH - World Association for Infant Mental Health.Bis 2022 organisierte er die jährlich stattfindende renommierte Internationale Bindungskonferenz (www.bindungskonferenz.de) so wie von 2018 bis 2021 die Internationale Early Life Care Konferenz in Salzburg (www.earlylifecare.at).Brisch verbreitet die Inhalte und Ergebnisse der Bindungs- und Traumaforschung und -psychotherapie auch durch viele Publikationen, Vorträge und die Teilnahme an zahlreichen Radio- und Fernsehsendungen (www.khbrisch.de).

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Leseprobe
Vorwort Statt eines Vorwortes möchte ich Ihnen eine Anekdote erzählen. Diese soll verdeutlichen, warum es höchste Zeit wird, dass Eltern eine Hilfestellung bekommen, um die grundlegenden Bedürfnisse ihres Babys verstehen und so darauf antworten zu können, dass sich ihr Kind gesund entwickeln wird: Eine sichere Bindungsentwicklung und das damit verbundene Urvertrauen wirken wie ein großer Schatz auf seiner anstehenden Weltreise. Als meine eigenen drei Kinder in die Pubertät kamen, entschieden wir uns in der Familie - nach vielen Diskussionen über die Vor und Nachteile- für einen Hund. Es sollte ein bindungsorientierter Hund sein, also kam nur ein Hütehund in Frage. Schließlich waren wir alle sehr aufgeregt, als wir Mira, eine Australian Shepherd Hündin, erstmals bei uns zu Hause hatten. Obwohl uns die Züchterin eine Menge an guten und ganz wichtigen Ratschlägen für die erste Zeit mitgegeben hatte, waren wir alle so begeistert, dass jeder vor lauter Glück so ziemlich alles mit dem kleinen Welpen machte, was ihm und dem Tier Freude bereitete. Als meine Frau und ich zum ersten Malganz stolz mit unserem Welpen spazieren gingen, trafen wir viele andere Hundebesitzer mit ihren Hunden. Wir wurden freundlich und mit Neugier in die Gemeinschaft der Hundebesitzer aufgenommen und mussten viele Fragen zur Rassebeantworten. Schließlich wurden wir mit der Frage konfrontiert, in welche Hundeschule wir mit unserem Welpen gehen wollten. Meine Frau und ich schauten uns etwas verlegen an, weil wir uns darüber noch keine Gedanken gemacht hatten. Kritisch wurden wir von den anderen Hundebesitzern darauf aufmerksam gemacht, dass der Besuch einer Hundeschule für die Erziehung des Welpen absolut notwendig sei. Man könne- nur aufgrund fehlenden Wissens- bei einem Welpen so viel verkehrt machen, dass man später zeitlebens mit einem Hund zu kämpfen habe, der sich nur wegen falscher Erziehung und Verhaltensweisen seiner Besitzer alle möglichen Macken angeeignet habe; diese könne man womöglich nie mehr verändern. Meine Frau und ich waren sehr betroffen und dachten daran, dass uns bei unseren ersten Spaziergängen mit unserem ersten Baby niemand gefragt hatte, in welche Eltern Baby-Schule wir gingen. Wir lernten schließlich in der Hundeschule, die wir mit der ganzen Familie jeden Sonntag regelmäßig besuchten, eine ganze Menge über die Signale unseres Hundes, die richtigen Antworten und Verhaltensweisen und über Hunde und ihre grundlegenden Bedürfnisse allgemein. Wir waren hierfür sehr dankbar, denn diese Anleitungen erleichterten uns den Umgang mit unserem Welpen sehr und gaben uns auch Sicherheit, denn wir konnten in der Schule jederzeit auch Fragen stellen und fühlten uns sehr gut begleitet. Im Nachhinein fragten sich meine Frau und ich, warum wir vor der Geburt und während der ersten Lebensjahre unseres ersten Kindes nicht auch eine solche Schulung erhalten hatten- sie hätte uns, rückblickend, sehr geholfen, manches mit unserem ersten Baby nicht per »Versuch und Irrtum« auszuprobieren und schließlich zu Antworten zu kommen, von denen wir damals nicht wussten, ob sie wirklich entwicklungsfördernd für unser Kind sein würden. Babys sind keine Welpen, dennoch wird von Eltern ganz ähnlich erwartet- und es ist noch wichtiger-, dass sie etwa lernen, die Signale ihres Kindes richtig zu deuten und die angemessenen Antworten hierauf zu wissen, und dass sie die lebenswichtigen Entwicklungsbedürfnisse eines Babys kennen und verwirklichen. Hierzu gehört ganz grundlegend das Bedürfnis des Babys nach einer sicheren Bindung. Wie diese entsteht, wie Eltern diese gezielt fördern können und wie sie auf diesem Hintergrund Signale des Babys, etwa sein Weinen, verstehen und beantworten, davon berichte ich in diesem Buch. Einleitung Für viele Eltern ist es eine sehr aufregende Erfahrung, wenn sie