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E-Book

»Sag mir mal ...« Gesprächsführung mit Kindern (4 - 12 Jahre)

AutorMartine F. Delfos
VerlagBeltz
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl287 Seiten
ISBN9783407222732
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Für alle, die mit Kindern umgehen, ist es wichtig zu wissen, wie sie Gespräche mit ihnen richtig führen. Die international bekannte Psychologin und Kindertherapeutin Martine Delfos beschreibt Möglichkeiten, wie wir die Meinung von Kindern wirklich erfahren und Zugang zu ihrem Erleben finden, ohne sie zu manipulieren. Wie kommen unsere Fragen bei den Kindern an, welche Antworten dürfen wir erwarten? Wie sprechen wir mit ihnen über Trauer, Ängste, Fantasie, Sexualität? Die Gesprächstechniken richten sich nach dem jeweiligen Alter des Kindes und der Gesprächsabsicht. Leicht verständlich und mit vielen Beispielen aus der Praxis ist dies das erfolgreichste Buch zur Kommunikation mit Kindern. Es wurde vollständig aktualisiert und bietet nun einen Extrateil zum Einfluss der digitalen Medien auf die Kommunikation mit Kindern.

Dr. Martine F. Delfos ist Wissenschaftlerin, Psychologin und Therapeutin. Sie arbeitet unter anderem mit mehrfach traumatisierten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, hat Lehraufträge an verschiedenen Universitäten weltweit und ist Autorin zahlreicher Grundlagenwerke, die in viele Sprachen übersetzt wurden.

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Leseprobe

1 Grundsätzliche Überlegungen


Wie schon gesagt, gibt es kaum Literatur über die Gesprächsführung mit Kindern, erst recht nicht über die Gesprächsführung mit kleinen Kindern. Bislang wurde wenig oder gar nicht auf diesem Gebiet geforscht. Und das, was es gibt, zielt vor allem auf den Unterschied in der Kommunikation zwischen Erwachsenen und Kindern. Der Art und Weise, wie Erwachsene und Kinder miteinander sprechen und wie sie auf der Grundlage ihrer Möglichkeiten – und nicht vorhandenen Möglichkeiten – kommunizieren können, wird wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Clark (2005) berichtet in einer Bewertung von Studien zum Zuhören im Gespräch mit Kindern, dass es wenig Forschung über das Anhören von Kindern gibt, dass jedoch deutlich wird, wie wichtig es ist, in der Kommunikation mit Kindern die Unterschiede in Perspektive, Interessen und Bedürfnissen je nach Alter zu berücksichtigen.

Mittlerweile gibt es immer mehr Aufmerksamkeit für das Kind (Delfos 2001a) . Die UN-Kinderrechtskonvention von 1990 ist nun, in der Mitte des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts, 25 Jahre alt , doch im Hinblick auf das zunehmende Interesse an dem, was das Kind wirklich meint, stellt man erst allmählich und vereinzelt Untersuchungen darüber an, wie man mithilfe von Fragebögen und Interviews zu wissenschaftlich fundierten Ergebnissen kommen kann (Borgers, de Leeuw und Hox, 1999). Auch wegen des internationalen Übereinkommens über die Rechte des Kindes achtet man auf die Teilnahme von Kindern in wissenschaftlichen Studien. Punch (2002) zeigt, dass wissenschaftliche Studien mit Kindern anders sind als Studien mit Erwachsenen, und stellt sieben methodologische Engpässe zusammen. Das Hauptproblem liegt darin, dass es sich bei der Sicht auf Kinder um die Sicht von Erwachsenen handelt statt um die der Kinder selbst. Das Recht von Kindern zur Teilnahme an wissenschaftlicher Forschung stößt auf Probleme, unter anderem aufgrund der Forderungen der Ethikkommission, die beurteilt, ob bestimmte Untersuchungen durchgeführt werden dürfen (Powell & Smith, 2009). Conroy und Harcourt (2009) besprechen, wie sensibel vorzugehen ist, wenn man kleine Kinder bittet, sich an einer Studie zu beteiligen. Ihre Zustimmung kann sich zum Beispiel nur um die sehr naheliegende Zukunft drehen, und Eltern willigen in so manches ein, dem Kinder keine Zustimmung erteilen würden, oder umgekehrt. Es ist unbedingt notwendig, eine Perspektive einzunehmen, die das Kind in den Mittelpunkt stellt (Grover, 2004).

Die Möglichkeit der Teilnahme an wissenschaftlichen Studien ist nicht losgelöst von der Haltung zu Kindern im Allgemeinen zu betrachten. Sinclair (2004) gibt an, dass die Teilnahme von Kindern an wissenschaftlichen Studien nur dann möglich ist, wenn sie in die Beziehung zu Kindern im Allgemeinen eingebettet ist. Wenn Kinder an Studien teilnehmen, muss man sich darüber im Klaren sein, dass sie es durchschauen, wenn Erwachsene so tun, als wären Kinder gleichwertig. Kinder haben im Alltag Erfahrung mit den Machtverhältnissen zwischen Kindern und Erwachsenen (Christensen, 2004).

Mit Kindern zu sprechen ist für viele Menschen eine tägliche Beschäftigung, jedenfalls während eines Teils ihres Lebens. Für diejenigen, die beruflich mit Kindern arbeiten, ist es sogar eine Kerntätigkeit. Dennoch lernen wir in der Ausbildung wenig darüber und müssen unsere Kenntnis vor allem aus eigener Erfahrung und der Erfahrung der Menschen um uns herum schöpfen. In entwicklungspsychologischen Büchern schenkt man der Sache wenig Beachtung, im günstigsten Fall ein bis zwei Seiten. Spezielle Aufmerksamkeit für offene Gespräche mit Kindern – zentrales Thema in diesem Buch – ist noch seltener. Meist handelt es sich bei den Studien um die Kommunikation mit Kindern in Verhörsituationen und bei Zeugenaussagen.

