Guten Morgen! Der kleine Sonnengruß zum Start in den Tag
Die empfohlene Zeit für Yoga ist zum Sonnenaufgang. Danach geht man belebt, erfrischt und vollkommen relaxt in den Tag. Heißt es.
Für die Meditation sollte man noch ein bisschen früher aufstehen, idealerweise irgendwann zwischen halb vier und sechs Uhr.
Und da habt ihr ihn, meinen yogischen Schweinehund. Um halb vier morgens träume ich noch, um halb fünf setze ich mir die Schlafmaske auf gegen den ersten Morgendämmerungsschimmer am Schlafzimmerfenster und angele nach den Ohrstöpseln gegen das beginnende Vogelkonzert.
Um zehn vor sechs schlage ich nach allem, was klingelt.
Um sechs Uhr quäle ich mich aus dem Bett und schaffe es gerade noch sturzfrei die Treppe hinunter.
Ich breche damit täglich sämtliche yogischen Verhaltensempfehlungen und Ashramregeln für den Tagesbeginn. Zu meiner Verteidigung kann ich nur hervorbringen, dass sich der Tag von sechs bis dreiundzwanzig Uhr mit drei Kindern, Mann und zwei Jobs nicht gerade nach Ashram anfühlt. Im Gegenteil, ich würde gelegentlich ganz gern in einen verschwinden.
Auch das Argument mit den Lerchen und Eulen ist nicht wirklich überzeugend. Ich bin weder das eine noch das andere. Ich schlafe einfach nur gern mindestens neun Stunden am Stück. Dann geht’s mir gut.
WAS DIE YOGAMAMA RÄT
Wenn es dir genauso geht, du überzeugter Yogi bist oder gerade auf dem Weg dahin, dich aber einfach nicht zu einer regelmäßigen morgendlichen Praxis überwinden kannst, geh nicht zu streng mit dir ins Gericht. Wir leben kein rein spirituelles Leben, sondern kämpfen uns durch ziemlich anstrengende Tage, die uns sechzehn Stunden und mehr körperlich und geistig herausfordern. Da ist es nicht verwunderlich, wenn man bei der Abendmeditation ein- und das morgendliche Yoga verschläft.
Suche dir Nischen am Tag, beständig und regelmäßig. Und selbst wenn das mal nicht zu schaffen ist, eine unregelmäßige Praxis ist immer noch besser als gar keine.
Wenn die Kinder groß und deine Tage vielleicht ein wenig freier werden, kannst du immer noch in der Dämmerungsstunde meditieren und anschließend mit Yoga die Sonne begrüßen.
Für die Willensstarken, Hochmotivierten und Lerchen unter uns empfehle ich den kleinen Sonnengruß zum Start in den Tag. Wenig zeit- und platzaufwendig, bietet er sich als morgendliches Aufwachritual gleich neben dem Bett geradezu an. Und vielleicht gesellt sich die eine oder andere Eule dazu, wer weiß.
Schöne Grüße an die Sonne
SCHRITT 1
Setz dich im Fersensitz auf den Boden, leg deine Hände in den Schoß und sitz ganz aufrecht. Kipp dein Becken etwas nach vorn, sodass du nicht im Hohlkreuz sitzt, und ziehe dein Kinn Richtung Brustbein, sodass auch dein Nacken lang werden kann. Dein Blick geht nach vorn.
Atme nun ein, heb deine Arme in weitem Kreis über deinen Kopf, bring die Handflächen zusammen und ausatmend auf Höhe deines Brustbeins. Drück dabei deine Handflächen zusammen. Deine Unterarme sind parallel zum Boden.
SCHRITT 2
Einatmend heb nun deine Arme über den Kopf in eine leichte Rückbeuge. Wenn es für deinen Nacken angenehm ist, sieh nach oben zu deinen Händen.
SCHRITT 3
Ausatmend geh nun mit langen Armen nach vorn, bis deine Hände den Boden berühren. Wandere mit deinen Fingern so weit wie möglich nach vorn, sodass deine Seiten gedehnt werden. Halte diesen Punkt einen Moment.
SCHRITT 4
Einatmend komm aus der Achseldehnung in den Vierfüßlerstand. Richte deinen Körper aus, sodass sich die Schultern über den Handgelenken und deine Hüften über deinen Knien befinden. Stell deine Füße an und krall die Finger leicht gespreizt in die Unterlage.
SCHRITT 5
Drück dich ausatmend aus dem Vierfüßlerstand in den abwärts schauenden Hund, indem du deinen Steiß Richtung Decke schiebst. Beine und Arme sind gestreckt. Wenn du deine Fersen nicht ganz auf den Boden bringen kannst, lege dir eventuell eine Decke unter. Du kannst deine Ellbogen leicht nach außen drehen; dein Blick geht Richtung Knie oder Bauchnabel.
SCHRITT 6
Komm einatmend zurück in den Vier-Füßler-Stand und richte deinen Körper wieder aus.