ihr erstes Baby erwarten oder es nach der Geburt dann erstmals in ihren eigenen Händen halten können. Da Babys nicht mit einer Gebrauchsanweisung nach neun Monaten nach Hause geliefert werden, schon gar nicht mit einer individuellen Anweisung, wie gerade dieses spezifische Baby zu pflegen wäre, ist es nicht verwunderlich, dass viele Eltern sehr verunsichert sind. Sie probieren, sich mit eigenen Ideen, aber auch mit Wissen und Ratschlägen von allen möglichen Seiten, einschließlich Büchern, letztlich aber über »Versuch und Irrtum« mit ihrem ersten Baby durchzuschlagen. Dabei hoffen sie, dass das Baby mit den unterschiedlichen, manchmal einander widersprechenden Verhaltensweisen der Eltern, etwa auch noch der Großeltern, Babysitter und Tagesmütter oder Krippenerzieherinnen, schon irgendwie zurechtkommen und sich trotzdem gesund entwickeln werde. Für die meisten Eltern ist das Baby, das sie auf dem Arm halten, das Kostbarste und Wertvollste, was sie je in Empfang nehmen durften. Sie sind glücklich und dankbar und wollen nur das Allerbeste für ihr Kind und seine Entwicklung. Aber was ist eine gute Grundlage für eine glückliche Entwicklung des Säuglings? Was sollten Eltern ihrem Kind unbedingt mit auf den Weg geben? Wodurch könnte seine Persönlichkeit schon sehr früh Schaden leiden? Wie kann man sich ihm gegenüber feinfühlig verhalten und seine Signale verstehen? Bei einer kleinen Befragung in der Innenstadt betonen Mütter und Väter mit Säuglingen, dass ein Säugling unbedingt eine gesunde Ernährung, frei von Schadstoffen und Giften, frische Luft und viel Bewegung und, für eine frühzeitige Bildung des Gehirns, anregendes Spielzeug brauche. Eine Mutter sagt einfach nur, dass ihr Kind »viel Liebe« erfahren soll. Mit dem Wunsch der Mutter, ihr Kind solle möglichst umfassend und bedingungslos geliebt werden, sind wir schon ganz nah an dem grundlegenden Bedürfnis des Säuglings nach einer sicheren Bindung an seine Eltern. Weil eine sichere Eltern-Kind-Bindung ein so absolut notwendiges und ganz stabiles Fundament für die Persönlichkeit von Kindern ist, entwickelte ich einen speziellen Elternkurs mit dem Namen SAFE ® , eine Abkürzung, die für »Sichere Ausbildung für Eltern« steht. Ziel dieses Kurses ist es, den Eltern schon ab Beginn der Schwangerschaft zu helfen, dass sie mit ihrem Kind bis zum Ende des ersten Lebensjahres eine sichere Eltern-Kind-Bindung aufbauen und damit das Fundament für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung ihres Kindes legen können. Die Themen und Probleme, die in diesem Buch dargestellt werden, sind die Inhalte, die im SAFE ® Kurs vermittelt werden. Im Folgenden werden zunächst in einem sehr umfassenden Teil (die ersten zwei Kapitel) die Grundlagen einer sicheren Bindungsentwicklung beschrieben. Am Ende wird aufgezeigt, wie Störungen der Bindungsentwicklung aussehen, wie ihre Entstehung verstanden werden kann und wie sie behandelt werden können. Anschließend beschreibe ich die Phasen der Bindungsentwicklung in der Schwangerschaft und nach der Geburt sowie die Entwicklung der Eltern-Kind-Beziehung im ersten Lebensjahr. Ich gehe auch besonders auf Schwierigkeiten und bindungsorientierte Lösungen mit dem weinenden Baby, auf Füttern, Schlafen, Trennung und den »Erforschergeist« von kleinen Kindern ein. Ideale Wunschvorstellungen über die ideale Mutter, den idealen Vater und das ideale Babys werden genauso betrachtet wie die realen Probleme der Familienmitglieder. Ich zeige auf, welche Bedeutung eine lebendige Partnerschaft für eine gesunde Entwicklung des Babys hat. Besonders wird auch auf die Möglichkeit der Wiederholung eigener Kindheitserfahrungen mit dem Baby eingegangen und es werden mögliche Hilfestellungen aufgezeigt, wie Teufelskreise, die seit Generationen Familien beherrschen, unterbrochen werden können. Verschiedene Formen der Fremdbetreuung von Babysitter bis Krippe und ihr Einfluss auf die Bindungsentwicklung werden diskutiert. Der von mir beschriebene »Sicherheitskreis« ermöglicht ein besseres Verstehen der Loslösung und Selbständigkeitsentwicklung des Säuglings. Bindungsorientierte Hilfestellungen für Probleme mit Trennung, Ablösung und Wutanfällen werden aufgezeigt. Abschließend gebe ich einen Überblick über den Aufbau und die Inhalte eines SAFE ® Kurses, der speziell dabei helfen soll, die sichere Bindungsentwicklung zu fördern und Störungen in der