Die Dominanz von Sprache


Je jünger das Kind, desto unbeholfener scheinen sich Erwachsene im Gespräch mit Kindern zu fühlen (Übung 1.1, Anhang I). Ganz sicher, wenn es sich um schwierige oder schmerzliche Themen handelt. Für das Kind gilt das nicht minder. Je jünger es ist, desto merkwürdiger empfindet es oft die Kommunikation mit Erwachsenen. Dies beginnt bereits kurz nach der Geburt. Babys werden nicht mit Sprache, wohl aber mit der Möglichkeit zur Sprache geboren (Chomsky, 1973; Kegl, Senghas und Coppola, 1999). Einem Baby ist schon bald klar, dass ein Erwachsener nicht genug versteht, wenn es nicht in Worten ausgedrückt wird. Auch ohne dass man es ihm erklärt, begreift das Baby, dass es lernen muss, was dieser Brei an Lauten bedeutet, den Erwachsene von sich geben, und es versucht, sich selbst eine Sprache zu eigen zu machen. Ein Baby kann sogar verschiedene Klänge abstrahieren, die zum selben Klangsystem gehören, aber von unterschiedlichen Menschen ausgesprochen werden. Lautgruppen wie »essen« oder »draußen«, von verschiedenen Menschen mit unterschiedlichen Stimmen ausgesprochen, werden als ein und derselbe Begriff erkannt. Es gelingt dem Baby, daraus ganz selbstständig, mit nur geringem Ansporn von Kindern und Erwachsenen aus seiner Umgebung und ohne dass es Regeln dazu bekommt, einen Wortschatz, einen Bedeutungsschatz und eine Grammatik zu entwickeln. Hört es unterschiedliche Klänge, wird es diese als einzelne Sprachen gruppieren, »essen« und »draußen« zueinander und »manger« und »dehors« in eine andere Gruppe. So macht das Kind in diesem Beispiel unbewusst »Deutsch« und »Französisch« daraus. Bietet man dem Kind mehrere Sprachen an, zwei oder drei auf einmal, wird es diese im Prinzip sogar alle lernen.

Beispiel

Martin, sieben Monate alt, lacht mich wohlwollend an, während ich Niederländisch mit ihm spreche. Als ich, als Zweisprachige, zum Französischen wechsle, kräht er vor Freude. Er hört, dass etwas Neues geschieht, und ist, in der für Babys typischen Begeisterung für neue Dinge, darüber entzückt. Diese Erfahrung habe ich bei Babys öfter gemacht.

Aber nicht jeder hat dieselben sprachlichen Talente und nicht jeder bekommt die gleichen Möglichkeiten geboten, Sprache zu entwickeln. Es gibt Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen (Delfos, 2004a). Die Sprachentwicklung bei Jungen verläuft oft träger (Rutter und Rutter, 1993; Delfos, 2009a).

Kinder sind besonders sensibel auf ihre Umgebung eingestellt und verstehen Situationen schon lange, bevor Wörter dazugehören (Donaldson, 1979). Sie nehmen Wörter ihrer Umgebung auch aus dieser Sensibilität für Situationen heraus auf und koppeln ihr Verständnis von der Situation an die Wörter, die sie hören.

Vor allem für kleine Kinder sind Bilder sehr wichtig und haben einen großen kommunikativen Wert. Cook und Hess (2007) zeigen, dass Fotos, die Kinder selbst aufnehmen, bedeutungsvoll sein können. Diese sind nicht statisch, sie haben Bedeutung für die Kinder selbst und können den Erwachsenen, die sie betrachten, eine Vorstellung von der Perspektive des Kindes in einem bestimmten Kontext zu einer bestimmten Zeit vermitteln.

In allen Sprachen machen Kinder am Anfang Fehler, die sie selbst produzieren und die man ihnen nicht beigebracht hat. Fehler, die aus ihrem Abstraktionsvermögen entstehen, egal, ob es sich um ein intelligentes Kind handelt oder um ein Kind mit geringeren intellektuellen Fähigkeiten. Sie sagen »ich laufte« als »perfekte« Konjugation einer grammatikalischen Erkenntnis (überregulieren), wobei ihnen das kein Erwachsener beigebracht hat (de Villiers und de Villiers, 1999; Stemberger, 2004). Im Gegenteil: Macht das Kind einen solchen Fehler, wird es vom Erwachsenen verbessert, und es hört, dass es »ich lief« sagen muss. In diesem Moment lernt das Kind, dass das Verb »laufen« eine Ausnahme von der Regel ist. Daraufhin sagt das Kind in Zukunft »ich lief« und wendet dies auf das gesamte Verb und andere Verben an, die eine Ausnahme von der Konjugationsregel bilden (Rousseau, 1726; Chomsky, 1998). Wie groß diese Leistung ist, sehen wir, wenn ausländische Erwachsene unsere Sprache lernen müssen und es in ihrer eigenen Sprache keine Konjugation von Verben gibt, was übrigens bei fast allen nicht westlichen Sprachen der Fall ist. Diese Ausländer sagen hartnäckig »ich nicht wissen«, weil in ihrer Muttersprache Verben nicht konjugiert werden, und haben allergrößte Mühe, die Konjugation in der Fremdsprache zu erlernen. Wer als Erwachsener eine Sprache lernt, schafft es selten, sie fließend und fehlerfrei zu sprechen.

Beispiel

1980 kommen...

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