SCHRITT 7
Senke ausatmend deinen Po wieder auf deine Fersen, schieb deine Arme lang nach vorn und komm so wieder in die Achseldehnung.
SCHRITT 8
Komm einatmend mit langen Armen nach oben und beuge dich aus dem Fersensitz leicht nach hinten in die Rückbeuge.
SCHRITT 9
Senke ausatmend deine Arme wieder vor deine Brust in die Gebetshaltung.
Mach so viele Runden, wie du magst und es dein morgendliches Zeitfenster zulässt. Dann kann der Tag kommen!
Du bist peinlich, Mama! Mantrasingen
Die wenigen Momente, die ich tatsächlich allein im Auto oder in der Küche zubringe (die Küche überwiegt), nutze ich oft zum Mantrahören und Mantrasingen. Gerne laut, schief und mit Hüftschwung. Kommt irgendein Familienmitglied hinzu, fallen die Kommentare immer wieder ähnlich aus:
Jüngste Tochter: »Mama, die singt nicht schön. Du auch nicht.«
Mittlere Tochter: »Tanzt du?! Kannst du bitte damit aufhören, das sieht komisch aus.«
Größte Tochter: »O nee, Mama, bitte nicht. Wie peinlich.«
Ehemann: »Was hörst du denn für ein Gejammer?«
Dank ungeliebter Küchenarbeiten wie Geschirrspüler ausräumen oder Kartoffeln schälen sind jedoch alle recht schnell verschwunden und ich habe wieder Platz für den Hüftschwung.
Die gute Laune ist nur ein Nebeneffekt der Mantras, ihr eigentlicher Sinn ist die Meditation. Indem man ein Mantra wiederholt, bringt man dessen Energien zum Schwingen und kann die Bedeutung erfahren und verinnerlichen. Es ist ein Werkzeug (= tra) für unseren Geist (= man).
Es ist dabei nicht nötig, das Mantra zu singen, man kann es auch flüstern oder denken. Dem geistigen Wiederholen misst man die größte Wirkung bei, dem Singen den meisten Spaß.
Freilich: Was in Indien oder Tibet von Kindesbeinen an ganz selbstverständlich ist, daran scheiden sich im »Westen« die Geister. Ich sehe es in meinen Anfängerkursen den Gesichtern geradezu an, wenn ich zum Kursabschluss zum Mantrasingen auffordere. Singen?! Hier?! Laut?! Jetzt?! Was für Wörter?! Ich bin doch in keiner Sekte?!
Ich bemühe mich nach Kräften, all die aufspringenden Schubladen in den Köpfen wieder sanft zu schließen. Dazu gehört eine ausführliche Erklärung, warum wir hier, jetzt und laut zusammen singen sollten. Ich stelle mich auch nicht mit der Stimmgabel daneben, um festzustellen, wann jemand die Tonleiter verlässt. Und wer seine Gesangskünste partout nicht zum Besten geben will, der kann einfach nur zuhören und es so auf sich wirken lassen.
Die ersten Silben singe ich tapfer allein, dann stimmen die Ersten zaghaft ein, und am Ende klingt es für introvertierte gesangsmüde Mitteleuropäer doch ganz annehmbar.
Wer dabeibleibt, bekommt immer zum Monatsende die Gelegenheit, ein bisschen mutiger zu werden, denn dann stelle ich ein neues Mantra vor. Ich habe Teilnehmer, die sich sehr darauf freuen und wahre Freude beim Singen empfinden. Eindeutig Tendenz Hüftschwung.
WAS DIE YOGAMAMA RÄT
Wenn du noch nie mit Mantras in Berührung gekommen bist und dich schon als Kind vor dem Chor gedrückt hast, wirst du sicherlich nur langsam oder auch gar nicht mit dieser Form der Meditation warm werden. Aber es ist ein Teil des Yoga, den du kennen und zumindest mal ausprobiert haben solltest.
Gelegenheiten dafür gibt es viele. Im traditionellen Yogaunterricht wird ein Begrüßungs- und Abschiedsmantra gesungen, im Kundalini-Yoga sind Mantras Bestandteil jeder Stunde. In größeren Städten hat man die Möglichkeit, zum reinen Mantrasingen zu gehen.
Die Auswahl an Mantras zum Anhören ist schier endlos. Ob traditionell, mystisch oder modern, hier kannst du dir genau die Richtung heraussuchen, die du magst.
Ob du sie zum Autofahren hörst, beim Kochen, zum Einschlafen oder Entspannen, oder ob du ihrer eigentlichen Bedeutung entsprechend mit ihnen meditierst: Wichtig ist dabei nur dein offenes Herz, damit die Worte den Weg in dein Inneres finden.
Herzensworte
Ich möchte dir an dieser Stelle zwei Mantras vorstellen, deren Worte den Weg in mein Herz fanden:
»I am the light of my soul
I...