kindlichen Entwicklung zu verhindern. Diese Informationen sollen den Eltern helfen, sich für die Teilnahme an einem SAFE ® Kurs zu entscheiden. Alle Beispiele im Buch - ebenso die Namen - sind frei erfunden, sie beruhen aber auf langjähriger klinischer Erfahrung; sie sollen die theoretischen Ausführungen veranschaulichen. Dieses Buch sei allen Schwangeren, Müttern und ihren Partnern empfohlen, wenn sie sich auf die Ankunft ihres Babys und die ersten Lebensjahre gut vorbereiten möchten und erfahren wollen, wie sie ihrem Kind durch eine sichere Bindungsentwicklung die grundlegende Erfahrung von Urvertrauen, Sicherheit und Geliebt werden mit auf seinen Entwicklungsweg geben können. Es kann auch von Eltern, die einen SAFE ® Kurs besuchen, als ein Begleittext zum Kurs gelesen werden. Auch Fachleute unterschiedlicher Berufsgruppen, die mit der Betreuung von Schwangeren, Eltern und Säuglingen beschäftigt sind, können von den Inhalten dieses Buches für ihre Arbeit profitieren. Karl Heinz Brisch München, im Januar 2010 Die Entwicklung einer sicheren Eltern-Kind-Bindung Bindung ist nach John Bowlby, dem Begründer der Bindungstheorie, ein unsichtbares emotionales Band, das zwei Menschen über Raum und Zeit sehr spezifisch miteinander verbindet. Ein Säugling kommt mit der genetisch angeborenen Bereitschaft auf die Welt, sich eine sichere Bindungsperson zusuchen, die ihm Schutz, Pflege und Unterstützung zukommen lässt. Im Laufe des ersten Lebensjahres entwickelt er eine solche spezifische emotionale Bindung an eine so genannte Hauptbindungsperson. Diese emotionale Bindung sichert das Überleben des Säuglings und kann auch als sein »sicherer emotionaler Hafen« bezeichnet werden. Wir alle haben hoffentlich solche Bindungsbeziehungen, in denen wir uns mit anderen Menschen über Raum und Zeit verbunden fühlen, obwohl diese gar nicht bei uns in der Nähe sind. Hören wir einen solchen Menschen am Telefon oder lesen einen Brief von ihm, sehen ihn sogar im Videotelefon, so entsteht ein Gefühl von Sehnsucht. Wir wünschen uns den anderen Menschen jetzt ganz in unserer Nähe und würden ihn am liebsten in unsere Arme schließen. Diese Reaktionen sind sehr typisch, wenn unser Bindungsbedürfnis in uns ausgelöst wird oder- wie die Forscher sagen- unser Bindungssystem aktiviert wird. Auch das Heimwehgefühl von Kindern und Erwachsenen kann so gut erklärt werden. Das starke emotionale Band zur Bindungsperson wird durch eine Trennung »gespannt«, der emotionale Schmerz der Trennung ist so groß wie körperlicher Schmerz und mit ihm vergleichbar. Nur kann der seelische Schmerz des Bindungsbedürfnisses kaum durch Schmerzmittel beruhigt werden, sondern in der Regel nur durch die Bindungsperson selbst. Alkohol und Drogen können zwar die Wahrnehmung des Bindungsschmerzes überdecken, aber damit ist das Bedürfnis selbst nicht weg. Wichtig ist, dass diese emotionalen Bindungsbeziehungen spezifisch sind. Dies bedeutet, dass die Bindungsperson nicht durch irgendwelche anderen Personen beliebig zu ersetzen ist. BEISPIEL Eine erwachsene Frau, Isabel, vermisst ihren geliebten Partner Florian sehr, weil dieser für mehrere Wochen berufsbedingt im Ausland weilt. In ihrem Schmerz weint sie sich bei ihrer besten Freundin aus und jammert, dass sie sich ihren Partner so sehr herbeiwünsche. In einer solchen Situation hilft es in der Regel nicht, wenn die Freundin mit dem Ratschlag kommt, ihre beste Freundin solle sich doch an den Nachbarn nebenan wenden, der sei auch nett und könne sie vielleicht ein wenig über den Verlust hinwegtrösten . Wenn es sich wirklich um eine Bindungsbeziehung handelt, wie wir sie auch in guten Partnerschaften finden, würde die Freundin erschreckt aufschauen, ihre ratgebende Freundin womöglich zurechtweisen und sagen, dass ihre partnerschaftliche Bindungsbeziehung eben spezifisch und daher auch der vermisste Partner nicht so einfach wahllos durch den fremden Nachbarn zu ersetzen sei . Manchmal versuchen wir in solchen Situationen, uns mit anderen Menschen zu trösten, wohl wissend, dass dieser Trost letztendlich doch nicht den vermissten Partner ersetzen kann. Ähnlich ergeht es schon Säuglingen im ersten Lebensjahr und Kindern: Wenn sie ihre Bindungsperson vermissen, lassen sie sich nicht einfach trösten, indem man sie einer noch so netten, aber fremden Babysitterin in den Arm drückt. Wenn diese Babysitterin keine Bindungsperson ist, werden die Kinder erbost den Kontakt ablehnen, ärgerlich werden und auch ohne Worte durch ihre Körpersignale deutlich machen, dass sie eine spezifische Bindungsbeziehung zu ihren Eltern, etwa der Mutter oder dem Vater, haben und dass diese nicht durch eine beliebige, fremde Babysitterin zu ersetzen seien. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Babysitterin hochqualifiziert und pädagogisch ausgebildet ist, denn das emotionale Band kommt durch die spezifischen emotionalen Erfahrungen mit der Bindungsperson zustande und beruht nicht auf pädagogischen Ausbildungen und Wissen um die Erziehung eines Babys. Wenn die Bindungsperson, die vermisst wurde, endlich erscheint, sei es der Partner oder die Mutter oder der Vater, gibt es in der Regel eine große Freude- auf beiden Seiten, weil sich die Getrennten endlich in die Arme schließen können. Es wird für alle deutlich sichtbar, dass sich das über die Trennung so heftig gespannte emotionale Band der Bindung jetzt wieder langsam »entspannen« kann. Für alle Beobachter werden die Entspannung und das Glück, mit der Bindungsperson wieder zusammen zu sein, erlebbar. BEISPIEL Max ist zweieinhalb Jahre alt. Er möchte unbedingt mit den Großeltern in die Ferien fahren. Er packt schon selbst sein kleines Köfferchen und wartet mit Hochspannung darauf, endlich ins Auto klettern zu dürfen, um mit den Großeltern loszufahren. Kaum sind die Großeltern mit Max losgefahren, fragt er schon ganz erwartungsvoll: »Sind wir bald da?« Er kann es kaum erwarten, endlich anzukommen, und fragt unmittelbar später: »Wann fahren wir wieder zurück?« Je länger die Reise dauert, desto häufiger fragt Max, wann er wieder zurück zur Mama dürfe, wann die Reise zu Ende sei, denn er vermisse seine Mama so sehr, dass er ganz schnell wieder nach Hause wolle . Es wird deutlich, wie das emotionale Band bei ihm mit zunehmender räumlicher und zeitlicher Distanz von zu Hause »gespannt« wird und er sich in Gedanken ständig damit beschäftigt, dass er seine Bindungsperson vermisst und sich diese wieder zurückwünscht. Es hilft ihm, dass er seinen Teddybär dabeihat, den er die ganze Zeit im Arm hält und der symbolisch für seine Mama steht, die er vermisst. Er erzählt seinem Teddy von der großen Reise, die er mit den Großeltern unternimmt. Gleichzeitig tröstet er den Teddybär und erzählt ihm, dass er - der Teddybär - bald wieder zu Hause bei seiner geliebten Mama sein werde. Lebenswichtige Bedürfnisse eines Säuglings und Kleinkindes Es gibt einige grundlegende Bedürfnisse, die unbedingt erfüllt sein müssen, damit sich Säuglinge- vielleicht Menschen überhaupt- entwickeln können. Physiologische Bedürfnisse Damit Säuglinge gesund aufwachsen können, müssen einige physiologische Grundbedürfnisse befriedigt werden. Hierzu gehören ausreichend Nahrung und genug zum Trinken, aber auch ausreichend Schlaf, ein Dach über dem Kopf sowie frische Luft zum Atmen. Die Erfüllung dieser Bedürfnisse ist so grundlegend, dass auf sie in gar keiner Weise verzichtet werden kann. Sobald die Luft zum Atmen fehlt oder die richtige Ernährung oder auch der Schlaf, geraten Säuglinge bzw. Menschen im Allgemeinen in einen zunehmend stressvolleren Erregungszustand, der schließlich zu entsprechenden Symptomen führt. Im schlimmsten Fall sterben wir Menschen, wenn wir diese physiologischen Bedürfnisse nicht in ausreichender Weise befriedigen können. Das Bindungsbedürfnis Von Geburt an bringt der Säugling ein genetisch bedingtes Bedürfnis mit, sich an eine Person zu binden, die größer, weiser, klüger ist und ihm Schutz und Sicherheit gewähren kann. Dieses Bedürfnis ist in der Evolutionsgeschichte offensichtlich schon sehr früh angelegt worden, denn wir finden es selbst bei Vögeln sowie bei allen Säugetieren und natürlich auch bei unseren nächsten Verwandten, den Menschenaffen. Wichtig ist, dass dieses Bedürfnis ein grundlegendes Bedürfnis ist und dem Überleben dient. Das Bedürfnis selbst muss aber Wenn Kinder Angst bekommen, wenden sie sich normalerweise an ihre Bindungsperson. Ist diese nicht da, gehen sie bevorzugt zu ihrer Lieblingserzieherin. Es kann aber sein, dass diese in der Eingewöhnungsphase noch zu fremd ist und sich das Kind bei ihr nicht sicher fühlt. Dann sind die Fähigkeiten, wie etwa das Gedächtnis und die Erinnerung, eingeschränkt. Dieses Grundprinzip, dass Bindungssicherheit die Voraussetzung für erfolgreiches