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Sicherungsverwahrung. Möglichkeiten und Grenzen der Unterbringung von Jugendlichen und Heranwachsenden

Möglichkeiten und Grenzen der Unterbringung von Jugendlichen und Heranwachsenden

AutorElisabeth Robles-Garcia
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl91 Seiten
ISBN9783640453252
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Fachhochschule Düsseldorf, Sprache: Deutsch, Abstract: Vor dem Eindruck einiger öffentlichkeitswirksam in den Medien aufbereiteter Einzelfälle jugendlicher Intensivstraftäter hat der deutsche Gesetzgeber die bestehenden Instrumente der Maßregeln der Besserung und Sicherung des deutschen Jugendstrafrechts durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht um die nachträgliche Sicherheitsverwahrung erweitert. Die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung im Bereich des Jugendstrafrechts bildet dabei den vorläufigen Abschluss der in der jüngeren Vergangenheit zu verzeichnenden Ausweitungstendenzen im Bereich der Sicherungsverwahrung. Die Einführung der Sicherungsverwahrung, welche bereits im Bereich des Erwachsenenstrafrechts in der Sozial- und Rechtswissenschaft sowie der Psychologie für erhebliche Diskussionen gesorgt hat, wirft im Bereich des Jugendstrafrechts weitrechende Probleme auf, welche durch diese Arbeit betrachtet werden sollen. Die vorliegende Abhandlung legt nach einer kurzen Darstellung der Entwicklung des Rechts der Sicherungsverwahrung und der praktischen Bedeutung der Sicherungsverwahrung in Deutschland einen Schwerpunkt auf die rechtlichen Aspekte der Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht. Nach der Aufarbeitung der rechtlichen Grundlagen schließt sich eine ausführliche Bewertung der nachträglichen Sicherungsverwahrung unter rechtlichen, sozialwissenschaftlichen und psychologischen Gesichtspunkten an. Hierbei werden Schwerpunkte auf die im Rahmen des Anord-nungsverfahrens erforderliche Gefährlichkeitsprognose, bestehende Defizite im (Jugendstraf-)Vollzug und die praktischen Konsequenzen der Sicherungsverwahrung nach Jugendstrafrecht gelegt. Im Anschluss werden alternative Regelungskonzepte vorgestellt und diskutiert. Die Arbeit endet mit einem Fazit, welches eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse sowie einen kurzen Ausblick enthält. Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, den geltenden rechtlichen Rahmen für die Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht vorzustellen, Sinn und Zweck der Sicherungsverwahrung im Bereich des Jugendstrafrechts kritisch zu hinterfragen, Ungereimtheiten und Unstimmigkeiten der aktuellen Gesetzeslage und Vollzugspraxis aufzudecken sowie die praktischen Folgen der Sicherungsverwahrung zu diskutieren und alternative Regelungskonzepte vorzustellen. Weitergehende Informationen zur Arbeit sowie allgemein zum Thema Sicherungsverwahrung unter: www.sicherungsverwahrung.com

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Leseprobe

A. Einführung

 

I. Gegenstand und Gang der Untersuchung

 

Vor dem Eindruck einiger öffentlichkeitswirksam in den Medien aufbereiteter Einzelfälle jugendlicher Intensivstraftäter hat der deutsche Gesetzgeber die bestehenden Instrumente der Maßregeln der Besserung und Sicherung des deutschen Jugendstrafrechts durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht[1] um die nachträgliche Sicherheitsverwahrung erweitert.

 

Die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung im Bereich des Jugendstrafrechts bildet dabei den vorläufigen Abschluss der in der jüngeren Vergangenheit zu verzeichnenden Ausweitungstendenzen im Bereich der Sicherungsverwahrung. Die Einführung der Sicherungsverwahrung, welche bereits im Bereich des Erwachsenenstrafrechts in der Sozial- und Rechtswissenschaft sowie der Psychologie für erhebliche Diskussionen gesorgt hat, wirft im Bereich des Jugendstrafrechts weitrechende Probleme auf.

