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E-Book

Bei schlechten Noten helfen gute Eltern

AutorChristoph Eichhorn
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl187 Seiten
ISBN9783608102475
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Eltern sind für den Schulerfolg viel wichtiger als Lehrer. Nur wenige Schüler haben gar keine Probleme mit Noten und Hausaufgaben. Neueste Studien belegen, dass die Eltern für den Lern- und Schulerfolg viel wichtiger sind als Lehrer oder die besonderen Umstände an einer Schule. Eltern prägen entscheidend Motivation und Lernverhalten ihrer Kinder. Der Schul- und Erziehungsberater Christoph Eichhorn leitet Eltern an, wie sie ihren Kindern sinnvoll helfen können. Er zeigt ihnen, - welche Bedeutung ihre eigene Haltung zu Schule und Lernen für ihr Kind hat, - warum eine gute Lern- und Arbeitshaltung so wichtig ist und wie Eltern sie fördern, - wie Eltern ihrem Kind bei schlechten Noten nachhaltig helfen, - was sie tun können, damit ihr Kind weitgehend selbständig und selbstreguliert lernt und - wie sie vermeiden, dass aus Schulproblemen Familienprobleme werden

Christoph Eichhorn ist Diplom-Psychologe und arbeitet am Schulpsychlogischen Dienst Graubünden mit dem Schwerpunkt Classroom-Management. Er berät zu diesem Thema Lehrpersonen und Schulen und gibt dazu Vorträge und Workshops. Er ist Lehrbeauftragter für Classroom-Management an den Universitäten Zürich, Tübingen und Konstanz sowie an der PH Weingarten (Deutschland) und der PH Vorarlberg (Österreich). Christoph Eichhorn ist Referent an den Schulleiter-Kongressen in Österreich und Deutschland, sowie am World-Educational-Leadership-Forum-Swiss. Er gab einen 2 tägigen Workshop bei »FACE: Freiburg Advanced Center of Education: Ein Kooperationsnetzwerk der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Pädagogischen Hochschule Freiburg«. Im Sommer 2019 hat er einen Lehrauftrag für Classroom-Management an der Universität Tübingen im Masterstudiengang Schulpsychologie übernommen. Er arbeitet als Fachexperte für die Schul-Verwaltung Österreich für das Themenheft »Classroom-Management« (Mai 2021), die sich an Schulleiter wendet.

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Leseprobe
Einleitung Schneiders winkten resigniert ab: »Auf die schulische Entwicklung von Julian haben wir doch keinen Einfluss. Das hängt doch alles vom Lehrer ab.« Meinten sie. In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt. Im Oktober 2009 präsentierte Martin Neuenschwander die Ergebnisse seiner Aufsehen erregenden Langzeitstudie. Der Einfluss der Eltern auf die Schulleistungen ihres Kindes ist enorm: x Die Leistungen der Kinder in Deutsch und Mathematik werden zu 30 bis 50 Prozent durch die Erwartungen und Verhaltensweisen der Eltern bestimmt x Die Art, wie Lehrpersonen unterrichten, erklärt hingegen gerade einmal 5 bis 15 Prozent der Schülerleistungen x Die Erwartungen der Eltern beeinflussen auch die Notengebung. Bei gleicher Leistung geben die Lehrkräfte einem Kind von Eltern mit hohen Bildungserwartungen die besseren Noten x Die Erwartungen der Eltern tragen sogar wesentlich dazu bei, ob ein Schüler eine Lehre macht oder das Gymnasium besucht. Martin Textor arbeitet am Staatsinstitut für Früherziehung in München und ist einer der anerkanntesten deutschsprachigen Bildungsexperten. Er fasst die Studien über den elterlichen Einfluss auf die Schulleistung wie folgt zusammen: »Alle diese Untersuchungen verdeutlichen die große Bedeutung der Familie für das Kind. Offensichtlich ist, dass in der Familie extrem viel gelernt wird, vor allem (...) Lernmotivation, Neugier, Leistungsbereitschaft, Interessen, Werte, Selbstkontrolle, Selbstbewusstsein, soziale Fertigkeiten.