Lernen ist, gilt in allen Altersstufen. Die grundlegenden Voraussetzungen zur Entwicklung einer sicheren Bindung Es ist gut vorhersehbar und hängt nicht vom Zufall ab, welche Person sich das Kind zu seiner Hauptbindungsperson auswählt. Die Verhaltensweisen, welche die Eltern zum Beispiel ihrem Kind gegenüber zeigen, sind ganz entscheidend dafür, dass sich ein Kind an eine Pflegeperson bindet. Diejenige Person, die ihm gegenüber in den verschiedensten Interaktionen mit der größten Feinfühligkeit reagiert, hat eine große Chance, für das Kind eine Hauptbindungsperson zu werden. Für das Kind ist es durchaus möglich, dass nicht seine leiblichen Eltern seine Hauptbindungspersonen werden. Schon der Säugling schaut und erlebt sehr genau, welche Personen seines Umfelds sich ihm gegenüber in den verschiedensten Verhaltensweisen empathisch verhalten. Genau an diejenigen wird er sich mit seinem Bindungsbedürfnis wenden. Die Bedeutung der Feinfühligkeit Eine feinfühlige Pflegeperson muss in der Lage sein, die Signale eines Säuglings wahrzunehmen, diese richtig zu interpretieren und angemessen und prompt darauf zu reagieren. BEISPIEL Es ist Samstagmorgen, 4:10 Uhr. Die Mutter wacht auf, weil Sarah (11 Monate alt) weint. Sie überlegt kurz, was dieses Weinen zu bedeuten hat, aber es ist ihr unmittelbar klar, dass dies ein »Hungerweinen« sein muss. Der zeitliche Abstand zum letzten Stillen passt auch sehr gut, so dass sie schließlich aufsteht, Sarah aus ihrem Bettchen nimmt und an die Brust legt. Diese trinkt daraufhin durstig und hört unmittelbar auf zu weinen. Als die Mutter am gleichen Morgen erneut um 5:20 Uhr aufwacht, weil Sarah einen schrillen Schrei ausstößt und erneut weint, überlegt sie kurz, ob dies erneut Hunger sein könnte. Aber das Weinen hört sich anders an und die Zeit passt auch nicht, weil sie erst vor einer Stunde gestillt hat. Aus diesem Grund entscheidet sie sich schließlich dafür, aufzustehen und Sarah aus ihrer Wiege zu nehmen. Sie trägt sie - mit Körperkontakt - tröstend und mit leisem Singen im Wiegeschritt durch die Wohnung, weil sie vermutet, dass sie Zahnschmerzen hat. Es dauert etwas, aber dann beruhigt sich Sarah wieder. Sie schläft auf ihrem Arm ein, so dass die Mutter sie schlafend ins Bettchen zurücklegen kann. Etwa eine Stunde später, um 6:30 Uhr, wacht Sarah erneut weinend auf und jammert und schimpft vor sich hin . Die Mutter hört das Weinen und überlegt sich, was nun los sein könnte. Schließlich steht sie auf und sieht, wie Sarah sie strahlend anlächelt, als sie zur Tür hereinkommt. Sie streckt die Ärmchen aus und will auf den Arm genommen werden. Unmittelbar, nachdem sie die Mutter sah, hat sie aufgehört zu weinen. Der Mutter ist rasch klar, dass es weder Hunger noch Zahnschmerzen sind, die Sarah weinend haben aufwachen lassen. Vielmehr ist Sarah jetzt mehr oder weniger ausgeschlafen und möchte die Welt erkunden und spielen . »Mir ist langweilig, so alleine im Bettchen zu liegen«, sagt sie auf ihre Weise . Die Mutter nimmt sie auf den Arm, geht mit ihr etwas durch die Wohnung und schaut schließlich mit ihr ein Bilderbuch an; darüber wird Sarah noch mal etwas müde, und die Mutter kann sie tatsächlich noch mal für einen kurzen Schlaf bis um 7:20 Uhr ins Bettchen legen . Dann aber ist die Nacht vorbei und Sarah steht endgültig im Bettchen . Sie ruft, weint und protestiert und möchte nun ausgeschlafen und voller Energie den Tag erkunden . Sie jetzt länger im Bettchen zu lassen würde zorniges, protestierendes Weinen hervorrufen, denn einer ausgeschlafenen Sarah ist es ausgesprochen langweilig, wenn sie alleine in ihrem Bettchen steht . Die Frustration, nicht erkunden zu können, wäre jetzt zu groß. Feinfühlige Eltern müssen sich sehr genau überlegen, wie sie die Signale ihres Kindes, hier das Weinen, interpretieren. Säuglinge weinen, weil sie etwa Hunger, Durst, Langeweile oder Angst haben, weil sie wütend sind, Schmerzen haben, ihre Windel voll ist, es ihnen zu warm oder zu kalt ist, weil ihre Eltern sich streiten. Manchmal weiß man überhaupt nicht, warum ein Säugling unglücklich ist, der lauthals weint und über dessen innere Befindlichkeit man im Moment nur rätseln kann, ohne direkt eine Antwort zu finden. Stattdessen kann man das Baby einfach nur trösten und muss die Spannung, die mit dem Weinen verbunden ist, zunächst einmal aushalten. Weil dies sehr anstrengend ist, können und