 

Die vorliegende Arbeit legt nach einer kurzen Darstellung der Entwicklung des Rechts der Sicherungsverwahrung und der praktischen Bedeutung der Sicherungsverwahrung in Deutschland einen Schwerpunkt auf die rechtlichen Aspekte der Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht. Nach der Aufarbeitung der rechtlichen Grundlagen schließt sich eine ausführliche Bewertung der nachträglichen Sicherungsverwahrung unter rechtlichen, sozialwissenschaftlichen und psychologischen Gesichtspunkten an. Hierbei werden Schwerpunkte auf die im Rahmen des Anordnungsverfahrens erforderliche Gefährlichkeitsprognose, bestehende Defizite im (Jugendstraf-)Vollzug und die praktischen Konsequenzen der Sicherungsverwahrung nach Jugendstrafrecht gelegt. Im Anschluss werden alternative Regelungskonzepte vorgestellt und diskutiert. Die Arbeit endet mit einem Fazit, welches eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse sowie einen kurzen Ausblick enthält.

 

Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, den geltenden rechtlichen Rahmen für die Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht vorzustellen, Sinn und Zweck der Sicherungsverwahrung im Bereich des Jugendstrafrechts kritisch zu hinterfragen, Ungereimtheiten und Unstimmigkeiten der aktuellen Gesetzeslage und Vollzugspraxis aufzudecken sowie die praktischen Folgen der Sicherungsverwahrung zu diskutieren und alternative Regelungskonzepte vorzustellen.

 

II. Entwicklung des Rechts der Sicherungsverwahrung

 

Das Recht der Sicherungsverwahrung kann in Deutschland bereits auf eine rund 75-jährige Geschichte zurückblicken.[2] Eingeführt wurde die Sicherungsverwahrung im Jahre 1933 kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland durch das Gesetz gegen Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Besserung und Sicherung.[3] Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs wurden die Vorschriften zur Sicherungsverwahrung zunächst unverändert in das Deutsche Strafgesetzbuch von 1953 übernommen.[4]

 

Zum Beginn der 60er-Jahre geriet die Sicherungsverwahrung zunehmend in die Kritik. Neben den hohen Anordnungs- und Sicherungsverwahrtenzahlen wurde insbesondere der empirisch belegte Zustand kritisiert, dass die Sicherungsverwahrung gerade nicht den für die Allgemeinheit gefährlichen Personenkreis, sondern überwiegend Kleinkriminelle, im Wesentlichen „kleine Diebe und Betrüger“ betraf.[5] Der deutsche Gesetzgeber blieb von dieser Kritik nicht unbeeindruckt und reagierte mit einer tief greifenden Umgestaltung der Vorschriften über die Sicherungsverwahrung zu Beginn bzw. Mitte der 70er-Jahre.[6] Die wesentlichen Elemente dieser Reform waren eine deutliche Anhebung der Anordnungsvoraussetzungen, insbesondere die Festlegung von drei schweren Taten als Grundlage für die Verhängung der Sicherungsverwahrung, und die zeitliche Begrenzung der ersten Sicherungsverwahrung auf maximal zehn Jahre.[7]

 

In den 90er-Jahren wurde die Notwendigkeit der Sicherungsverwahrung unter Hinweis auf die seit Inkrafttreten der Reformen in den 70er-Jahren stetig sinkenden Verwahrtenzahlen sogar ernsthaft bezweifelt,[8] ohne dass dies in der Folgezeit jedoch zu einer weiteren gesetzlichen Beschränkung der Sicherungsverwahrung geführt hätte.

 

Einzelne in den Medien ausführlich behandelte Ereignisse, welche besonders grausam waren und die Bevölkerung bewegten, bildeten dann um die Jahrtausendwende den Auslöser für ein neues Sicherheitsdenken und der Gesetzgeber „entdeckte und belebte“ die Sicherungsverwahrung erneut.[9] Nach dem Fall Dutroux in Belgien und ähnlich spektakulären Straftaten gegen Kinder in Deutschland in den Jahren 1996 und 1997[10] sowie infolge einer allgemeinen „Strafverhärtungstendenz“[11] erfolgten Verschärfungen des Rechts der Sicherungsverwahrung innerhalb kurzer Zeit.[12]

 

Vor allem das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten aus dem Jahr 1998[13] senkte die Anordnungsvoraussetzungen für die Sicherungsverwahrung und verschärfte den Vollzug. Insbesondere wurden die Anzahl der für eine Sicherungsverwahrung erforderlichen schweren Straftaten von drei auf zwei herabgesetzt und die Zehn-Jahres-Begrenzung bei erstmaliger Anordnung der Sicherungsverwahrung rückwirkend abgeschafft.