« (2009) Und die Bildungsforschung konnte klar belegen, dass genau diese Faktoren ausschlaggebend für den Lernerfolg sind. Vielleicht zweifeln Sie immer noch daran, dass Sie als Eltern einen so großen Einfluss auf die schulische Entwicklung Ihres Kindes haben sollen? Dann ist das kein Wunder. Denn all diese Studien wurden in der Laienpresse nie so aufgegriffen, wie sie das eigentlich verdient hätten. Aber natürlich gibt es noch zahlreiche weitere Belege für den großen elterlichen Einfluss auf die Schulleistung der Kinder. Und zwar bereits aus dem Jahr 1966! Damals erschien der in der Fachpresse enormes Aufsehen erregende Coleman-Report. Die Studie stützt sich auf ein schier unglaublich breites Datenmaterial. Es wurden über 600000 (in Worten sechshunderttausend) amerikanische Schüler der Primar- und Sekundarstufe untersucht. Die Autorengruppe um James Coleman kam zu dem Ergebnis, dass Schulen nur einen geringen oder gar sehr geringen Einfluss auf den Schulerfolg von Schülern haben. Und das Fazit der größten Langzeitstudie der USA (NICHD Studie I und II - US National Institute of Child Health and Development, 2003) zur Bedeutung frühkindlicher Betreuung für die Entwicklung des Kindes lautet: Die Qualität des familiären Umfeldes beeinflusst die Entwicklung des Kindes am stärksten. Und zwar in der sozialen und schulischen Entwicklung wie Lesen, Mathematik, soziale Kompetenz, Konfliktverhalten, sozialemotionale Entwicklung und Arbeitshaltung. Als Eltern haben Sie einen fundamentalen Einfluss auf den Lernerfolg und die Schulleistung Ihres Kindes. Dieses Buch zeigt Ihnen, x wie Sie mit Ihrer Haltung das Lernen Ihres Kind positiv beeinflussen x wie Sie bereits im Vorfeld des Lernens die Weichen für einen guten Lernerfolg stellen x wie Sie Ihr Kind in schwierigen Lernsituationen am besten coachen x warum eine gute Lern- und Arbeitshaltung so wichtig ist und wie Sie diese fördern x wie Sie Ihrem Kind bei schlechten Noten Halt geben x wie Sie die wichtigsten Faktoren für erfolgreiches Lernen nachhaltig verstärken x und wie Sie vermeiden, dass aus Schulproblemen Familienprobleme werden. Zu diesen Themen finden Sie zahlreiche Vorschläge und Anregungen. Diese können und sollen Sie gar nicht alle sofort umsetzen. Wählen Sie einfach diejenigen aus, die zu Ihnen und Ihrem Kind am besten passen. Sie werden positiv überrascht sein, wie komplex, aber auch wie spannend anscheinend so trockene Themen wie Hausaufgaben und Lernen in Zukunft für Sie sein werden. Natürlich kann dieses Buch nicht alles. Es kann nicht aus jedem Kind einen Musterschüler machen, der überwiegend gute Noten schreibt, gerne lernt, die Schule interessant findet und begeistert von seinen Lehrern ist. Lern-, Hausaufgaben-, Noten- und Schulprobleme können hartnäckig sein. Das ist nicht Ihre Schuld. Diese Probleme sind auch nicht durch schnelle Tricks einfach zu lösen. Die Anregungen dieses Buches haben aber den meisten Eltern dabei geholfen, ihr