müssen sich die Eltern hierbei ablösen. Eine alleinerziehende Mutter braucht in einer solchen Situation, wenn ihr Kind länger und öfters für Stunden weint, dringend Hilfe durch Dritte. Andernfalls liegen die Nerven der Mutter bald blank. Dies ist eine Situation, in der die Nerven einem auch »durchgehen« können und es passieren kann, dass Eltern ein Kind schütteln oder anderweitig nicht feinfühlig behandeln. Feinfühlige Eltern probieren aus, wie sie das Signal ihres Säuglings angemessen beantworten können, und sind geduldig, verschiedenste Dinge auszuprobieren, bis sie die passende Antwort gefunden haben. Sie können sich auch eher Hilfe holen, wenn sie überfordert sind. Wenn ein Säugling aus Hunger weint, muss er gefüttert werden; weint er wegen Schmerzen, muss er getröstet werden, weint er aus Langeweile, braucht er Anregungen und gemeinsames Spiel. Manche Eltern bieten ihrem Säugling grundsätzlich und immer etwas zu essen an, wenn er weint, ohne genau zu unterscheiden, was eigentlich die Ursache des Weinens ist. Da das Saugen grundsätzlich beruhigend wirkt, egal aus welchem Grunde ein Baby aufgeregt weint, glauben die Eltern, die richtige Antwort auf das Weinen gefunden zu haben. Stimmt die Antwort aber nicht, weil der Säugling Angst hat und nicht hungrig ist, wird er bald wieder weinen. So kann es kommen, dass sich ein Säugling innerhalb einer Stunde mehrfach weinend meldet und unzufrieden bleibt. Er lernt aber auf die Dauer, dass er sich mit Nahrung- später auch selbst- mehr oder weniger etwas beruhigen kann. Auf diese Weise wird verständlich, dass ein Kind dann später gerne nach Nahrung verlangt oder sich diese auch selbst holt, wenn es aufgeregt ist- egal aus welchem Grund. Die Bedeutung des sprachlichen Austauschs Eine sichere Bindung wird unter anderem auch gefördert, indem die Bindungspersonen, etwa die Eltern, von Anfang an viel mit ihrem Kind sprechen; denn das Gehör ihres Säuglings ist bereits perfekt ausgebildet. Das Sprechen ist zunächst einmal bedeutungsvoll, damit das Sprachzentrum des Kindes entsprechend angeregt wird. Es ist aber nicht egal, worüber die Eltern mit dem Säugling sprechen. Wenn sie über die inneren Befindlichkeiten und Gefühle ihres Kindes sprechen sowie auch über seine Handlungen, fördert dies die sichere Bindung. Sie geben dem Kind auf diese Weise zu verstehen, dass sie nachvollziehen können, was es gerade fühlt, denkt oder auch tun möchte. Auf diese Weise fühlt sich das Kind sicher und verstanden. Sprechen die Eltern dagegen über das, was sie selbst gerade beschäftigt- dies muss nichts mit dem Kind zu tun haben-, oder wollen sie ihm etwas beibringen, so ist das Kind, insbesondere wenn sein Bindungssystem angstvoll aktiviert ist, hierfür überhaupt nicht aufnahmefähig. Es wird sich durch das Sprechen der Eltern nicht unbedingt sicherer fühlen. Erst wenn das Gefühl von Sicherheit hergestellt ist, können die Eltern mit dem Kind zum Beispiel ein Bilderbuch anschauen und erwarten, dass es sich auch in seiner Neugier auf die Inhalte des Bilderbuches und das, was die Eltern ihm zu den Bildern erzählen, einstellen kann und darüber erfreut ist. Wenn die Eltern mit ihrem Kind sprechen, ist es von großer Bedeutung, dass bereits kleine Zwiegespräche entstehen. Diese Zwiegespräche schon mit einem Säugling sehen so aus, dass dieser Laute von sich gibt, indem er die Mutter anschaut und plappert. Die Mutter greift dies freudig auf und sagt etwa: »Oh ja, was erzählst du mir, erzähl mir mehr, das ist ja spannend...«.So ermutigt sie ihr Baby, mehr zu plappern. Sie gibt auch seinen Lauten eine eigene Bedeutung und benennt spezifische Inhalte, die dem entsprechen könnten, was den Säugling tatsächlich gerade beschäftigt, was er gerade fühlt oder was er gerade der Mutter erzählen oder ihr gegenüber zum Ausdruck bringen möchte. Die Mutter verleiht auf diese Weise den noch undeutlichen, »gurrenden« Äußerungen des Säuglings Inhalt, Gefühl und Bedeutung. Dabei ist es wichtig, dass die Mutter ihre eigenen Gefühle nicht auf den Säugling überträgt, sondern sich sehr empathisch in die Innenwelt ihres Kindes hineinversetzen kann und aus deren Perspektive heraus diese Inhalte in Sprache und Worte umformuliert. Natürlich kann es hierbei zu kleinen Missverständnissen kommen, so dass die Mutter das, was sie gerade formuliert hat, wieder korrigieren oder in neue Worte fassen muss. Dies ist überhaupt