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E-Book

Slow Family

Sieben Zutaten für ein einfaches Leben mit Kindern

AutorJulia Dibbern, Nicola Schmidt
VerlagBeltz
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783407864277
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Überall, wo Kinder in die Welt aufbrechen, gibt es Alternativen zu einem Leben, das immer schneller, technischer und komplizierter wird. In diesem Buch zeigen Julia Dibbern und Nicola Schmidt, wie Eltern und Kinder ihre Bedürfnisse nach Nähe, Natur und Langsamkeit gemeinsam ausleben können. Die beiden Pionierinnen der Artgerecht-Bewegung haben Wege zu mehr Entschleunigung und Nachhaltigkeit im Alltag mit Kindern gefunden, und zwar jenseits vom Vereinbarkeitsstress isolierter Kleinfamilien. Denn Eltern, die sich gemeinschaftlich organisieren, finden nicht nur Entspannung und Abwechslung, sondern auch Lösungen für ein ökonomisches System, das genauso unter Druck steht wie die Mütter und Väter von heute.

Julia Dibbern zählt seit 2004 zu den progressiven Querdenkern im Bereich Erziehung und Beziehung. Im In- und Ausland hält sie Vorträge zur naturnahen Eltern-Kind-Bindung. In ihren Sachbüchern und Vorträgen schlägt sie den Bogen zwischen Familienleben und Planetenglück: Happy Families, happy planet! Sie lebt mit ihrer Familie vor den Toren Hamburgs. Weitere Informationen unter: www.juliadibbern.de.

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Leseprobe

Bullerbü für alle!


»Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe von Menschen die Welt verändern kann. Tatsächlich sind das die Einzigen, die es je getan haben.«

Margaret Mead1

Schnell noch die Wäsche aufhängen, während das große Kind – hoffentlich – schon mal die Schuhe anzieht. Wir kommen zu spät zum Turnen. Nutzt nichts, die Wäsche muss noch eben, damit wir sie morgen früh haben, und … »Hat eigentlich mal wer die Spülmaschine ausgeräumt? Wieso muss das immer ich machen?« Zack, noch den Müll ans Handgelenk gehängt, schnell gucken, ob der Herd aus ist. Sind die Arbeitsunterlagen dabei für die Wartezeit? Das kleine Kind räumt derweil die Schublade mit den Töpfen aus. Drüber stolpern, fluchen, einräumen, das kleine Kind auf den Arm nehmen, Blick auf die Uhr … jetzt aber los! Tür zu, am Schuhregal der Nachbarn hängen bleiben, aua, raus jetzt, wo ist der Autoschlüssel, verflixtnocheins …

»Mama«, sagt das Kind.

»Was?«

»Mama, guck mal, ’metterling!«

Muss das so sein? Wann haben wir uns das letzte Mal die Zeit genommen, um eine Pusteblume zu bewundern? Mit unserem Kind einen Käfer zu untersuchen? Die Delfine in einer Kinderkrakelzeichnung zu finden? Gemeinsam einen Plätzchenteig aufzuessen? Es ist höchste Zeit, langsamer zu werden. Allerhöchste Zeit. Sonst verpassen wir die besten Jahre mit unseren Kindern. Zeit, die wir nie wieder zurückholen können. Und gleichzeitig darf das »Nimm dir Zeit« nicht zum nächsten Punkt auf der Du-bist-nicht-gut-genug-Liste werden, der uns unter Druck setzt.

Deshalb ist dieses Buch eine Anstiftung, das zu tun, was in der Familie wichtig ist. Konsequent. Erhobenen Hauptes. Und hüpfenden Schrittes.

Die gute Nachricht


Aus der Wissenschaft – und aus eigener Erfahrung – wissen wir: Weniger ist wirklich mehr. In jeder Hinsicht.

Wer bewusst aufhört, sich selbst und seine Kinder zu hetzen, beruhigt nicht nur sein Familienleben. Der Satz »Ich nehme mir die Zeit« wirkt viel weiter. Wir schaffen damit mehr Raum und Ruhe für unsere Beziehungen (für das »Dorf«, das es braucht, um Kinder zu erziehen!), unsere Ehe oder Partnerschaft und unsere Gesundheit. Und, so paradox es zunächst klingen mag: Langsam erreichen wir auch besser, was wir uns vornehmen. Wir können unsere Träume besser verwirklichen. Entscheiden, was wirklich wichtig ist.

Einfach deswegen, weil wir achtsamere Entscheidungen treffen. Wir ersparen uns all die zeitraubenden Irrungen und Wirrungen. Ein entspanntes Leben, ein Slow-Family-Leben, ist eine echte Alternative zum derzeit gängigen Modell des Größer-schneller-weiter. Vor allem ist es eine Alternative, die wir selbst nach unseren Wünschen bauen und jeden Tag in unserem Tempo ohne jede Hast umsetzen können.

»Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. … Das kann man niemals schaffen, denkt man. … Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich … Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.« So die weise Lebenseinstellung des Straßenkehrers Beppo aus Michael Endes Roman Momo.