Kind in der Schule besser zu unterstützen. Es ist mir ein Anliegen, all denen zu danken, die durch ihre Fragen und Anregungen zu diesem Buch beigetragen haben, besonders Frau Diplom-Psychologin Ines Böhler für ihre wertvolle Hilfe und Herrn Alfred Vanselow, der als Korrektor die Entstehung des Manuskripts sorgfältig begleitet hat. Kapitel 1 Warum lernen und Hausaufgaben machen, wenn die Schule Schwachsinn ist? Als ich den Jugendfreund, der wusste, dass ich als Schulpsychologe arbeite, nach vielen Jahren zufällig einmal wieder treffe, platzt der sofort heraus: »Die Schule wird immer schlimmer. Was die Lehrer heute für Aufgaben geben - der reinste Schwachsinn.« Sein elfjähriger Sohn, offensichtlich das unschuldige Opfer schulischen »Schwachsinns«, steht daneben. Weil ich nicht will, dass der Junge weitere negative Aussagen seines Vaters über die Schule und seine Lehrer anhören muss, frage ich meinen Bekannten: »Und wie sieht das deine Frau?« In der Hoffnung, dass diese vielleicht die Dinge in anderem Licht sehen könnte. Die Antwort kommt prompt: »Natürlich gleich wie ich!« Da bin ich erst mal sprachlos. Das nutzt mein Bekannter, um mir sofort im Detail zu erklären, wie seine Ansicht zustande gekommen ist. Die ganze Zeit steht sein Sohn neben uns. Auch wenn er nicht aufmerksam zuzuhören scheint: Die Botschaft seines Vaters bekommt er genau mit. Stellen Sie sich vor, Sie besuchen einen Buchhaltungskurs, der Sie in Ihrem Beruf weiterbringen soll. Da die Kurse abends stattfinden und Sie in Teilzeit berufstätig sind, waren Sie schon ein paarmal knapp davor, aufzugeben. Eines Abends schaut sich Ihr Partner, der selbst auf diesem Gebiet arbeitet, Ihre Unterlagen durch und erklärt: »Das ist doch völlig unwichtig, was du da lernst. Was haben die für einen idiotischen Lehrplan?« Würde Sie das motivieren, weiter durchzuhalten? Szenen wie die mit meinem Bekannten spielen sich in Deutschland hunderttausend Mal pro Tag ab. Mütter und Väter sprechen mit ihren Partnern oder mit anderen Müttern und Vätern über die aus ihrer Sicht unmöglichen Verhältnisse in der Schule, die Unfähigkeit der Lehrer, den »Schwachsinn« mit den Hausaufgaben. Die Kinder sitzen dabei und hören zu. Kinder haben feinste Antennen für Ihre Stimmungen und Haltungen. Unbewusst saugen sie Ihre Einstellung auf und machen sie zu ihrer eigenen. Eine negative Haltung gegenüber Schule, Lernen und Lehrer entsteht. Das Ergebnis: Ungewollt schwächen täglich Tausende von Eltern mit unüberlegten Aussagen die Lern- und Arbeitshaltung ihrer Kinder. Sie sind Vorbild für Ihr Kind. Ihre Haltung zu Schule und Lernen strahlt auf Ihr Kind aus. Soll das bedeuten, dass man als Eltern keine Kritik mehr an der Schule äußern darf? Natürlich nicht. Aber nicht vor dem Kind. Und vor allem nicht in einer Form, die Lernen und Schule abwertet. Selbst wenn Sie manchmal an Schule, Hausaufgaben oder Lernen verzweifeln möchten, stimmen Sie nicht in die Klagen Ihres Kindes ein. Zeigen Sie ihm hingegen, wie es die anstehenden Herausforderungen erfolgreich überwindet. Wie Sie dabei vorgehen, erfahren Sie in diesem Buch. 1 Ist Ihr Kind stolz darauf, dass es in die Schule darf? Von einem Schulhaus kann bei diesem Gebäude nicht die Rede sein. Es ist eine alte Lehmhütte, in der sich lediglich Stühle, Tisch und eine Tafel befinden. Einfacher als einfach. Es gibt