nicht tragisch, viel mehr entspricht dies der Realität. Wenn Missverständnisse in Bezug auf die Äußerungen oder Handlungen des Babys, die zunächst von den Bindungspersonen falsch verstanden wurden, korrigiert werden, ist dies der Entwicklung einer sicheren Bindung förderlich. Ist das kleine Zwiegespräch zwischen Mutter und Kind so gestaltet, dass beide gleichzeitig- und womöglich auch noch über verschiedene Inhalte- sprechen, so fördert dies nicht die sichere Bindung. Auch wenn die Bindungsperson zu rasch und zu schnell auf jede kleine Lautäußerung reagiert, könnte dies vom Kind als verfolgend und bedrohlich erlebt werden. Dies hätte womöglich zur Folge, dass sich das Baby dann eher zurückzieht und weniger plappert. Die Mutter müsste sich in diesem Falle mehr zurücknehmen und auf die Lautäußerungen des Kindes warten sowie für dieses auch mehr Zeit und Raum einräumen. Ist das Zwiegespräch so gestaltet, dass der Säugling im Zusammensein mit der Mutter plappert, diese aber, zum Beispiel wegen einer depressiven Verstimmung, überhaupt nicht darauf reagiert, stattdessen gedankenversunken aus dem Fenster schaut und deswegen das wunderbare Plappern des Säuglings weder wahrnimmt noch sich ihrerseits einbringt, entsteht ebenfalls eher eine unsichere Bindung. Die Bedeutung von Blickkontakt Blickkontakt ist extrem wichtig, um eine sichere Bindung zwischen der Bindungsperson und ihrem Säugling zu fördern. Der Blickkontakt zum Säugling ermöglicht es uns, dass wir die Gefühle und Stimmungen des Säuglings über seine Mimikwahrnehmen und entsprechend ins Wort bringen können. Gleichzeitig ist es dem Säugling möglich, an der Mimik der Mutter die verschiedensten Gefühle zu studieren. Besonders während der Stillsituation hat der Säugling einen idealen Abstand von circa 20cm zum Gesicht der Mutter, so dass- ganz typisch- Säuglinge nach einer ersten Stillphase aufhören zu saugen und das Stillen unterbrechen, um den Blick zur Mutter zu wenden. So können sie aufgrund von deren Mimik die emotionalen Botschaften und Ausdrücke vom Gesicht der Mutter ablesen. Wenn die Mutter dann noch darüber spricht, wie sie sich gerade fühlt oder was sie gerade erlebt- etwa über ihre Freude, dass der Säugling so fein an der Brust trinken kann, oder darüber, wie aufmerksam er ihr Gesicht beobachtet oder ob er schon satt ist oder nur eine kleine Pause macht-, wird dies die Entwicklung einer sicheren Bindung fördern. Die feinsten Abstimmungen unserer Gefühle, die gerade dann von besonderer Bedeutung sind, wenn wir uns nicht oder noch nicht mit einem Säugling über Sprache verständigen können, werden über Blickkontakt und Mimik wahrgenommen und ausgetauscht. Sie dienen so schon sehr früh der vorsprachlichen Verständigung zwischen dem Säugling und seiner Bindungsperson. Die Bedeutung von Berührung Körperkontakt zwischen der Bindungsperson und dem Säugling, etwa feinfühlige Berührung und Massage, sind verschiedene Formen der feinfühligen Interaktion, die eine sichere Bindung fördern. Je körpernaher der Kontakt und der Austausch mit einem Säugling ist, umso feinfühliger muss dies geschehen. Hier ist es ganz besonders wichtig, dass die Bindungsperson die Körperreaktionen ihres Kindes wahrnimmt- ob es etwa die Ärmchen ausstreckt oder das Köpfchen oder sogar den ganzen Körper wegdreht, mit den Ärmchen signalisiert, dass es mehr von der entsprechenden Berührung möchte, oder genau das Gegenteil ausdrückt. Wenn ihm die Berührung zu viel wird oder zu intensiv ist, wird der Säugling u.U. sein Unwohlsein durch die zu intensive positive Stimulation dadurch zum Ausdruck bringen, dass er etwa sogar die Hände der Mutter ergreift und sie an der Babymassage hindert. Über Blickkontakt und indem sie die Körpersignale des Säuglings »liest«, sollte es der Mutter möglich sein, die Dosis und die Intensität der Berührung und des Körperkontaktes genau auf die Bedürfnisse ihres Kindes abzustimmen; je feinfühliger dies geschieht und je besser die Abstimmung ist, desto mehr wird die sichere Bindung des Säuglings gefestigt. Eine Baby-Massage durch die Mütter, wie sie in vielen Kulturen üblich ist, fördert zweifelsohne die emotionale Bindung zwischen Mutter und Kind, allerdings nur, wenn sie feinfühlig ausgeführt wird. Gleichzeitig werden durch die Körperberührung und die damit verbundene Stimulation Hormone ausgeschüttet. An vorderster Stelle ist hier das Hormon Oxytozin