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Schwieriges Atemwegsmanagement bei Erwachsenen und Kindern

AutorIngeborg Dornberger
VerlagGeorg Thieme Verlag KG
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl312 Seiten
ISBN9783131769411
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis54,99 EUR
Intubation - Technik der Maskenbeatmung und endotrachealen Intubation mit ihren Komplikationen sowie klinische Besonderheiten - Airwaymanagement bei Kindern und klinischen Notfällen - Methoden zur Bewältigung schwieriger supra- und subglottischer Intubationsprobleme - Anlage einer perkutanen Dilatations-Tracheotomie - inklusive Algorithmus-Karte und Passgrößen-Tabelle der wesentlichen Materialien für die Kitteltasche Das erfolgreiche Management schwieriger Intubationen erfordert schnelle Entscheidungen und entschlossenes Vorgehen. Dieses Buch stellt anschaulich und verständlich die Methoden des schwierigen Atemwegsmanagements bei Erwachsenen und Kindern dar. - anatomische Grundlagen und Hinweise auf eine zu erwartende schwierige

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Leseprobe

2 Schwieriger Atemweg


2.1 Klassifikation des schwierigen Atemwegs und Han-Klassifikation der Maskenbeatmung


Um schwierige Situationen vergleichbar zu machen – beispielsweise für eine Nachvollziehbarkeit in einer ähnlichen Situation, die Dokumentation in einer Patientenakte oder die wissenschaftliche Auswertbarkeit über die Häufigkeit solcher Situation – müssen sie erst einmal definiert werden.

Nach der allgemeingültigen Definition der American Society of Anesthesiologists (ASA) spricht man von einem schwierigen Atemweg (besser: die schwierige Atemwegssicherung), wenn die erfolgreiche Platzierung des Endotrachealtubus bei einem „durchschnittlich ausgebildeten“ Anästhesisten mehr als 3 Versuche erfordert oder länger als 10 Minuten dauert.

In der Tab. 2.1 wird die Klassifizierung der Beschreibung des schwierigen Atemweges aufgelistet und bestimmt, während die Tab. 2.2 nach der Han-Klassifikation die Schwierigkeitsgrade der Maskenbeatmung auflistet.

In der Tab. 2.3 werden die Minimalanforderungen beim Management des schwierigen Atemweges an die verantwortlich Tätigen zusammengestellt, um vorausschauend planen und diese Situationen nachhaltig bewältigen zu können.

Tab. 2.1 Klassifikation zur Beschreibung des schwierigen Atemweges (3).

Tab. 2.2 Han-Klassifikation der Maskenbeatmung [3].

GradBeschreibung
IMaskenbeatmung problemlos möglich
IIMaskenbeatmung nur unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln (z. B. Guedel-Tubus) möglich
IIIschwierige Maskenbeatmung (inadäquat, instabil, zwei Personen erforderlich)
IVMaskenbeatmung nicht möglich

Tab. 2.3 Minimalanforderungen beim Management des schwierigen Atemwegs (6) [4].

Minimalanforderungen beim Management des schwierigen Atemwegs
Notfallplan etablieren und kommunizieren, Standardalarmierungsschemata für spezielle Notfälle
Equipment zeitnah bereitstellen, deutlich gekennzeichnet und leicht zugänglich lagern
Prädiktoren des schwierigen Atemweges erkennen
effektive Präoxygenierung mit Monitoring
Maskenbeatmung/ Larynxmaske als universelle Rückzugsstrategie mithilfe der 2-Hand-2-Personen-Methode
Intubation über einen langen Führungsstab
fiberoptische Intubation beim wachen Patienten oder über Larynxmaske oder ILMA mit Helfer
mindestens eine Alternative mit dem Ziel „Intubation“ (z. B. gerader Spatel, ILMA, Bonfils-Optik, Videoaryngoskope)
Notfallkoniotomie mit Ober-/Facharzt und Notfallbesteck
Übung der Techniken am Phantom, Simulator und unter Routinebedingungen

2.2 Zu erwartende schwierige Intubation


Auffälligkeiten beim Anblick eines Patienten

Ein gutes Beobachtungsvermögen will geschult sein mit Hinweisen auf Auffälligkeiten, die eine schwierige Intubation anzeigen.

• Profilansicht: Mikrogenie, Retrogenie (thyreomentale Distanz < 6 cm)

• kurzer, dicker Hals, Adipositas, Stiernacken, Verletzungen am Hals

• Kopf nicht reklinierbar (HWS-Frakturen, -Luxationen)

• Wirbelsäulenversteifungen (z.B. Morbus Bechterew)

• ab Mundöffnung nach Mallampati III (siehe auch Abb.2.2)

• lange, vorstehende Frontzähne

• lückenhaftes, desolates Gebiss

• einzeln stehende Frontzähne

• Kieferklemme < 2 Querfinger zwischen den Zahnreihen

• „dicke Backe“ (Zahnabszess mit Begleitödem und Kieferklemme)

• Makroglossie (z.B. Akromegalie)