nur zwei Klassen. Für die älteren Schüler die obere und für die jüngeren die untere. Ein Lehrer unterrichtet alle Schüler. Damit hat es sich. Keine weitere Infrastruktur. Keine Computer, keine Turnhalle, kein Schulhof, nur wenige Schulbücher. Aber das Wunderbare daran ist: Die Schüler dieser Schule sind stolz darauf, überhaupt in die Schule gehen zu dürfen. Wer sie beim Lernen beobachtet, dem fällt gleich auf: Diese Schüler sind voll bei der Sache. Diese Schule steht in Afrika, irgendwo in einem kleinen Dorf. Die Schüler haben Glück. Sie haben eine Schule und einen Lehrer. Das weiß das ganze Dorf zu schätzen. Eltern, Onkel, Tanten, Cousinen und alle anderen. Und deren Haltung strahlt aus. Und zwar auf ihre Kinder. Deshalb sind diese stolz, dass sie in die Schule dürfen. Und strengen sich dort richtig an. Im Nachbardorf steht gar keine Schule. Die Kinder würden gerne in die Schule gehen - können aber nicht. Und bei uns im deutschsprachigen Raum? Da ist die Situation leider oft genau umgekehrt. Alle Kinder dürfen die Schule besuchen - aber die wenigsten sind stolz darauf und verbinden damit Positives. Und Presse, Politiker und andere Meinungsmacher hören nicht auf, von unserer Schule ein schlechtes Bild zu zeichnen. Nicht einmal der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder war sich zu schade dafür, in populistischer Manier diese Klaviatur zu bedienen und schalt Lehrer öffentlich als »faule Säcke«. Damit hat er niemandem geholfen. Aber vielen geschadet. Vor allem den Eltern, die dieses Vorurteil übernommen haben. Und an ihre Kinder weitergeben. Und das schadet ihrer Lernentwicklung. Und zwar massiv. Machen Sie Schule und Lernen für Ihr Kind zu etwas Wichtigem und Wertvollem. Damit speisen Sie Energie in seinen Lernprozess ein. Und erleichtern ihm das Lernen. Und bei Schwierigkeiten durchzuhalten. Manchmal gehen auch Prominente mit gutem Beispiel voran. Wie die Schauspielerin Ursula Karven. Sie sagte vor kurzem über den Lehrerberuf: »Sich täglich vor Teenager zu stellen, die alles andere im Kopf haben, nur nicht den Lernstoff, das ist eine ehrenvolle und bewundernswerte Aufgabe.« Aber auch Erstklässler unterrichten ist sehr anspruchsvoll. Wenn zum Beispiel in einer Klasse 27 Schüler sind, von denen vier beim Rechnen besondere Hilfe brauchen, zwei besonders begabt sind, neun nur über unzureichende Deutschkenntnisse verfügen und sieben gerade mal fünf Minuten ruhig sitzen können. Wir brauchen mehr solcher Menschen wie Ursula Karven. Wie wäre es, wenn auch Sie zum Botschafter für Schule und Lernen würden? Stecken Sie Ihr Kind an - mit einer positiven Haltung zu Lernen und Schule. Dann lernt Ihr Kind in der Schule aufmerksamer und zu Hause engagierter. 2 Wie Sie eine positive Bindung an Schule und Lernen fördern x Interessieren Sie sich für das, was Ihr Kind in der Schule lernt. Fragen Sie nach. Sagen Sie: »Interessant, kannst du mehr darüber sagen?« x Greifen Sie Fragen Ihres Kindes zum Lernstoff oder aus der Schule auf. Vertiefen Sie mit ihm gemeinsam die aufgeworfenen Fragen, indem Sie zum Beispiel im Schulbuch nachschauen, sich im Internet oder anhand anderer Quellen orientieren. x Betonen Sie die positiven Seiten an den Themen, die die Kinder aus der Schule mitbringen: Statt: »Was die Römer gemacht haben, interessiert doch heute kein Mensch mehr«: »Interessant, was die Römer schon alles gemacht und gewusst haben. Erzähl mehr davon. Was weißt du noch alles?