Größer-schneller-weiter hat sich über viele Jahre und Jahrzehnte heimlich, still und leise in unsere Familien geschlichen und bringt vieles mit sich, das nicht nur unwichtig, sondern tatsächlich schädlich ist. Enttarnen wir es gemeinsam! Stellen wir also neue Regeln auf. Einfach, aber radikal. Weg vom vibrierenden Messenger hin zu unserem eigenen Herzschlag. Weg vom grellen Licht der fensterlosen Supermärkte, raus mit nackten Füßen auf die Wiese. Weg von Facebook und hin zu unseren Nächsten! Slow Family ist direkt vor unserer Tür. Direkt in unseren Händen. Doch noch sieht der Alltag in vielen Familien so aus:

Szene 1: Um acht fängt die Schule an, und das Kleine muss spätestens halb neun in der Kita sein, damit Papa um neun im Büro ist. Oder Mama. Wenn ein Meeting ansteht, auch gern mal früher. Papa-Blogger Andreas Clevert beschreibt: »Generalstabsmäßig werden bis Mitternacht des Vortags die notwendigen Dinge vorbereitet: Frühstückstisch gedeckt, Vesperdosen parat, Klamotten vorbereitet. Und an den drei Garderobenhaken hängen schon die Taschen bzw. Schulranzen mit passenden Mützen, Schals und Jacken. Ab halb sieben läuft der Countdown bis zum Schulgong um acht (Nummer 1). Kindergarten eine Ecke weiter (Nummer 2) und aufs Rad mit Nummer 3 zur Kita bis zur Deadline um neun. Wenn ich dann im Büro eintrudele, kann es eigentlich nur besser werden. Im Beruf würde das als ›Herausforderung‹ umschrieben werden. Im Privaten nennt man die Dinge eher beim Namen: Riesenstress.«2

Wenn nur eins der Kinder bei einem straffen Zeitplan »ausfällt«, steigt der Stresspegel ins Unermessliche.

Szene 2: Das Kinderzimmer ist voller Plastikspielzeug, eins bunter als das andere. Der IKEA-Straßenteppich ist nicht mehr benutzbar, weil so viel Zeug darauf herumliegt: auf Knopfdruck sprechende Puppen, die das Kind über seine Vorlieben ausfragen und diese zurückfunken an Mattel, ferngesteuerte pinkfarbene Polyester-Plüschhunde und Plastikpendants, die Leckerlis kacken, dazwischen Filly-Pferde, Barbie-Puppen und was der Spielzeugladen sonst noch so hergibt. Beliebig austauschbar durch Berge von Lego, Nerfguns, Nintendos, Fernlenkautos … Zwischen dem ganzen Zeug: ein müdes Kind.

Als Michael Ende für Momo die sprechende Puppe Bibigirl erfand, war jeder einzelnen Person, die das Buch las (oder später den Film sah), klar, was für eine albtraumhafte Vision dieses Ding darstellte. Wieso haben wir sie trotzdem in unsere Kinderzimmer und – schlimmer noch – in die Herzen unserer Kinder gelassen?

Szene 3: Halb sechs nachmittags, Supermarktkasse. Neonlicht. Kassenpiepsen. Lautsprecherdurchsagen. Der Einkaufswagen ist voll, die Mutter genervt und verschwitzt, das vierjährige Kind, das gerade aus der Kita kommt, quengelig und müde. Um den Einkauf irgendwie gesunden Geistes zu überstehen, drückt die Mutter dem Kind einen Schokoriegel in die Hand.

Diese drei Szenen haben mehreres gemeinsam: Sie machen die Beteiligten nicht glücklich. Sie sind entstanden durch ein denaturiertes Leben in einer bis zum Irrsinn beschleunigten Gesellschaft. Sie basieren auf Angst. Es gibt einen Weg da raus. Nicht einfach. Aber in kleinen Schritten.

Wir sind keine Zivilisationshasser, auch wir finden: Vollzeitjobs, Lego und Waschmaschinen sind prima! Aber wir können uns nicht ewig in alle Richtungen dehnen wie Elastigirl von den »Unglaublichen« und die perfekte Ehe führen, perfekte Eltern sein, die Außerhausarbeit perfekt verrichten und selbstverständlich die Hausarbeit auch noch. Im Gegensatz zu Comicfiguren flutschen Menschen nach solchen Dauerüberdehnungen nicht unbeschadet zurück in ihre alte Form, sondern werden krank. Es ist also an der Zeit, dass wir netter zu uns selbst sind – und damit auch zu unseren Kindern. Lasst uns eine Welt schaffen, in der nicht mehr das Piepen des Messengers, sondern unser Herzschlag den Takt angibt!

Stress: Das Wort steht für Belastung, Druck und Anspannung. Er war ursprünglich eine überlebenswichtige Reaktion – reserviert für Extremsituationen, die nicht unseren Alltag ausmachten. Heute ist das anders: Vieles in unserem Alltag löst genau diese Alarmreaktionen in unseren Körpern aus und schädigt uns so. Zwar gibt es auch guten Stress – Stress, an dem wir wachsen –, doch überwiegt leider meistens schlechter Stress – Stress, an dem wir sogar zerbrechen können.

Dabei spielt eine große Rolle, was wir persönlich als Stress empfinden. Stress ist sehr subjektiv. Was den einen kaltlässt, lässt den anderen völlig die Kontrolle verlieren. Es ist wichtig, sich das klarzumachen, statt zu sagen: »Das musst du einfach gelassener sehen.« Stress kommt zum großen Teil vom nicht steuerbaren vegetativen Nervensystem. Das ist unserer bewussten Kontrolle entzogen. Niemand von uns hat Schuld daran, wenn sein oder ihr Stress-System so »programmiert« ist, dass es schnell hochfährt. Aber: Menschen können lernen, damit umzugehen. Und wir können lernen, Stress zu reduzieren. Denn zu viel Stress schadet. Uns. Unseren Kindern....

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