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Sie lebten das Evangelium

Predigten zu Heiligen und Vorbildern unserer Zeit Sonderband Gottes Volk

AutorMonika Kettenhofen
VerlagVerlag Katholisches Bibelwerk
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783460510302
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Wie Glaubenszeugen unserer Zeit mit der anspruchsvollen Botschaft Jesu gerungen und sie in völlig unterschiedlicher Weise in ihrem Leben verwirklicht haben, verdeutlichen die vorliegenden Predigten. Aus diesem besonderen Blickwinkel heraus ermutigen die biblischen Texte, sich dem Anspruch Jesu zu stellen. Liturgische Anregungen und Meditationen vervollständigen die Lebensbilder.

Monika Kettenhofen, Diplomtheologin, verheiratet, drei Kinder, Lehrerin an einer Beruflichen Schule und einer Sonderschule für Geistigbehinderte, langjährige Leiterin von Wortgottesfeiern.

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Leseprobe

11. Sonntag im Jahreskreis B


Frère Roger und das Senfkorn Taizé


Einführung

Eigentlich braucht man ihn nicht vorstellen: Frère Roger Schutz, den Gründer von Taizé. Zusammen mit Mutter Teresa ist er der wohl bekannteste Glaubenszeuge unserer Zeit. Auch nach seinem gewaltsamen Tod 2005 übt der kleine Ort Taizé in Burgund eine ungebrochene Anziehungskraft auf mehrere tausend Jugendliche jährlich aus. Sein Lebenswerk ist wie ein Leuchtturm in der Kirchenlandschaft. Er wollte sich mit der Spaltung der Christen nicht abfinden, die „Communauté de Taizé“ soll ein „Gleichnis der Gemeinschaft“ sein und ist daher selbstverständlich ökumenisch ausgerichtet. Zahlreiche Schriften und die jährlichen Briefe an die Jugendlichen, vor allem aber die Regel von Taizé, die er immer wieder überarbeitet hat, sind Auslegungen des Evangeliums. Doch die eigentliche Auslegung des Evangeliums ist zweifellos die Person Frère Rogers selbst, seine große Ausstrahlung, seine staunenswerte Güte und vorbehaltlose Zuwendung zu jedem und jeder. Von ihm stammt das Wort: „Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Lebe es.“ Frère Roger Schutz ist heute einer der wichtigsten Glaubenszeugen – einer, der das Evangelium gelebt hat.

Leben

Roger Louis Schutz-Marsauche wurde am 12. Mai 1915 in Provence, in der französischen Schweiz, geboren.

Er wuchs in einem reformierten Pfarrhaus als jüngstes Kind mit einem Bruder und sieben Schwestern auf. Prägend waren die Frömmigkeit und das Vorbild seiner Großmutter.

In seiner Gymnasialzeit bezeichnete er sich als Nichtglaubender.

Er erkrankte an einer lebensgefährlichen Lungentuberkulose. Als eine Schwester ebenfalls auf den Tod erkrankte, führte ihn diese Krise zum Glauben zurück.

Ab 1937 studierte er Theologie an der freikirchlichen Fakultät Lausanne und Straßburg.

1940 fand er in Taizé ein Haus für seinen Plan einer Gemeinschaft, die das christliche Ideal der Versöhnung lebt.

Da Taizé nahe der Demarkationslinie zwischen besetztem Norden und dem Süden Frankreichs lag, konnte er Juden und verfolgten Oppositionellen Schutz bieten und zur Flucht verhelfen, bis die Gestapo 1942 das Haus besetzte. Frère Roger befand sich zu diesem Zeitpunkt gerade mit einem Flüchtling in der Schweiz.

1943 beendete er sein Studium mit einer Abschlussarbeit über „Das Mönchsideal vor Benedikt und seine Übereinstimmung mit dem Evangelium“ und wurde durch die evangelisch-reformierte Kirche zum Pfarrer ordiniert.

1944 kehrte er mit drei Freunden nach Taizé zurück. Aus der Arbeit mit Kriegswaisen ging die Gründung der Communauté de Taizé unter dem Priorat von Frère Roger hervor.

1949 legten die ersten sieben Brüder ihre Gelübde ab. Damit war ein protestantischer Männerorden gegründet, der schon bald zur ersten ökumenischen Brüdergemeinschaft der Kirchengeschichte wurde.

Ab 1951 brachen die ersten Brüder von Taizé auf, um sich an den sozialen Brennpunkten weltweit einzubringen und mit den Armen zu leben.

Schon Ende der Fünfzigerjahre öffnete sich die Gemeinschaft für Menschen aller Konfessionen und Nationalitäten. Taizé wurde als Stätte des Gebets, des Friedens und der Versöhnung Anziehungspunkt für mehrere hunderttausend Menschen jährlich.

Von 1962 bis 1965 nahm Frère Roger auf Einladung von Papst Johannes XXIII. als Beobachter am 2. Vatikanischen Konzil teil.