« Schlagen Sie vor, am nächsten Wochenende eine Römersiedlung zu besuchen oder gehen Sie mit Ihrem Kind in die Stadtbücherei, um ein Buch über Römer auszuleihen. Oder recherchieren Sie gemeinsam im Internet. Oder schauen Sie sich einen Film über die Geschichte der Römer an und sprechen anschließend darüber. Wenn Sie dazu einige Freunde Ihres Kindes und vielleicht sogar noch deren Eltern einladen, verbringen Sie alle einen anregenden und interessanten Abend. Und wenn Sie dann, wenn alle gegangen sind, zu Ihrem Kind sagen: »Toll, dass dein Lehrer so interessante Themen behandelt«, machen Sie Ihr Kind stolz auf die Schule. Drücken Sie Interesse und Wertschätzung gegenüber den in der Schule behandelten Themen und Inhalten aus. Damit werten Sie Lernen, Schule und Hausaufgaben für Ihr Kind auf. Das müssen Sie nicht täglich tun. Aber es sollte eine gute Gewohnheit von Ihnen werden. 3 Auf Stärken bauen - Selbstvertrauen fördern Die Note war schlecht - Leon war enttäuscht. Schulische Misserfolge sind für viele Kinder keine Seltenheit. Umso wichtiger ist, dass sie erleben, wo sie stark sind und was sie können. Denn das stärkt ihr Selbstwertgefühl und fördert ihre Persönlichkeitsentwicklung. Im Vergleich zum Lehrer ist Ihr Einfluss als Eltern gerade auf diesem Gebiet besonders hoch. Studien zeigen, wie wichtig es ist, dass Eltern in die Fähigkeiten ihrer Kinder Vertrauen haben. Je zuversichtlicher Eltern sind, dass ihre Kinder die Herausforderungen des Alltags meistern, desto mehr fördern sie damit die Entwicklung ihrer Kinder. Achten Sie darauf, was Ihr Kind gerne macht und was es gut kann. Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber. Fertigen Sie gemeinsam eine Liste an, die Sie zum Beispiel an die Küchentür heften. Geben Sie Ihrem Kind ausreichend Gelegenheit und Zeit, sich diesen Dingen neben der Schule zu widmen. Denk an deine Stärken - das gilt für uns alle. Sprechen Sie einmal pro Woche, beispielsweise gegen Ende des Abendessens, gemeinsam darüber, was jeder von Ihnen heute oder in den letzten Tagen gut gemacht hat oder was ihm gut gelungen ist. Versuchen Sie herauszuarbeiten, was ausschlaggebend für das positive Ergebnis war. Als Leons Familie diese Übung am Donnerstagabend durchführt, sagt er: »Ich hab im Fußballtraining heute ein Tor geschossen.« Auf die Frage seiner Mutter: »Prima, und wie hast du das geschafft?« fällt Leon nicht viel ein, außer: »Ich hab geschossen und der Ball war drin.« Das ist eine für Kinder typische Antwort. Sie lässt den Schluss zu, dass es sich um einen Zufallstreffer gehandelt haben könnte. Zufällig war Leon am richtigen Ort, zufällig hat er den Ball richtig getroffen, zufällig ging er rein. Mag sein, dass der Zufall eine Rolle gespielt hat. Diese Meinung stärkt aber nicht Leons Überzeugung, sich für diesen Erfolg engagiert und etwas beigetragen zu haben. Manchmal, und gerade bei Kindern mit geringem Selbstvertrauen, müssen wir Eltern versuchen, sie von ihren Fähigkeiten und von ihrem Engagement zu überzeugen. Wie könnte das bei Leon aussehen? Immerhin ging er zuvor regelmäßig ins Training. Immerhin hat er sich dort angestrengt. Immerhin hat er dort trainiert, wie man schießt. Immerhin hat er dort trainiert, wie man im Spiel mitdenkt. Immerhin