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E-Book

Skandal bei Hof

Frauenschicksale an europäischen Königshöfen

AutorThea Leitner
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783492964838
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Wahnsinnige Ehemänner, lebenslanger Hausarrest, grausamste körperliche und seelische Qualen, Isolation in einem intriganten Hofstaat: Alltag für viele adlige Frauen des 17. und 18. Jahrhunderts. Mit feinem psychologischen Gespür erzählt Thea Leitner diese Chroniques scandaleuses, etwa von Sophie Dorothea, der Gemahlin des englischen Königs Gerog I.; Elisabeth Charlotte (Liselotte von der Pfalz), der deutschen Prinzessin am Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV. und von Wilhelmine, der Lieblingsschwester Friedrichs des Großen.

Thea Leitner, geboren in Wien, studierte Malerei, Kunstgeschichte und Sprachen und arbeitete als Journalistin. Nach zahlreichen Kinder- und Jugendbüchern gelang ihr mit »Habsburgs verkaufte Töchter« und weiteren Büchern zur österreichischen Geschichte der Sprung auf die Bestsellerlisten. Thea Leitner lebte bis zu ihrem Tod 2016 in ihrer Geburtsstadt.

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Leseprobe

Mord im Schloß


Sophie Dorothea 1666–1726


Sie war ein Kind der Liebe, und sie wurde von beiden Elternteilen gleichermaßen vergöttert, verwöhnt und verzogen. Dazu war sie außergewöhnlich schön, außergewöhnlich impulsiv, herzlich und – kokett. Die Katastrophe im Leben der Prinzessin Sophie Dorothea war unausweichlich, denn neben den vielen guten standen auch drei böse Feen an ihrer Wiege. Sie trugen die Namen »Verschmähte Liebe«, »Verbotene Liebe« und »gekränkte Ehre einer adelsstolzen Fürstin«.

Ihr Vater war Herzog Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg aus dem edlen Geschlecht der Weifen. Er und sein jüngerer Bruder Ernst August regierten, voneinander getrennt, nach einem komplizierten Erbteilungssystem, das für unsere Geschichte ohne Belang ist, über das Herzogtum Lüneburg (später hieß es Herzogtum Hannover). Sophie Dorotheas Vater residierte in dem damals bedeutenderen Celle, sein Bruder in Hannover.

Georg Wilhelm und Ernst August, einander herzlich zugetan, scherten sich wenig um ihr kleines Reich. Während Deutschland, ausgeplündert, ausgepowert, ausgebrannt, unter den Nachwehen des Dreißigjährigen Krieges litt, reisten die beiden jungen Herren durch halb Europa, zerstreuten sich bei Kartenspiel und Karneval, bei Fest und Tanz, und das immer in Begleitung ansehnlicher und williger Frauenzimmer.

Die beiden hätten ihr lustiges Leben vermutlich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag fortgeführt, wären die Landstände von Celle nicht rebellisch geworden: Sie stellten Georg Wilhelm, den älteren der beiden Brüder, vor die Wahl, entweder standesgemäß zu heiraten und für Nachwuchs zu sorgen, wie es seine herzogliche Pflicht war, oder auf weitere Apanagen zu verzichten. Georg Wilhelm besaß zwar ein beträchtliches Privatvermögen – die Staatseinkünfte wollte er aber auch nicht missen. Er sagte ja und amen, als man ihm auch gleich die scheinbar passende Braut anbot: Sophie von der Pfalz, stolze, aber mittellose Nachfahrin der Maria Stuart (siehe Einleitung »Als Liebe noch das Leben kostete«).

Er reiste nach Heidelberg, wo Sophie in der Residenz ihres Bruders Karl Ludwig, Kurfürst von der Pfalz, unauffällig lebte. Sophie war fast achtundzwanzig, langnasig, schmallippig, dünnhaarig, und sie hatte außer einer spitzen Zunge auch etliche Pockennarben. In den Augen allerdings blitzte wache Intelligenz.