 

Der viel zitierte Satz von Altbundeskanzler Gerhard SchröderWegsperren, und zwar für immer“ aus dem Jahr 2001 läutete weitere Gesetzesverschärfungen ein.[14] In den Jahren 2003 und 2004 wurden zwei neue Varianten der Sicherungsverwahrung in das deutsche Strafrecht aufgenommen. So wurden die vorbehaltene (vgl. § 66a StGB)[15] und die nachträgliche Sicherungsverwahrung (vgl. § 66b StGB)[16] eingeführt. Parallel hierzu wurde die Möglichkeit geschaffen, die vorbehaltene oder nachträgliche Sicherungsverwahrung gegenüber Heranwachsenden, die nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden sind, anzuordnen (vgl. § 106 Abs. 3 bis 6 JGG). Im März 2007 wurden die Regelungen der nachträglichen Sicherungsverwahrung schließlich auf sog. „Altfälle“ erstreckt (vgl. § 66b Abs. 1 Satz 2 JGG).[17] Im Vorfeld hatte der ehemalige CSU-Chef Edmund Stoiber Bundesjustizministerin Brigitte Zypries „mangelnden Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern“ vorgeworfen.[18]

 

Die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht bildet vorerst den Abschluss der Entwicklung des Rechts der Sicherungsverwahrung und bricht mit der bestehenden Rechtstradition. Bislang galt die Verbindung von Jugendstrafrecht und Sicherungsverwahrung als „tabu“.[19] Aus historischer Sicht ist hervorzuheben, dass noch bis zum Jahr 2003 die Sicherungsverwahrung nicht einmal gegenüber Heranwachsenden angeordnet werden konnte. Selbst das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung aus dem Jahr 1933 nahm Jugendliche von der Anwendung dieser einschneidenden Maßregel aus. Diese einschränkende Position des Gesetzes wurde lediglich während des Nationalsozialismus aufgegeben.[20] Zum einen wurde durch die Verordnung zum Schutz gegen jugendliche Schwerverbrecher aus dem Jahre 1939 die Möglichkeit der Anordnung einer Sicherungsverwahrung gegen Jugendliche über 16 Jahre eröffnet. Zum anderen wurde im Jahre 1943 die „Unterbringung in einem Jugendschutzlager“ eingeführt. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Unrechtsgesetze aus den Jahren 1939 und 1943 wieder aufgehoben, so dass eine Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Jugendliche nicht mehr möglich war.[21] Nach Einbeziehung von Heranwachsenden in das Jugendgerichtsgesetz im Jahre 1953 bestimmte § 106 JGG a. F., dass der Richter von der Anordnung der Sicherungsverwahrung bei Heranwachsenden absehen konnte.[22] Im Jahre 1969 nahm der Gesetzgeber alle Heranwachsenden sogar zwingend aus dem Anwendungsbereich der Sicherungsverwahrung heraus.[23]

 

Die im Juli 2008 erfolgte Ermöglichung der Anordnung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht verlässt endgültig die jedenfalls im Bereich des Jugendstrafrechts bislang verfolgten Grundprinzipien. In Fachkreisen wird in diesem Zusammenhang der Standpunkt vertreten, dass auch hiermit ein Ende der Verschärfungen des Rechts der Sicherungsverwahrung nicht zu erwarten sein dürfte und künftig zusätzliche Ausweitungen zu befürchten seien.[24] In diese Richtung geht auch eine im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens durch den Rechtsausschuss vorgebrachte, letztendlich allerdings vom Bundesrat nicht angenommene[25] Empfehlung, die Mindesthöhe der Jugendstrafe für eine Anlasstat im Sinne von § 7 Abs. 2 JGG von sieben auf fünf Jahre herabzusetzen.[26] Daneben sahen die Empfehlungen des Rechtsausschusses weitere Verschärfungen vor, insbesondere eine Erweiterung der Anlasstaten um Straftaten gegen die persönliche Freiheit sowie eine Beschränkung der bestehenden...

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