hat er versucht zu lernen, das ganze Spiel im Blick zu haben. Immerhin ist er dann in diesem Spiel an den richtigen Ort gelaufen, dort wo der Ball hinkam. Immerhin hat er auch bemerkt, dass der Ball zu ihm kam, weil er nicht gerade woanders hingeschaut hat. Immerhin hat er sich dann in die für einen guten Schuss notwendige Position gebracht. Immerhin hat er erkannt, dass sich ein Schuss aufs Tor jetzt lohnt, und hat den Ball nicht woandershin, beispielsweise zu einem Mitspieler abgegeben. War es nun Zufall, oder war es eigenes Dazutun, dass der Ball schließlich im Tor gelandet ist? Diese Frage ist gar nicht wichtig. Wichtig ist vielmehr, dass Leon erkennt: »Ich kann die Dinge zwar nicht vollständig steuern, aber zumindest positiv beeinflussen. Wenn ich mich darum bemühe.« Und genau das fördert sein Kompetenzerleben. Wenn ein Schüler eine gute Note schreibt, diese aber auf Zufall oder Glück zurückführt, so fördert dies nicht sein Kompetenzerleben. Wenn er hingegen angeben kann, je genauer umso besser, welchen Beitrag er dazu geleistet hat, dann stärkt das seine Überzeugung, wichtige Dinge seines Lebens beeinflussen zu können. Dann kann er das Resultat, bei entsprechender Anstrengungsbereitschaft, auch wiederholen. Und gerade dieses Gefühl, »Ich kann selbst etwas dafür tun« fördert seine Motivation, sich ein weiteres Mal anzustrengen. Fördern Sie das Kompetenzerleben Ihres Kindes. Vor allem dort, wo es stark ist. Kapitel 2 Kein Schüler schreibt absichtlich schlechte Noten 1 Kein Schüler schreibt absichtlich schlechte Noten Nach außen wollte sich der 14-jährige Alexander natürlich nichts anmerken lassen. Aber innerlich tat ihm die schlechte Note weh. Sehr weh sogar. So sehr hatte er sich angestrengt, wieder war das Ergebnis schlecht. Zu Hause wollte er gar nicht drüber reden. Aus Enttäuschung über sich selbst, aus Angst vor Ärger mit seinen Eltern und auch, weil er seine Eltern nicht enttäuschen wollte. Diese Mischung negativer Gefühle hätte er aber nie vor jemandem zugegeben - nicht einmal ihm selbst waren seine Gefühle wirklich bewusst. Hatten Sie in der Schule auch manchmal schlechte Noten? Wenn ja, dann nutzen Sie doch bitte diese Erfahrung, um sich jetzt in Ihr Kind hineinzuversetzen. Versuchen Sie sich einfach daran zu erinnern, wie das bei Ihnen war. An den Moment, als Ihnen der Lehrer mitteilte, die Note sei schlecht. An Ihre Gefühle in diesem Augenblick. Wenn ich auf das Ergebnis einer Prüfung wartete, so war ich jedes Mal innerlich angespannt. Ich hoffte inständig, dass die Note diesmal gut sein würde. Fast betete ich dafür, dass sie diesmal gut sein möge. Gleichzeitig hatte ich Angst davor, dass sie doch wieder schlecht sein würde. Als der Lehrer die Prüfungshefte austeilte, blätterte ich jedes Mal aufgeregt und schnell auf die Seite, auf der die Note zu finden war. Sie war wieder schlecht. Jede schlechte Note löste immer einen kleinen Schock aus. Immer auch die Angst, im Vergleich zu den anderen etwas dümmer zu sein. Dabei war ich als über Jahre hinweg schlechter Schüler, der einmal eine Klasse repetierte, schlechte Noten gewohnt. Hin und wieder war es während meiner Schulzeit noch üblich, dass der Lehrer die Noten laut vor der ganzen Klasse vorlas. In dem Moment, als der Lehrer mit dem Vorlesen der Noten begann, war in der Klasse kein Ton zu hören. Es gab keinen