Mithilfe von generativen - respektive additiven - Fertigungsverfahren ist es möglich, Bauteile nach dem Schichtbauprinzip herzustellen. Das Bauteil wird in Schichten computergesteuert zerlegt. Als Basis dienen die 3D-Computerdaten. Während des anschließenden Fertigungsprozesses, wird Schicht auf Schicht zusammengefügt, bis ein fertiges Werkstück entsteht. Daraus ergeben sich folgende Eigenschaften additiver Fertigungsverfahren: [6, 7]
Die Herstellung erfolgt nicht durch Abtragen, sondern durch schichtweises Hinzufügen von Material.
- Die Geometrie der Schichten wird direkt aus den 3D CAD-Daten abgeleitet.
- Die 3D-Beschreibung der Geometrie ist somit die Basis für den Bauprozess.
- Es wird kein Werkzeug zur Herstellung des Bauteils benötigt, die Herstellung erfolgt formfrei.
- Es können Teile mit hoher geometrischer Komplexität hergestellt werden.
Aus den genannten Eigenschaften können zwei große Vorteile dieser Fertigungsverfahren gegenüber herkömmlichen Kunststoffverarbeitungsverfahren abgeleitet werden: Die Herstellung von Bauteilen erfolgt ohne Werkzeug, sodass keine Werkzeugkosten anfallen. Durch die werkzeuglose Fertigung können auch Kleinserien gefertigt werden. Eine Fixkostendegression infolge von kostenintensivem Werkzeug kennt die additive Fertigung somit nicht. Weiter können Anpassungen am Bauteil ohne erheblichen Mehraufwand verwirklicht werden. Eine Werkzeugänderung in konventionellen Fertigungsverfahren, wie dem Kunststoffspritzguß, wäre im Gegensatz dazu aufwändig und teuer. Darüber hinaus gibt es bei additiven Fertigungsverfahren keine geometrischen Restriktionen. Der Herstellungsaufwand beim selektiven Laserstrahlschmelzen ist durch das Volumen und die Bauteilhöhe bestimmt. Die Bauteilkomplexität hat jedoch keinen wesentlichen Einfluss auf die Fertigungszeit und die Herstellkosten. [6-8] Nichtsdestotrotz, für die klassische Serienfertigung in großen Stückzahlen sind diese additiven Fertigungsverfahren nach heutigem Stand der Technik noch zu unwirtschaftlich, hauptsächlich wegen der langen Prozesszeiten. Dies trifft insbesondere auf große Bauteile zu. [9]
Die additiven Fertigungsverfahren gehören nach DIN 8589 zu den Urformverfahren. Gemäß Gebhardt (2013) [6] können die additiven Fertigungsverfahren in Abhängigkeit von ihrer Anwendung in Rapid Prototyping und Rapid Manufacturing gegliedert werden. Wurden die additiven Fertigungsverfahren zu Beginn ihrer Entwicklung in erster Linie im Bereich des Prototypenbaus, dem Rapid Prototyping, eingesetzt, finden diese heute mehr und mehr in der Fertigung von Endprodukten Anwendung (Rapid Manufacturing) [9]. Rapid Manufacturing lässt sich in Direct Tooling und Direct Manufacturing unterteilen. Während beim Direct Tooling serientaugliche Werkzeuge mittels additiver Fertigungsverfahren hergestellt werden, werden beim Direct Manufacturing Endprodukte mit diesem Fertigungsverfahren hergestellt. Im Allgemeinen haben diese Bauteile dieselben Eigenschaften wie auf dem Markt erhältliche Produkte. Daher kann hier von Serienbauteilen oder auch Zielteilen gesprochen werden. Ein Zielteil ist dabei ein Bauteil, das genau die Eigenschaften besitzt, welche in der Konstruktion für das Produkt festgelegt wurden. [6]
Von Anfang an war es die Intention der Erfinder, Endprodukte mittels additiver Fertigungsverfahren herzustellen und zwar Endprodukte, die mittels konventioneller Fertigungsverfahren nicht herzustellen sind. Hierbei muss erwähnt werden, dass nicht das Fertigungsverfahren darüber entscheidet, ob es sich um ein Endprodukt oder um einen Prototypen handelt. Vielmehr kommt es darauf an, ob die von der Konstruktion festgelegten Eigenschaften den Eigenschaften des Zielteils entsprechen. Dafür müssen die additiven Fertigungsverfahren nicht unbedingt dieselben Werkstoffeigenschaften erzielen wie konventionelle Fertigungsverfahren. [6] Werden die definierten Eigenschaften erreicht (z. B. mechanische Eigenschaften), so kann von einem Endprodukt gesprochen werden.
