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Straf- und Justizvollzugsgesetz (StJVG)
(vom 19. Juni 2006)1
Der Kantonsrat,
nach Einsichtnahme in die Anträge des Regierungsrates vom 6. Dezember 20052 und der Kommission für Justiz und öffentliche Sicherheit vom 9. Mai 2006,
auf der Grundlage der Revision des Schweizerischen Strafgesetzbuches6 vom 13. Dezember 2002 und des Jugendstrafgesetzes vom 20. Juni 20037,
beschliesst:
1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen
§ 1. Dieses Gesetz ergänzt den Deliktskatalog des Schweizerischen Strafgesetzbuches6 im Bereich der Übertretungen und regelt den Vollzug der strafrechtlichen Sanktionen (Justizvollzug).
§ 2. 1 Die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches6 sowie das Jugendstrafgesetz7 gelten auch für alle nach kantonalem Recht strafbaren Handlungen. Ausdrücklich abweichende Bestimmungen bleiben vorbehalten.
2 Die Bestimmungen des Strafgesetzbuches6 (Art. 333 und 334) und des Jugendstrafgesetzes7 über dessen Verhältnis zu den Vorschriften anderer Bundesgesetze gelten sinngemäss für das kantonale Strafrecht.
3 Der Regierungsrat kann durch Verordnung Bestimmungen über die Gegenstände erlassen, für die das Strafgesetzbuch6 eine Verordnungskompetenz des Bundesrates begründet, soweit dieser keine Vorschriften erlässt.
§ 2 a.20 Die Gemeinden sind befugt, in ihren Erlassen Bussen bis zu Fr. 500 vorzusehen.
§ 3. Direktion im Sinne dieses Gesetzes ist die für den Justizvollzug zuständige Direktion des Regierungsrates.
2. Abschnitt: Kantonales Übertretungsstrafrecht
§ 4. Wer in Notwehr oder in einem Notstand einen Menschen getötet oder schwer verletzt hat und es unterlässt, den Vorfall sofort einer Behörde anzuzeigen, wird mit Busse bestraft.
§ 5. Mit Busse wird bestraft, wer
- gewerbsmässig die Leichtgläubigkeit der Leute ausbeutet durch
- Wahrsagen, insbesondere Traumdeuten oder Kartenschlagen,
- Geisterbeschwörung,
- Anleitung zum Schatzgraben,
- sich öffentlich zur Ausübung von Tätigkeiten gemäss lit. a Ziff. 1–3 anbietet.
§ 6. Mit Busse nicht unter Fr. 2000 wird bestraft, wer
- ohne Bewilligung der dafür zuständigen Direktion des Regierungsrates für eine Institution oder Aktivität die Bezeichnung Universität, Universitätsinstitut, Fakultät, Hochschule, Fachhochschule oder eine andere akademische Bezeichnung in deutscher oder in einer anderen Sprache verwendet,
- ohne Bewilligung der dafür zuständigen Direktion des Regierungsrates akademische Grade oder Titel verleiht,
- unbefugterweise einen akademischen Grad oder Titel führt.
§ 7. Mit Busse wird bestraft, wer
- durch Lärm oder Geschrei die Nachtruhe in grober Weise stört,
- in berauschtem Zustand öffentlich Sitte und Anstand in grober Weise verletzt.
§ 8. Mit Busse wird bestraft, wer
- die Bevölkerung durch falsche Nachrichten in Angst und Schrecken versetzt,
- eine Menschenmenge ohne Grund erschreckt, insbesondere durch falschen Feueralarm.
§ 9. Wer bettelt oder Kinder oder Personen, die von ihr oder ihm abhängig sind, zum Betteln schickt, wird mit Busse bestraft.
§ 10. 1 Wer sich bei bewilligungspflichtigen Versammlungen, Demonstrationen und sonstigen Menschenansammlungen auf öffentlichem Grund unkenntlich macht, wird mit Busse bestraft. Die Untersuchung und Beurteilung der Übertretung steht dem Statthalteramt zu.
2 Es können Ausnahmen bewilligt werden.
§ 11. Wer öffentlich angeschlagene amtliche Bekanntmachungen oder mit behördlicher Bewilligung angebrachte Plakate widerrechtlich wegnimmt, abreisst, entstellt oder besudelt, wird mit Busse bestraft.
§ 12. Mit Busse wird bestraft, wer
- behördliche Stempel bestellt, ohne dazu berechtigt zu sein,
- Stempel von Behörden oder Firmen anfertigt oder liefert, obgleich die Berechtigung des Bestellers zweifelhaft oder der Zweck verdächtig ist.