einzigen Schüler, der nicht innerlich angespannt und hoch konzentriert diese Prozedur verfolgte. Das zeigt, wie wichtig Schülern ihre Noten sind. Selbst wenn manche so tun, als seien sie ihnen völlig egal. Das ist ein Schutzmechanismus, der einzig und allein dazu dient, die Enttäuschung über die schlechte Note zu reduzieren. So gut wie allen Schülern sind ihre Noten wichtig, selbst dann, wenn sie nach außen hin so tun, als seien sie ihnen völlig egal. Stellen Sie sich bitte vor, Sie suchen dringend eine neue Arbeit. Nach Monaten des Wartens erhalten Sie eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Natürlich bereiten Sie sich darauf vor. Natürlich ist es Ihnen nicht egal, ob Sie einen guten oder schlechten Eindruck hinterlassen. Sie gehen hin. Erhalten nach einer Woche ein Schreiben des Unternehmens. Mit welchen Gefühlen öffnen Sie diesen Brief? So wie kein Schüler absichtlich schlechte Noten schreibt, so wenig möchten wir bei einem Vorstellungsgespräch absichtlich einen schlechten Eindruck hinterlassen. Trotzdem kann es sein, dass wir trotz aller Vorbereitung nicht die Leistung zeigen, die wir von uns selbst erwarten. Natürlich sind wir dann innerlich zumindest ein klein wenig enttäuscht. Und je nachdem, wie wichtig uns die Bewerbung war, können wir sogar sehr enttäuscht sein oder sogar richtiggehend deprimiert sein, wenn wir eine Absage erhalten. So oder ähnlich erleben Schüler schlechte Noten. Stellen Sie sich bitte noch einmal vor, Sie haben eine Absage auf die Bewerbung erhalten, an die Sie so viele Hoffnungen geknüpft hatten. Wie möchten Sie, dass diejenigen Personen, die Ihnen wirklich nahestehen, reagieren, wenn Sie ihnen davon berichten? Mit Vorwürfen, wie »Ich hab dir ja gesagt, dass du dich zu wenig vorbereitet hast - das konnte ja nicht gut gehen«? Oder mit Verständnis? Vielleicht sogar mit Zuneigung? Dass sie Ihnen versichern, dass sie trotz allem weiter hinter Ihnen stehen? Dass sie Sie spüren lassen, dass Sie ihnen weiter als Mensch wertvoll sind? 2 Schlechte Noten lassen nicht einmal die Eltern cool bleiben Eine schlechte Note löst nicht nur beim betroffenen Schüler Emotionen aus - nein, meist auch bei seinen Eltern. Auch Eltern können enttäuscht, verärgert oder frustriert sein. Auch Sie als Eltern hatten vielleicht genau den gleichen Wunsch, genau die gleiche Hoffnung wie Ihr Kind: Nämlich, dass die Note diesmal gut sein möge. Dann wieder die Enttäuschung. Da ist es doch ganz normal, dass Eltern mitfühlen. Es ist sogar ein Zeichen Ihres Mitschwingens mit Ihrem Kind. Es wäre doch sehr eigenartig, wenn eine schlechte Note Ihres Kindes Sie ganz und gar kalt, unberührt und gleichgültig ließe. Die wichtigsten Gefühle in diesem Zusammenhang sind: x Ärger und Wut auf das Kind, die vor allem dann entstehen, wenn Eltern der Ansicht sind, ihr Kind hätte zu wenig gelernt x Frustration und Resignation, die vor allem dann entstehen, wenn das Kind viel gelernt hat und trotzdem wieder eine schlechte Note hat. Weil uns derartige Gefühle nicht unberührt lassen und unser weiteres Handeln meist ungünstig beeinflussen, ist es sinnvoll, dass Sie, bevor Sie mit Ihrem Kind über eine schlechte Note sprechen, Ihre eigenen Gefühle registrieren. Also überlegen, wie es Ihnen geht. Sind Sie enttäuscht von Ihrem Kind? Hatten Sie nicht so viel zusammen geübt? Oder hatten Sie Ihr