Social Media – relevant für den B2B-Sektor?
Wenn man an Social-Media-Kampagnen denkt, fallen einem überwiegend oder ausschließlich Aktionen aus dem B2C-Sektor ein. Egal, ob Ron Hammer (Hornbach), Will it blend (Blendtec), Paul Potts (Deutsche Telekom) oder die TippExperience (TippEx) – in aller Regel geht es um Produkte für den Endverbraucher, um Konsumgüter. Einige Beispiele aus dem B2C-Bereich haben wir im letzten Kapitel ja schon analysiert.
Diese Firmen haben, wie eingangs bereits erwähnt, den großen Vorteil, eine enorme Reichweite nutzen zu können. Die potenzielle Zielgruppe einer Deutschen Bahn, einer Deutschen Telekom oder eines Daimler-Konzerns ist nun mal flächendeckend in der allgemeinen Öffentlichkeit vertreten.
Ein Unternehmen des B2B-Sektors hat dagegen naturgemäß meist eine recht eingeschränkte Zielgruppe. Im Extremfall kann sie sich auf ein paar Dutzend Unternehmen beschränken. Aber selbst breiter aufgestellte B2B-Unternehmen richten ihre Leistungen oft auf nur wenige tausend Kunden aus. Da stellt sich die Frage, ob Social Media im B2B-Sektor überhaupt sinnvoll sind.
Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. Dafür ist die Vielfalt im B2B-Sektor (ebenso wie im Endverbrauchermarkt) zu groß. Ein allgemeines Ja oder Nein würde dieser Vielfalt nicht gerecht.
Stattdessen stelle ich im Folgenden einige Kriterien auf, die als Orientierung bei der individuellen Entscheidung für oder gegen den Einsatz von Social Media in Ihrem Unternehmen dienen können.
Lassen sich die Ziele mit Social Media erreichen?
Über das Thema Ziele werden wir im Rahmen der Strategieentwicklung noch ausführlicher sprechen. Aber bereits bei der Entscheidung für oder gegen den Einsatz kommt den Zielen eine große Bedeutung zu. Was möchten Sie mit Social Media Marketing erreichen? Lassen sich diese Ziele überhaupt mit Social Media erreichen?
Wenn Ihr primäres Ziel beispielsweise ein erhöhter Verkauf einer sehr spezialisierten Maschine ist, wird ein gezieltes Mailing an die Entscheider höchstwahrscheinlich einen größeren Erfolg bringen. Liegt Ihr Ziel dagegen in einer engeren Bindung Ihrer Kunden an Ihr Unternehmen, können Social-Media-Maßnahmen sehr gut funktionieren.
Sind die Zielgruppen ausreichend groß?
Darüber hinaus sollte die Zielgruppe, die Sie mit Social-Media-Marketing erreichen wollen, ausreichend groß sein, um den Aufwand zu rechtfertigen. Angenommen, Sie stellen Zubehörteile für Abklingbecken in Atomkraftwerken her. Weltweit existieren ca. 430 Atomkraftwerke, in Deutschland nur acht. Ihre Zielgruppe ist also von vornherein sehr begrenzt. Auch hier dürfte direkter Kundenkontakt mit Vertriebsbesuchen, Mailings und Messekontakten erfolgversprechender sein.
Dabei handelt es sich allerdings nicht um in Stein gemeißelte Größen. Sie entscheiden, ob Ihre Zielgruppe ausreichend groß ist, damit sich Ihr Social-Media-Engagement lohnt. Zumal Sie als Zielgruppe nicht nur (aktuelle oder potenzielle) Kunden sehen sollten, sondern auch alle anderen Stakeholder (zum Beispiel Investoren, Bewerber, die Presse, Branchenverbände usw.). Da sieht das Bild dann schnell anders aus.
Hier kommen aber wieder die Ziele ins Spiel. Wenn Ihr primäres Ziel darin besteht, das Image Ihres Unternehmens zu verbessern, können sich Social Media sehr wohl gut eignen, selbst wenn die Zielgruppe kleiner als im B2C-Markt ausfällt. Doch dazu im nächsten Punkt mehr.
Nutzen die Zielgruppen Social Media?
Die Zielgruppen müssen Social Media nutzen, damit sich der Einsatz für Sie lohnt – logisch. Mit zunehmender Verbreitung der sozialen Medien tritt dieser Aspekt immer weiter in den Hintergrund. Derzeit kann es jedoch passieren, dass Ihre Entscheider nur spärlich im Social Web vertreten sind. Der »typische« Gründer eines deutschen Familienunternehmens, Generation 60+ und »von der alten Schule«, wird nur selten bei Twitter oder XING anzutreffen sein. Besteht Ihre Zielgruppe überwiegend aus diesem Personenkreis, werden Sie sich mit reinen Social-Media-Kampagnen zunächst einmal schwer tun.
Richten Sie in so einem Fall jedoch den Blick ein paar Jahre voraus. Wie wird es in der nachrückenden Generation aussehen? Findet in den nächsten Jahren ein Wechsel in den Geschäftsführungen statt, bei dem jüngere, »digitalere« Führungskräfte vermehrt Entscheidungen treffen? Sie werden es gemerkt haben: Das sind rhetorische Fragen. Es lohnt sich daher, einige Jahre weiterzudenken – das verändert den Blickwinkel auf Sinn und Unsinn des Social-Media-Einsatzes schnell.