§ 13. Wer Diebes- oder Mordwerkzeug in Gewahrsam hat oder von einer anderen Person verwahren lässt oder es einer solchen überlässt, obwohl er weiss oder damit rechnen muss, dass das Werkzeug zur Verwendung bei Diebstahl, Raub oder Tötung bestimmt ist, wird, wenn die Tat nicht nach anderer Vorschrift mit schwererer Strafe bedroht ist, mit Busse bestraft. Das Werkzeug wird eingezogen.
3. Abschnitt: Der Justizvollzug
A. Zuständigkeiten
§ 14. 1 Der Direktion obliegen alle im Zusammenhang mit dem Vollzug strafrechtlicher Sanktionen anfallenden Aufgaben und Entscheide, die nicht ausdrücklich anderen Instanzen übertragen sind.
2 Der Regierungsrat bezeichnet die Angelegenheiten, deren Erledigung er einer Amtsstelle überträgt.
3 Im Verfahren bei selbstständigen nachträglichen Entscheiden des Gerichts nach Art. 363–365 StPO8 kommt Parteistellung zu:11
- der Staatsanwaltschaft,
- der Jugendanwaltschaft, wenn sie ein Verfahren gemäss Art. 3 Abs. 2 JStG7 geführt hat.
§ 15.12 Der Regierungsrat regelt unter Vorbehalt von §§ 92 und 170 Abs. 4 GOG5 die Zuständigkeit für den Bezug von Bussen und Geldstrafen in einer Verordnung. Er kann eine einzige Stelle mit dem Bezug betrauen.
§ 16. Das Gericht, das eine Massnahme im Sinne von Art. 68–73 StGB6 verhängt, ist für deren Vollzug zuständig.
§ 16 a.16 Die für das Ausländerrecht zuständige Direktion des Regierungsrates vollzieht die Landesverweisungen. Ihr obliegen die in diesem Zusammenhang anfallenden Aufgaben und Entscheide.
§ 17.12 1 Die Direktion kann nach Massgabe von Art. 379 StGB6, Art. 16 Abs. 4 und Art. 27 Abs. 6 JStG7 sowie Art. 42 Abs. 2 JStPO9 den Vollzug von Strafen und Massnahmen für Erwachsene und Jugendliche ganz oder teilweise Einrichtungen mit privater Trägerschaft übertragen. Für den Vollzug ambulanter Massnahmen für Erwachsene oder jugendstrafrechtlicher Schutzmassnahmen kann sie selbstständige Therapeutinnen und Therapeuten oder andere geeignete Privatpersonen beiziehen.
2 Die beauftragten Einrichtungen und Personen verfügen über die erforderliche fachliche Kompetenz und orientieren sich bei Erwachsenen an den Vollzugsgrundsätzen von Art. 74, 75 und 90 StGB6, bei Jugendlichen an den Vollzugsgrundsätzen gemäss Art. 2 JStG7 und Art. 74 StGB6. Die Direktion legt die für die Aufgabenübertragung nötigen Anforderungen fest. Sie kann Leistungsvereinbarungen abschliessen.
3 Öffentliche Vollzugseinrichtungen können unter Beachtung von Abs. 2 für die Erfüllung einzelner Aufgaben Private beiziehen.
4 Werden Aufgaben an Private übertragen, bleibt die Direktion für die Anordnung hoheitlicher Entscheide zuständig. Vorbehalten bleiben §§ 23–23 b und 35 b.
§ 18. Der Regierungsrat ist für die Wahl der Kommission im Sinne von Art. 62 d und 64 b StGB6 zuständig. Er regelt die Einzelheiten in einer Verordnung.
§ 19. Der Regierungsrat kann zur Beratung in grundsätzlichen Fragen eine Justizvollzugskommission bestellen, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Strafjustiz und der Politik zusammensetzt.
B. Vollzugsbestimmungen
§ 20. 1 Ziel des Vollzugs strafrechtlicher Sanktionen ist die Vermeidung von Rückfällen. Die Verurteilten werden soweit als möglich darin unterstützt, ihre Fähigkeit zur Führung eines straffreien Lebens zu verbessern.
2 Der Vollzug freiheitsentziehender Sanktionen ist auf die schrittweise Rückkehr in die Lebensumstände in Freiheit ausgerichtet. Massnahmen zum Schutz der Allgemeinheit, des Personals und der Mitgefangenen bleiben vorbehalten.
3 Die verurteilte Person hat daran mitzuwirken, das Vollzugsziel zu erreichen.
§ 21.13
§ 22.12 1 Die für den Vollzug zuständige Amtsstelle kann eine Person vor oder mit der Einleitung eines Verfahrens auf Erlass eines nachträglichen richterlichen Entscheides gemäss Art. 363 ff. StPO8 in Sicherheitshaft setzen, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass es zur Rückversetzung in den Straf- oder Massnahmenvollzug oder zur Anordnung des Vollzugs einer freiheitsentziehenden Massnahme oder der Freiheitsstrafe kommt und
- die Öffentlichkeit erheblich gefährdet ist,
- die Erfüllung des...