• Verlegung der Atemwege (z.B. Tumoren, Ödeme, Abszesse, Hämatome, Kontakttonsillen, Fremdkörper, Hämangiome, liegende Belocq-Tamponade)

• Mittelgesichts- oder Kieferfrakturen

• akute Blutungen im Mund-, Nasen-, Pharynxbereich

• Verhärtung oder Schrumpfung des Gesichts (z.B. nach Bestrahlung, Verbrennung, Operation)

• Heiserkeit (z.B. Rekurrensparese, Stimmbandödem, -tumor)

• Schluckstörungen

• „kloßige“ Sprache

• Atemnot (z.B. Epiglottitis)

• inspiratorischer Stridor

• Atemnot im Liegen

2.3 Gesichts- und Halsanomalien


Als Blickdiagnosen könnten die Gesichts- und Halsanomalien beschrieben werden, die in der Tab. 2.4 bei den ersten 3 Bildern je eine Kieferanomalie sowie im Folgenden andere Intubationshindernisse signalisieren.

Tab. 2.4 Gesichts- und Halsanomalien, die eine schwierige Intubation signalisieren (1.–3. Kieferanomalien) (17), (7).

2.4 Anatomische Distanzen


Aufgrund der Messung von anatomischen Distanzen kann der Anästhesist im Vorfeld abschätzen, ob eine schwierige Intubation bevorsteht.

Eine Kieferklemme kann leicht erkannt werden, indem der Patient gebeten wird, den Mund maximal zu öffnen und er nur 2 seiner Querfinger zwischen seine Schneidezahnkanten/Alveolarkamm-Kanten geschoben bekommt.

Eine Einschränkung im Atlantookzipitalgelenk bedeutet eine eingeschränkte Reklinierbarkeit/ Rückwärtsbiegung des Kopfes.

Bei einer Mikroretrogenie, d.h. einem fliehenden und zu kurzen Kinn ( Tab. 2.4, 1), wird der thyreomentale Abstand unter 6,5 cm betragen und damit eine sehr schwierige Intubation signalisieren.

Das gilt gleichermaßen für den hyomentalen wie für den sternomentalen Abstand.

In der Abb.2.1 werden die anatomischen Distanzen am Phantom dargestellt.

Abb. 2.1 Anatomische Distanzen:

SKD/AKD (grün): Distanz zwischen den Schneidezahnkanten des Oberund Unterkiefers (normal: 5 cm)

• Atlantookzipitalgelenk (blau): reduzierte Beweglichkeit < 15° ( normal: ca. 30°)

thyreomentaler Abstand (rot): zwischen Schildknorpel und Kinn bei maximal überstrecktem Kopf < 6,5 cm problematisch ( normal: > 7 cm)

sternomentaler Abstand (gelb): zwischen kranialem Sternumrand und Kinn bei maximal überstrecktem Kopf (normal: > 13,5 cm)

hyomentaler Abstand (lila): zwischen Zungenbein und Kinn ( normal: > 2 Querfinger).

2.5 Signal-Diagnosen


Folgende Diagnosen signalisieren eine schwierige Intubation und/oder Beatmung:

Gesichts- und Halswirbelsäulenfrakturen oder -traumata

• Verletzungen am Hals (des Larynx, der Trachea, der Weichteile)

Infektionen und Abszesse im Kopf- und Halsbereich (Epiglottitis, Peritonsillarabszess)

• Zustand nach Bestrahlung, Verbrennung, Operationen im Kopfbereich (Inhalationstrauma)

Tumoren im Kopf- und Halsbereich

Mediastinal mass syndrome (Raumforderung im vorderen Mediastinum)

allergische Reaktionen (Ödeme der Zunge, Epiglottis, des Larynx)

Fremdkörper im Mund-, Rachen-, Nasen- und Lungenbereich (Aspiration, liegende Belocq-Tamponade)

Kontakttonsillen („kissing tonsils“)

Choanalatresie

Diabetes mellitus, langjährig durch Gelenkversteifungen

rheumatoide Arthritis, durch Gelenkveränderungen

• Hypophysenadenom, Akromegalie durch Makroglossie

Rekurrensparese (Stimmbandlähmung, Heiserkeit)

• Schwangerschaft (2. und 3. Trimenon)

obstruktive Schlafapnoe (OSA)

Adipositas per magna

Eine schwierige Intubation ist weiterhin bei den folgenden Missbildungssyndromen zu erwarten [6]:

Pierre Robin-Sequenz (Retromikrogenie, Rückfall der Zunge in den Hypopharynx)

Treacher-Collins-Syndrom, Franceschetti-Syndrom (Mikroretrogenie, Jochbeinhypoplasie u.a.)

Stickler-Syndrom, Weaver-Smith-Syndrom, Marshall-Syndrom (Mikrognathie)

DiGeorge-Syndrom (Mikrogenie)

Hallermann-Streiff-Syndrom (Mikrogenie)

Pfaundler-Hurler oder Klippel-Feil-Syndrom (Mukopolysaccharidosen und Synostose der HWS, Kurzhals, Makroglossie)

Goldenhar-Syndrom,...

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