Meist war sie damit beschäftigt, für die Kinder ihres Bruders zu sorgen, einen Jungen und ein Mädchen, die unter den ständigen Reibereien der Eltern zu leiden hatten und darum der Liebe ihrer Tante Sophie besonders bedurften. Sophies bevorzugter Liebling war die kleine Elisabeth Charlotte, ein vergnügter Pausback – später die berühmte Liselotte von der Pfalz, der das folgende Kapitel dieses Buches gewidmet ist.

Sophie mußte ihrem Schöpfer auf den Knien danken, den stattlichen Georg Wilhelm zum Mann und damit die Würde einer Herzogin zu bekommen, nachdem sich das bislang einzige Heiratsprojekt mit ihrem Vetter, dem späteren Karl II. von England, zerschlagen hatte. Daß Georg Wilhelm sie nicht aus Liebe heiraten würde, wußte sie nur zu gut, daß er aber einfach das Hasenpanier ergriff und sie buchstäblich verkaufte – das war schier unerträglich. Da wurde Haß fürs Leben gesät …

Wie Georg Wilhelm es anstellte, seinen Bruder Ernst August zu beschwatzen, an seiner Statt in den Ehekontrakt einzutreten, ist nicht überliefert. Finanzielle Argumente dürften eine wesentliche Rolle gespielt haben. Georg Wilhelm sagte dem Bruder erhebliche regelmäßige Einkünfte zu, schriftlich verpflichtete er sich, »… keineswegs in einige Heirath mit niemand einzulassen und die noch übrige Zeit meines Lebens in Coelibatu gänzlich hinzubringen«. Ernst August und seine Nachkommen sollten Georg Wilhelm beerben, Celle und Hannover würden in einer Linie vereint.

Ernst August und Sophie heirateten 1658. 1660 wurde ihr erster Sohn Georg Ludwig geboren, fünf weitere Knaben und ein einziges Mädchen folgten rasch hintereinander.

So weit, so gut. Georg Wilhelm war die ungeliebte Braut los – aber zum Leben in Keuschheit war er nun einmal nicht geschaffen. Er flüchtete zunächst nach Venedig, erholte sich in den Armen einer langjährigen Geliebten von dem ausgestandenen Schrecken, ehe er sein Wanderleben wieder aufnahm.

Es führte ihn eines Tages ins holländische Breda, eine alte Festungsstadt, wo es damals kaum weniger hoch herging als in Venedig. Breda war der Treff- und Sammelpunkt der großen Welt, sofern sie gezwungen war, ihr Dasein im Exil zu verbringen. Abgetakelte, aber wohlsituierte Adlige aus England lebten dort ebenso wie verarmte Hugenotten aus Frankreich, und da man sonst nichts zu tun hatte, amüsierte man sich Tag und Nacht.

Der spätere englische König Karl II., dessen Vater hingerichtet worden war, führte in Breda ein aufwendiges Schein-Hofleben. Viel lieber besucht wurden allerdings die großartigen Gesellschaften der Prinzessin von Tarent, Gemahlin eines Hugenotten. Ihre Erste Hofdame, Eleonore dʼOlbreuse, ebenfalls aus Frankreich vertriebene Hugenottin, war das Ziel vieler lüsterner Männerblicke. Mit ihren braunen Mandelaugen, der phantastischen Fülle kastanienfarbenen Haares und biegsamer Schlankheit erweckte sie Wünsche und Träume, allerdings keineswegs Heiratswünsche – denn außer sich selbst hatte sie nicht das geringste zu bieten. Aber dieses Selbst, ihr einziges Kapital, das verteidigte sie mit der Entschlossenheit einer Jeanne dʼArc.