Vom 28. August bis 2. September 1974 fand ein „Konzil der Jugend“ statt, das Taizé weltweit bekannt machte. Es folgte ab 1979 der „Pilgerweg des Vertrauens“ mit europäischen, inzwischen internationalen, ökumenischen Jugendtreffen jeweils am Jahreswechsel. Frère Roger verfasste jährlich einen „Brief aus Taizé“ an die Jugendlichen.

Er erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, unter anderem 1988 den UNESCO-Preis für Friedenserziehung und 1989 den Karlspreis der Stadt Aachen.

Am 16. August 2005 wurde Frère Roger von einer psychisch kranken Frau mit einem Messer tödlich verletzt. Schon acht Jahre vor seinem Tod hatte er Frère Alois Löser zu seinem Nachfolger bestimmt.

Zum Weiterlesen

Yves Chiron, Frère Roger – Gründer von Taizé. Eine Biographie, Pustet, Regensburg 2009.

Frère Roger, Taizé 1915-2005, Die Liebe wählen, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2013.

Frére Roger, Aus der Stille des Herzens. Gebete, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2014.

Frére Roger, Die Grundlagen der Communauté von Taizé, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2016.

Klaus Hamburger, Danke, Frère Roger. Persönliche Erinnerungen an den Gründer von Taizé, adeo Verlag, Asslar 2015.

Hinführung zum Evangelium

Wie kann man erklären, was „Reich Gottes“ bedeutet? Jesus hält keinen theologischen Vortrag. Er definiert „Reich Gottes“ nicht und engt es so nicht ein. Jesus spricht lieber in Bildern und in Gleichnissen. Denn das Reich Gottes ist etwas Dynamisches, ist Wachsen von ganz klein zu ganz groß: Ein kleines Senfkorn Vertrauen reicht schon für das Reich Gottes!

Evangelium (Mk 4,26-34)

Er sagte: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät;

dann schläft er und steht wieder auf, es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie. Die Erde bringt von selbst ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre. Sobald aber die Frucht reif ist, legt er die Sichel an; denn die Zeit der Ernte ist da.

Er sagte: Womit sollen wir das Reich Gottes vergleichen, mit welchem Gleichnis sollen wir es beschreiben? Es gleicht einem Senfkorn. Dieses ist das kleinste von allen Samenkörnern, die man in die Erde sät. Ist es aber gesät, dann geht es auf und wird größer als alle anderen Gewächse und treibt große Zweige, sodass in seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten können.

Durch viele solche Gleichnisse verkündete er ihnen das Wort, so wie sie es aufnehmen konnten. Er redete nur in Gleichnissen zu ihnen; seinen Jüngern aber erklärte er alles, wenn er mit ihnen allein war.

Predigt
Frère Roger und das Senfkorn Taizé


Unscheinbarer Anfang – große Ausstrahlung

Im Jahr 1940 erwarb ein Theologiestudent ein Haus in einem kleinen, heruntergekommenen Dorf in Burgund, ein Haus, das ihm geeignet erschien für ein Leben in einer geistlich-religiösen Gemeinschaft. Zunächst war er alleine. Doch täglich klopften Menschen, die vor den Nationalsozialisten auf der Flucht waren, an seine Tür – Juden, Oppositionelle. Er kochte ihnen Brennnesselsuppe, verfeinert mit Schnecken, beherbergte sie und half ihnen über die Grenze in die Schweiz zu fliehen. So klein wie ein Samenkorn, so unscheinbar wie das Senfkorn begann es. Heute leben dort mehr als hundert Brüder aus 25 Nationen in dieser Gemeinschaft, der Communauté, darunter Katholiken, Anglikaner, Mitglieder verschiedener evangelischer Kirchen. Heute besuchen jedes Jahr Tausende von Jugendlichen aus aller Welt diesen Ort auf der Suche nach Gemeinschaft, nach Spiritualität, nach Frieden. Von dort aus begann der „Pilgerweg der Versöhnung“, der alljährlich in wechselnde europäische Metropolen führt und immer mehrere zehntausend Menschen anzieht. Aus dem winzigen Senfkorn ist ein Baum geworden, Anziehungspunkt und spirituelle Heimat für unzählige Menschen: Taizé.

Der Weg des Roger Schutz

Der Theologiestudent war Roger Schutz: am 12. Mai 1915 in der Schweiz geboren, mit acht Geschwistern als jüngstes Kind in einer Pfarrersfamilie aufgewachsen, nach seinem Studium zum reformierten Pfarrer ordiniert. Prägend waren für ihn der Glaube und das Beispiel seiner Großmutter. Bis zur Erschöpfung half sie Flüchtlingen im Ersten Weltkrieg und trat als Christin unerschrocken für Versöhnung ein. Dieses Samenkorn legte sie in ihren Enkel. Als der jugendliche Roger lebensbedrohlich an Lungentuberkulose erkrankte, traf er die Entscheidungen, die sein ganzes Leben bestimmen sollten. „Warum dieses gegenseitige Sichbekämpfen unter den Menschen und selbst unter den Christen? … Ich fragte mich: Gibt es einen Weg, der so weit führt, alles vom andern zu...

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