Ein wesentlicher Vorteil von Direct Manufacturing liegt in der sogenannten Funktionsintegration. Unter Funktionsintegration kann in der Konstruktionslehre verstanden werden, dass möglichst viele technische Funktionen mit wenigen Bauteilen realisiert werden [10]. In der Regel führt dies zu einer reduzierten Anzahl von Einzelteilen. In Folge reduziert sich der Aufwand für nachgelagerte Prozesse, z. B. die Montage. [11] Zur Verdeutlichung lässt sich hier ein Beispiel aus der Industrie anführen: Die Firma Hettich aus dem Raum Stuttgart stellt Zentrifugen her. Mithilfe dieser Geräte ist es möglich, beispielsweise Blutkonserven zu zentrifugieren (durch Drehbewegung Trennung von Bestandteilen der Gemische). Bei einer konventionellen Fertigung sind für die Serienproduktion dieser Geräte aufwändige Werkzeuge und eine zeitintensive Montage notwendig. Hettich fand für den Waschrotor der Zentrifugen einen Fertigungsansatz in der additiven Fertigung zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit. Funktionen können bereits während der Fertigung integriert werden und kostenintensive Montageschritte fallen weg. Folgende Ergebnisse konnten mit der Umstellung des Fertigungsverfahrens erreicht werden:
- der Rotor besteht nur noch aus drei anstatt 32 Montagekomponenten
- Werkzeuge sind nicht länger nötig
- es gibt kein kostspieliges Entgraten mehr. [12]
Hierbei kann von Direct Manufacturing gesprochen werden. Der Waschrotor entspricht dem Zielteil mit den vorher festgelegten Bauteileigenschaften.
Der selektive Laserstrahlschmelzprozess basiert auf dem Verschmelzen eines pulverartigen Ausgangsstoffes. Der mittlere Durchmesser dieser Kunststoffpulverpartikel beträgt in der Regel 50 bis 100 μm. Die für den Prozess erforderliche Energie wird durch Laserstrahlung eingebracht. Durch Absorption an den Pulverpartikeln wird die Strahlungsenergie des Lasers in Wärme umgewandelt. Der enge Fokus des Lasers schränkt den Wirkungsbereich lokal ein. Infolge der Strahlungsenergie wird der Werkstoff lokal auf Temperaturen oberhalb der Schmelztemperatur erwärmt. Der aufgeschmolzene Kunststoff verbindet sich mit den benachbarten Körnern. Zur Herstellung von Bauteilen wird der Laser in parallelen Linien über die Pulverpartikel bewegt. Werden mehrere Linien nebeneinander mit einem geringen Abstand belichtet, so entsteht eine Schicht. Der Abstand zwischen den Linien ist so gering, dass sich diese überlappen und sich somit miteinander verbinden können [13]. Durch Absenken der fertig belichteten Schicht und erneutes Beschichten mit Pulver wird analog zur ersten Schicht die zweite Schicht erzeugt. Dabei verbindet sich die erste Schicht mit der gerade erzeugten Schicht [6]. Die Schmelztiefe des Lasers muss hierbei tiefer sein als die Höhe (Dicke) der zuvor aufgetragenen Pulverschicht, damit sich die Schichten miteinander vereinigen können. [13]
Abbildung 1: Selektives Laserstrahlschmelzen – Verfahrensprinzip [6] a) Pulverauftrag mittels Roller b) Belichtung mittels Laser c) Absenken der Plattform
Abbildung 1 zeigt das Verfahrensprinzip des selektiven Laserstrahlschmelzens. Der Prozess beginnt mit dem Pulverauftrag mittels Roller oder Rakel. Anschließend wir die Pulverschicht entsprechend mit dem CO2-Laser belichtet. Danach senkt sich das in dem Bauraumzylinder befindliche Pulverbett um eine Schichtdicke nach unten. [6]
Gegenüber dem konventionellen Sintern von metallischen und keramischen Werkstoffen unterscheidet sich das selektive Laserstrahlschmelzen dahingehend, dass kein Werkzeug zur Formgebung erforderlich ist [13] und dass das Laserstrahlschmelzen drucklos erfolgt. Bei Pulvermetallen hingegen wird das Pulver in eine Form gegeben und verdichtet. Durch das anschließende Sintern, das Aufheizen des Grünlings in einem Ofen unterhalb der Schmelztemperatur, entsteht ein Formteil [14]. Beim selektiven Laserstrahlschmelzen hingegen werden weder Formen (Werkzeuge) benötigt noch wird der Werkstoff mit Druck beaufschlagt. Weiter kommt es beim herkömmlichen Sintern von metallischen und keramischen Stoffen zur sogenannten Diffusion. Das bedeutet, dass sich die Atome zweier Stoffe gleichmäßig untereinander verteilen und sich so die Stoffe miteinander verbinden [14]. Beim selektiven Laserstrahlschmelzen hingegen kann davon ausgegangen werden, dass der Prozess nicht „diffusionsgesteuert“ abläuft. Die Pulverteilchen verschmelzen miteinander. Die Oberflächenspannung σ und die Viskosität des Werkstoffes bestimmen beim Laserstrahlschmelzen somit den Prozess. [13]
Von wesentlicher Bedeutung beim Laserstrahlschmelzen ist die Packungsdichte. Die Packungsdichte beeinflusst die Schwindung/Schrumpfung während des Laserstrahlschmelzvorgangs. Die Packungsdichte PD ist definiert als: [16]
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