Auch Georg Wilhelm war unter ihren Anbetern, und ihm, dem ehernen Junggesellen, der auf die Vierzig zuging, widerfuhr, was ihm noch nie widerfahren war: Er verliebte sich rettungslos, und er war zu allem bereit, wobei es über das Ausmaß dieses »Alles« erhebliche Unterschiede in der Auslegung gab. Georg Wilhelm meinte eine morganatische Ehe, Eleonore dʼOlbreuse wollte die volle Anerkennung als ebenbürtige Herzogin.

Sie zögerte lange, dann stimmte sie doch einer Ehe zur Linken zu: Georg Wilhelm vermachte ihr sein gesamtes Privatvermögen und versprach, für Eleonores Vater, einen Marquis am Bettelstab, standesgemäß zu sorgen.

Ernst August und Sophie waren außer sich über Georg Wilhelms offensichtlichen Vertragsbruch, besiegelten dann aber doch nolens volens ein weiteres Dokument: Georg Wilhelm bekam, mit der Zustimmung von Bruder und Schwägerin, seine Eleonore (»die Kanaille«, »das Stück Fleisch« nannte sie die empörte Sophie) – aber die Kinder aus dieser Verbindung würden niemals erbberechtigt sein, alles sollte den Nachkommen von Ernst August und Sophie zufallen.

So weit, so gut! Aber was ist schon ein Fetzchen Papier gegen den kämpferischen Willen einer Mutter? Als Eleonore am 15. September 1666 ihr erstes Kind, Sophie Dorothea, gebar, begann ihr langes, zähes Ringen um die volle Anerkennung für sich und ihre Tochter. (Immerhin hatte ein von Georg Wilhelm reichlich entlohnter Genealoge herausgefunden, daß Eleonore in direkter Linie von Karl dem Großen abstammte!)

Der Kampf sollte volle zehn Jahre dauern, ehe, nach zahlreichen Intrigen und Interventionen bis zu Kaiser Leopold I., Eleonores großer Tag anbrach: Sie trat zum zweiten Mal vor den Traualtar, und als sie die Kirche verließ, war sie Herzogin und Sophie Dorothea eine Prinzessin Braunschweig-Lüneburg. Ernst August und Sophie blieben der Vermählung demonstrativ fern. Sophie, die Stuart-Nachkommin, die sich sehr viel auf ihre feine englische Art zugute hielt, höhnte über die neue kleine Prinzessin, sie sei ein »Mausdreck im Pfeffer«. (Um den Schimpf vollkommen zu begreifen, muß man wissen, daß Pfeffer damals fast ebenso kostbar war wie Gold.)

Übrigens: Einen Vertrag zwischen den Brüdern, den Sophie mitunterzeichnete, gab es auch diesmal. Weitere Kinder aus der Verbindung zwischen Georg Wilhelm und Eleonore sollten weder erb- noch nachfolgeberechtigt sein, auch die Titel von Prinzen und Prinzessinnen wurden ihnen abgesprochen. Diese letzte unter den kuriosen brüderlichen Vereinbarungen hatte ausnahmsweise Aussicht, eingehalten zu werden: Herzogin Eleonore war nach drei schweren Fehlgeburten unfruchtbar.

All ihre Liebe richtete sich auf Sophie Dorothea, ein hübsches, lebhaftes Kind, jedermanns Liebling im behäbigen Schloß und in der kleinen Stadt mit ihren heimeligen Fachwerkhäusern. Da Eleonore in den ersten Jahren ihrer Ehe keinerlei offizielle Verpflichtungen auferlegt waren, hatte sie mehr Zeit als andere Damen ihres Standes, sich dem Kind zu widmen. Es entstand eine vollkommene Einheit zwischen Mutter und Tochter. Sophie Dorothea empfing mehr Zärtlichkeit, mehr Aufmerksamkeit als andere Fürstenkinder ihrer Zeit.

Sie war es von Anfang an gewöhnt, geliebt und bewundert zu werden, nicht nur von Vater und Mutter, sondern von...

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