6. Der Springer
Der Springer ist die Schachfigur mit der wohl auffälligsten Form, denn er ist dem Kopf eines Pferdes nachempfunden. Daher wird er manchmal auch als „Pferd“ bezeichnet, sein Zug als „Rösselsprung“. Jeder Spieler hat zu Beginn der Partie zwei Springer, die direkt neben den Türmen stehen: die weißen auf b1 und g1, die schwarzen auf b8 und g8.
Mit Turm, Läufer und Dame hat der Springer gemeinsam, dass er vorwärts wie rückwärts ziehen kann und dass er genauso schlägt, wie er zieht. Anders als diese drei Figuren kann der Springer aber nicht beliebig weit ziehen. Er hat in jeder ihm möglichen Richtung nur ein Feld zur Verfügung. Dafür hat er gegenüber allen anderen Schachfiguren einen Vorteil: Der Springer kann auch ziehen, wenn die Felder zwischen ihm und seinem Zielfeld mit Figuren besetzt sind. Er kann – daher sein Name – sowohl eigene als auch gegnerische Figuren überspringen.
So zieht der Springer
Der Springer bewegt sich nicht auf den geraden oder schrägen Verbindungen des Schachbretts – Reihen, Linien und Diagonalen –, sondern dazwischen. Das macht ihn oft schwer ausrechenbar, und er kann alle anderen Figuren (selbst die Dame) angreifen, ohne zugleich von diesen angegriffen zu sein. Der Zug des Springers kann beschrieben werden mit „zwei Felder gerade in eine Richtung, dann ein Feld im rechten Winkel abknickend“. Wie Sie in Diagramm 1 sehen, ähnelt seine Zugweise der Form des Großbuchstabens „L“.
Diagramm 1
Ein „L“-Zug des Springers
Der Springer auf d4 könnte statt nach e2 unter anderem auch nach c2 ziehen: In diesem Fall entspräche sein Zug also einem gespiegelten „L“ (bzw. einem eckigen „J“). Da der Springer vier Richtungen zur Verfügung hat, in die er „zwei Felder gerade“ ziehen und dann noch jeweils nach rechts und links „abknicken“ kann, stehen ihm insgesamt acht Felder zur Verfügung.
Der Springerzug lässt sich auch umschreiben mit „ein Feld gerade, ein Feld (im 135-Grad-Winkel) schräg“. Beide Formulierungen sind gleichermaßen richtig – wählen Sie diejenige aus, mit der Sie sich den Springerzug besser einprägen können!
Mehr als bei jeder anderen Figur ist beim Springer die Zahl der möglichen Züge davon abhängig, wo auf dem Brett er sich befindet. Dies wird in Diagramm 2 deutlich, wo die Zugmöglichkeiten des Springers e4 durch weiße Punkte, die des Springers h8 durch schwarze Punkte eingezeichnet sind.
Diagramm 2
Springer im Zentrum und in der Ecke
Vom zentralen Feld e4 aus kann der Springer acht Felder erreichen, die wie ein Achteck bzw. wie ein Rad angeordnet sind. Dem Springer in der Ecke bleiben dagegen nur zwei Felder. Seine volle Beweglichkeit erreicht der Springer also nur, wenn er weit genug vom Brettrand entfernt ist, konkret: wenn er sich innerhalb des Quadrates befindet, dessen Ecken die Felder c3, f3, f6 und c6 bilden. Steht er am Rand oder sogar in der Ecke, hat er deutlich weniger Züge zur Verfügung.
Die Beweglichkeit des Springers kann eingeengt werden durch eigene Figuren, die auf möglichen Zielfeldern stehen – nicht aber durch dazwischenstehende Figuren. Betrachten Sie Diagramm 3:
Diagramm 3
Welche Springerzüge sind möglich?
Wenn Weiß am Zug ist, kann sein Springer von b2 nach d1 ziehen, den Bauern a4 oder den Springer c4 schlagen – das Feld d3 ist ihm durch seinen eigenen Bauern verstellt. Ist dagegen Schwarz am Zug, kann sein Springer auf die Felder a5, b6, e5 und d2 ziehen oder den Springer auf b2 schlagen – die Felder a3, d6 und e3 darf er nicht betreten, weil dort eigene Bauern stehen.
Die Bauern auf b3 und c3 sind für keinen der Springer ein Hindernis, weil beide sie überspringen können. Umgekehrt sind diese Bauern auch von keinem der Springer angegriffen. Ein Springer kann keine Figur schlagen, indem er sie überspringt, sondern nur, indem er ihr Standfeld besetzt.