zu nennen. Dieses hat vielfältige physiologische Funktionen: Wenn durch Körpermassage und Berührung- etwa im Brustbereich- Oxytozin ausgeschüttet wird, führt dies zu einer allgemeinen Öffnung der Blutgefäße, einer Senkung des Blutdrucks, einer Umstimmung des Nervensystems in Richtung von Beruhigung und Entspannung. Gleichzeitig hat das Oxytozin noch eine weitere Wirkung: Im Gehirn wirkt es auch als ein so genanntes »Bindungshormon«, denn es vermittelt uns ein Gefühl der Vertrautheit gegenüber dem Menschen, der in unserer Nähe ist. Aus diesem Grunde wird es in der Presse oft auch als »Kuschelhormon« oder »Liebeshormon« bezeichnet. Wenn also die Mutter ihr Baby feinfühlig massiert, fördert dies auch das Gefühl des Säuglings von einer sicheren Bindung, von Nähe und Vertrautheit gegenüber seiner Mutter. Stressregulation und Bindungssicherheit Durch verschiedene feinfühlige Interaktionen, etwa durch Körperkontakt, gelingt es der Bindungsperson in der Regel, das Bindungsbedürfnis des Kindes, dessen Aktivierung beispielsweise durch Weinen zum Ausdruck gebracht wird, zu befriedigen. Wenn dies nicht geschieht und die Mutter den Säugling etwa nicht auf den Arm nimmt, wird dieser immer mehr weinen, bis er schließlich in einem panischen Zustand ist. Solche Zustände sind für den Säugling sehr erregend, weil sie seine Stressregulationen überfordern. Er wird hierbei ein Gefühl von Panik und Todesangst erleben und sich vollkommen ausgeliefert, ohnmächtig und alleine fühlen. Ist der Säugling erst einmal so in Panik, reagiert er auch auf Ansprache nicht mehr. Auf der körperlichen Ebene kommt es zu einer Erregung des Nervensystems, das für Kampf und Flucht verantwortlich ist (sympathisches Nervensystem). Weil aber für den Säugling Kampf und Flucht wegen seiner Unreife nicht möglich sind und er keine Möglichkeit hat, sich selbst aus einer stressvollen Situation zu befreien, wird er schließlich ganz plötzlich, von »jetzt auf gleich«, stumm werden und gleichsam »einfrieren«. Dies ist eine besondere Notfallreaktion des Gehirns in einer Paniksituation, die wir auch als »Abschalten« bezeichnen. Hierbei wird die Wahrnehmung etwa von Gefühlen wie Panik und Angst, aber auch von Schmerzen vom Gehirn ausgeschaltet. Der Säugling friert in seinem Verhalten nach außenpraktisch alle Gefühle, allen Stress und alle Panik ein und stellt sich tot. Innerlich, in seinem Körper, bleibt die große Erregung aber erhalten. Dies führt dazu, dass der Körper auch noch viele Jahre später, selbst noch im Erwachsenenalter, mit Symptomen und Schmerzen reagieren kann, wenn frühe Schmerzerfahrungen in der Säuglingszeit »abgeschaltet« wurden und keine Bindungsperson dem Säugling in diesen Situationen panikartiger Erregung half. Von außen kann man beobachten, dass die Säuglinge plötzlich wie starr in eine Ecke schauen und nicht mehr ansprechbar sind bzw. auf Ansprache nicht mehr adäquat reagieren. Sie sind geradezu- wie auf Knopfdruck- zu einer Statue erstarrt, während ihre Muskeln und ihre Motorik sehr angespannt sind. Eine andere Möglichkeit, mit einem solch großen Stress umzugehen, besteht darin, dass sich die große Erregung des sympathischen Nervensystems in ihr Gegenteil verkehrt und es zu einer schlaffen Erschöpfung des Säuglings kommt, die dazu führen kann, dass er einschläft. In einer solchen Situation kommt es praktisch zu einem Umschalten von der Überregung des Kampf-und-Fluchtsystems in ein anderes Nervensystem (das so genannte parasympathische System). Dieses ist zum Beispiel für Schlaf, Verdauung und Entspannung zuständig. Auch hier werden die starken stressvollen Gefühle vom Säuglings »abgespalten« und es kommt, wie gesagt, zu einer Art Erschöpfung oder Erschlaffung. Auch diese Reaktion erfolgt aufgrund eines Notfallmechanismus, um eben der bedrohlichen Situation zu entrinnen. Die beiden geschilderten Situationen (mit Erstarrung oder Erschlaffung) sind in keiner Weise dabei hilfreich, dass sich eine sichere Bindung entwickelt. Eine Bindungsperson sollte immer darauf achten, dass sie einem Säugling, der deutlich durch Weinen signalisiert, dass er Angst und somit ein Bindungsbedürfnis hat, hilft, indem sie ihn durch Körperkontakt beruhigt und seinen Stress reguliert, bevor er in panische Erregung gerät und womöglich durch Abschalten aller Stressäußerungen »einfriert« oder erschlafft.
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