Natürlich lohnt sich auch im B2B-Marketing ein Blick auf die gesamten Nutzerzahlen der Social Media. Schließlich sind auch Entscheider in Unternehmen Menschen und damit zumindest teilweise von diesen Nutzerzahlen erfasst. Ob sie die Kanäle nun beruflich oder privat nutzen, kann später differenziert werden.
Facebook ist, was die Nutzerzahlen angeht, mit großem Abstand das reichweitenstärkste Social Network. Derzeit nutzen 28 Millionen Menschen in Deutschland Facebook (Stand: Oktober 2013). Dabei handelt es sich um aktive Accounts, die sich zumindest gelegentlich einloggen – reine Karteileichen zählen hier nicht. Weltweit liegt die Zahl der aktiven Nutzer bei 1,1 Milliarden. Die Zahlen pro Land lassen sich übrigens über das Anzeigentool abrufen (www.facebook.com/advertising) – ein Luxus, den die anderen Netzwerke nicht bieten.
Dementsprechend fällt die gesicherte Datenlage auch schwächer aus. Nutzerzahlen von Twitter, Google+, LinkedIn etc. werden nur unregelmäßig veröffentlicht und basieren teilweise auf externen Hochrechnungen. Bezüglich der für Deutschland geltenden Nutzerzahlen fällt die jährlich erscheinende Studie »Soziale Netzwerke« des Branchenverbandes Bitkom am verlässlichsten aus. Der Ende 2013 erschienene, dritte Durchgang brachte für die wichtigsten Social Networks die Zahlen hervor, die Sie in Abbildung 2.1 sehen.
Abbildung 2.1 In Deutschland genutzte soziale Netzwerke (Quelle: Soziale Netzwerke 2013, Bitkom)
Speziell über die aktuelle Nutzung von Social-Media-Kanälen unter B2B-Entscheidern gibt es ebenfalls eine Reihe von Studien.
Eine der größten Studien kommt vom US-Marktforschungsunternehmen Forrester Research, das im vierten Quartal 2012 über 7.300 B2B-Entscheider in den USA und Europa befragt hat (»How B2B Marketers Use Social Now«). Bei der Frage nach der Wichtigkeit verschiedener Kanäle zur Recherche und Bewertung von einzukaufenden Technologien und Dienstleistungen ergab sich folgendes Bild:
Foren: 63 Prozent
Virtuelle Events und virtuelle Messen: 47 Prozent
Onlinevideos: 46 Prozent
LinkedIn: 40 Prozent
Blogs: 36 Prozent
Professionelle Social-Networking-Sites (ohne LinkedIn, Facebook und Twitter): 35 Prozent
Twitter: 19 Prozent
Facebook: 19 Prozent
Obwohl also Facebook und Twitter am unteren Ende der Liste rangieren, nutzt immerhin jeder fünfte Entscheider diese Kanäle, um sich vor einem Kauf zu informieren. Mit Blogs, YouTube und LinkedIn können Unternehmen noch höhere Erfolge erzielen.
Eine weitere Forrester-Studie untersuchte die Frage, ob B2B-Entscheider diese Kanäle privat oder beruflich nutzen (soweit hier überhaupt noch eine Trennung möglich ist). Die Untersuchung »The Social Behaviors Of Your B2B Customers« kam zu folgenden Ergebnissen:
Ein Großteil der B2B-Entscheider nutzt die sozialen Netzwerke sowohl beruflich als auch privat. Rein beruflich liegt die Nutzung von Facebook (2 %), Twitter (6 %) und Google+ (4 %) auf einem sehr geringen Niveau. So oder so kommt man jeweils auf Werte um die 40 %.
Abbildung 2.2 Wie B2B-Entscheider Social Media nutzen (Quelle: Marketingcharts. com)
Diese Zahlen machen eines deutlich: Social Media können heute und auf absehbare Zeit nicht als alleiniges Marketinginstrument im B2B-Sektor dienen. Dafür ist die Nutzung noch auf einem zu geringen Niveau. Stattdessen sollten Sie Social Media immer als Ergänzung zu anderen Maßnahmen sehen – was Sie höchstwahrscheinlich ohnehin bereits tun.
Besonders interessante Erkenntnisse liefert auch der »Global Web Index«, in dessen Rahmen 17.000 B2B-Entscheider befragt wurden. Darunter zeigte sich unter anderem, dass B2B-Entscheider ...
Twitter doppelt so häufig nutzen wie andere User,
ebenfalls Social Networks stärker nutzen als der durchschnittliche Internetnutzer und
sich von Social Media stärker in ihren Investitionsentscheidungen beeinflussen lassen als von Direktmails (15 % vs. 13 %) oder Verkaufspräsentationen (14 % vs. 11 %).
Beim Top-Management lagen Social Media mit 16 % gleichauf mit Verkaufspräsentationen, was...