Kind nicht dutzende Male, wie sich jetzt wieder herausstellt, auch zu Recht ermahnt, mehr zu lernen? Und sind Sie jetzt vielleicht verärgert, weil Ihr Kind all Ihr gutes Zureden wieder in den Wind geschlagen hat? Alles verständliche und ganz normale Reaktionen. Sie behindern aber das Gespräch mit Ihrem Kind. Warum? Innerlich angespannt, können wir uns schlecht in den anderen hineinversetzen, schlecht zuhören, schlecht nachvollziehen, was im anderen vor sich geht - weil wir noch mit unseren eigenen Gefühlen so beschäftigt sind. Wenn das bei Ihnen manchmal der Fall ist, könnten Sie zu Ihrem Kind sagen: »Ich bin jetzt selbst innerlich so aufgewühlt, dass ich jetzt gar nicht richtig mit dir über die Note reden kann. Lass uns das auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.« Damit sind Sie sogar ein beispielhaftes Modell für Ihr Kind, wie man mit belastenden Emotionen konstruktiv umgeht. Fachleute sprechen von wirkungsvollem Emotionsmanagement. Und indem Sie so sprechen, sind Sie sogar bereits dabei, ihre eigenen Emotionen zu regulieren, also ein klein wenig abzubauen. Wenn Ihr Kind eine schlechte Note nach Hause bringt, müssen Sie gar nicht sofort reagieren, wie viele leider meinen. Meist ist es besser, eine Nacht darüber zu schlafen. Vor allem, wenn man innerlich aufgewühlt ist. Schlechte Noten verleiten Sie dazu, emotional zu reagieren. Das ist in dieser Situation aber genau das Falsche. Es gefährdet Ihre Beziehung zu Ihrem Kind. Sie können Ihr Kind dann beim Lernen nicht mehr so gut unterstützen. Und es führt sogar dazu, dass Ihr Kind vor lauter Angst, Enttäuschung und Ärger schlechter lernt. Schlechte Noten lösen sogar bei den Eltern negative Emotionen aus. Diese behindern das Gespräch mit dem Kind. Eltern müssen deshalb erst ihre Gefühle regulieren - und dann mit ihrem Kind sprechen. Das ist Schwerstarbeit. Nicht umsonst ist Elternsein so anspruchsvoll.Wie Sie Ihre Balance wiederfinden: x Sie schreiben einfach auf, wie es Ihnen geht. x Sie machen sich klar, was Ihr Kind jetzt von Ihnen braucht, nämlich emotionalen Support. x Sie machen sich klar, dass kein Kind absichtlich schlechte Noten schreibt. x Sie schlafen eine Nacht darüber. x Sie sprechen mit einer Vertrauensperson darüber. x Sie machen einen Spaziergang oder Sie gehen ins FitnessStudio, um sich abzulenken. Natürlich gibt es noch unendlich viele andere Dinge, die Sie tun können. Machen Sie das, was Ihnen am besten hilft. 3 Wie Sie Ihrem Kind über schlechte Noten hinweghelfen Kinder reagieren unterschiedlich auf schlechte Noten. Manche sind mehr enttäuscht als andere. Manche wenden ihre Enttäuschung nach innen - andere richten ihren Ärger nach außen und gegen andere, wie zum Beispiel Geschwister. Manche brauchen mehr Verständnis, andere weniger. Nachfolgend finden Sie einen Vorschlag, wie Sie Ihrem Kind über schlechte Noten hinweghelfen können. Er ist absichtlich sehr detailliert dargestellt und dient Ihnen zur Orientierung. Natürlich können Sie ihn auf die jeweilige Situation Ihres Kindes anpassen. Das Gespräch mit dem Kind besteht aus folgenden Phasen: 1. Vorbereitungsphase 2. Zuhör- und Verständnisphase 3. Wiederaufbau- und Bewältigungsphase Das klingt alles etwas kompliziert - ist aber ganz einfach. Und vor allem ist dieses Vorgehen sehr hilfreich.
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