Eigenarten des Springerzuges
Schachspieler sind in der Regel bestrebt, ihre Springer auf zentrale Felder zu stellen, weil sie dort die größte Wirkung entfalten. Am Rand hingegen steht ein Springer oft schlecht: Er kontrolliert nur wenige Felder, und wegen seiner – im Vergleich zu Läufer, Turm oder Dame – kurzen Reichweite benötigt er mehrere Züge, um ein Feld in der Mitte oder sogar auf der entgegengesetzten Seite des Brettes zu erreichen. Aus diesem Grund werden Schachspieler – besonders Anfänger – mit Sätzen wie „Ein Springer am Rand bringt Kummer und Schand“ (oder: „Springer am Rand ist eine Schand“) geradezu davor gewarnt, einen Springer an den Brettrand und damit quasi ins Abseits zu stellen.
Faustformeln wie „Ein Springer am Rand bringt Kummer und Schand“ erlauben es in vielen Situationen, bessere von schlechteren Zügen zu unterscheiden. Sie sind aber keine Gesetze, an die man sich immer und unter allen Umständen zu halten hat. Ein Springerzug an den Rand kann im Einzelfall auch große Vorteile bringen, die den Nachteil der geringeren Anzahl von Zugmöglichkeiten deutlich überwiegen.
Aufgabe 1: Betrachten Sie noch einmal die Zugmöglichkeiten der beiden Springer in Diagramm 2. Fällt Ihnen etwas auf?
Die Eigenart des Springerzuges – zwei Felder geradeaus, dann ein Feld zur Seite – führt dazu, dass der Springer mit jedem Zug seine Feldfarbe wechselt. Denn wenn man von einem beliebigen Feld des Schachbrettes aus zwei Schritte geradeaus geht, erreicht man ein Feld gleicher Farbe; dessen Nachbarfelder („einen Schritt zur Seite“) haben dann stets die entgegengesetzte Farbe.
Ein Springer kann also nur in jedem zweiten Zug ein Feld der Farbe seines Ausgangspunkts erreichen. Daraus folgt, dass ein Springer, der beispielsweise auf einem weißen Feld steht, alle anderen weißen Felder immer nur in einer geraden Anzahl von Zügen erreichen kann, alle schwarzen Felder in einer ungeraden.
Diagramm 4
Springerwege nach d7
Aufgabe 2: Finden Sie für jeden der vier Springer die kürzeste Route auf das Feld d7. Entscheiden Sie vorab, ob ein Springer eine gerade oder eine ungerade Anzahl von Zügen benötigen wird.
Diagramm 5
Die kürzesten Springerwege
Die Zahlen auf den Feldern in Diagramm 5 zeigen an, wie viele Züge der Springer e4 mindestens benötigt, um das jeweilige Feld zu erreichen. Da der Springer auf einem weißen Feld steht, ist es nicht verwunderlich, dass alle weißen Felder mit einer geraden Zahl, alle schwarzen mit einer ungeraden beschriftet sind.
Es fällt auf, dass der Springer trotz seiner im Vergleich zu Läufer, Turm oder Dame kurzen Zugweise relativ schnell weit entfernt liegende Felder erreichen kann: Nach a6 oder g8 benötigt er nur zwei Züge. Demgegenüber steht eine gewisse „Ungelenkigkeit“, wenn es darum geht, Felder in unmittelbarer Nähe zu erreichen. Noch am schnellsten – nämlich innerhalb von zwei Zügen – kann der Springer auf Felder ziehen, die diagonal an sein Standfeld angrenzen (von e4 aus also d3, d5, f3 und f5). Sie erreicht er über einen „Zickzackkurs“: zum Beispiel das Feld f3 über g5 oder d2. Auch die in gerader Richtung übernächsten Felder (also hier c4, e2, e6 und g4) kann der Springer in zwei Zügen ansteuern – das Feld e6 etwa mit einem Zwischenschritt über c5 oder g5.
Schwieriger wird es bei den Feldern, die direkt gerade an den Standort des Springers angrenzen (hier d4, e3, e5 und f4), denn hier benötigt der Springer bereits drei Züge. Und die diagonal übernächsten Felder (hier c2, c6, g2 und g6) erreicht der Springer sogar frühestens in vier Zügen.
Mit diesem Wissen kann man seine Figuren – falls nötig – gezielt so aufstellen, dass sie für einige Zeit nicht vom Springer angreifbar sind. Ein schwarzer Turm etwa, der auf d6 stünde und daher vom Springer angegriffen wäre, könnte nach c6 ziehen und hätte wegen das Abstands (zwei Felder diagonal) erst einmal Ruhe vor...