Körpersprache
Bisher wurde die rein verbale Seite von Kommunikation dargestellt. Die nichtsprachliche oder nonverbale Kommunikation ist jedoch genauso wichtig, sogar wichtiger, wie wir gleich sehen werden. Die nonverbale Kommunikation wird in den aktiven Teil, der darin besteht, welche Körpersprache Sie aktiv und bewusst einsetzen, um überzeugend zu wirken, und den passiven Teil, der die Körpersprache der anderen meint, unterschieden. Im letzteren Fall sind Sie zwar aufmerksam, aber Sie beobachten nur, sind also in diesem Sinne passiv. Sowohl das überzeugende Auftreten wie auch das treffsichere Interpretieren sind zwei weitere wesentliche Bestandteile der Verhandlungsführung.
Körpersprache aktiv einsetzen
Unsere Kommunikation besteht aus drei Teilbereichen:
- verbale Kommunikation: Worte, Wortwahl, Grammatik, Satzbau, Satzlänge. Das ist der Inhalt dessen, was wir sagen, unsere Argumente, unsere Überlegungen, alles, was wir in Worten ausdrücken.
- nonverbale Kommunikation: all die Dinge, die nichts mit Worten zu tun haben, vor allem Gestik und Mimik. Auch Blicke und die Körperhaltung sind als nonverbal zu bezeichnen.
- paraverbale Kommunikation: Dieser dritte Bereich beschreibt alles, was bei unseren Worten noch «mitschwingt». Wenn wir sprechen, spielen neben dem Text auch die Lautstärke, die Schnelligkeit, die Sprachmelodie und die Deutlichkeit des Sprechens eine wichtige Rolle.
Zwischen 1967 und 1973 hat Albert Mehrabian das Verhältnis dieser drei Bereiche zueinander erforscht. In verschiedenen Experimenten wurde untersucht, wie es sich auswirkt, wenn Text, Stimme und Gestik bzw. Mimik jeweils zueinander variiert werden. Dazu hat er Fotos mit unterschiedlicher Mimik gezeigt, zugleich Worte mit unterschiedlicher Betonung aussprechen lassen. Die Ergebnisse, auch wenn sie in einer Laborsituation zustande kamen, haben damals viele überrascht und können folgendermaßen zusammenfasst werden:
Es kommt nicht nur darauf an, was, sondern wie etwas gesagt wird. Insbesondere ist wichtig, ob der Inhalt einer Aussage und die Art und Weise, wie diese kommuniziert wird, übereinstimmen oder nicht. Wenn keine Stimmigkeit wahrgenommen wird, reagieren die Empfänger der Botschaft sehr sensibel.
Der optische «Kanal» der Kommunikation, d. h. die nonverbale Kommunikation, trug in den Laborexperimenten zu 55 % dazu bei, wie eine Botschaft auf den Empfänger wirkt. Gestik und Mimik haben also großen Einfluss, mehr als die Hälfte der Wirkung hängt davon ab. Von den übrigen 45 % entfiel ein großer Part auf die paraverbalen Anteile der Kommunikation: 38 % unserer Wirkung werden dem rein akustischen Kanal zugeschrieben. Sie sehen: Nur 7 % der Wirkung werden alleine durch die Formulierung, durch den Text erzeugt. Das erscheint vielen Menschen im ersten Moment schwer nachvollziehbar. Auch wenn die Ergebnisse im Labor zustande kamen und mit reduziertem Material (Fotos, Stimmproben, einzelne Worte) getestet wurde, bleibt das Verhältnis der drei Bereiche zueinander überraschend: Die Körpersprache – Gestik, Mimik und Sprechweise also – spielt eine starke und besser nicht zu ignorierende Rolle, wenn etwas vermittelt werden soll.
Wenn Sie nachdenken, sich umschauen, werden Sie womöglich erkennen, dass es bei manchen Personen auf Führungspositionen tatsächlich weniger auf ihre klugen Worte, sondern auf die Art und Weise ihres Auftretens angekommen ist. Besonders deutlich ist das oft in der Politik zu erkennen, wo die Inhalte häufig austauschbar oder belanglos sind. Stattdessen gewinnt derjenige, der die beste Gesamtwirkung erzeugt. Nennen Sie es Ausstrahlung oder Charisma – diese beiden Aspekte des Überzeugens werden zu einem großen Teil durch Gestik, Mimik und Sprechweise vermittelt.
Für die praktische Anwendung im Alltag bedeutet das, dass Sie nicht allein auf Ihre Worte achten sollten, wenn Sie überzeugend sein wollen. Mindestens genauso viel Aufmerksamkeit und Konzentration sollten dem stärksten «Kanal», Ihrer Überzeugungskraft, gelten: Achten Sie auf Ihre nonverbale Kommunikation, die Gestik und Mimik.
Die Frage, welche Art von Gestik besonders überzeugend wirkt, wird intensiv erforscht. Parallel dazu gibt es auch Gesten, die Unsicherheit verraten. Um zu überzeugen, sollten Sie also die erste Art häufig und die zweite selten oder nie einsetzen. Von welchen Gesten ist die Rede?
Illustratoren
Menschen, die von einer Sache überzeugt sind, setzen viele sogenannte Illustratoren ein: Gesten, die nicht nur dynamisch oder lebendig wirken, sondern konkret bildhaft darstellen, was der Sprecher gleichzeitig mit Worten ausdrückt. Dies geschieht ganz unwillkürlich – und offenbar wissen wir das auf einer unbewussten Ebene auch. Anscheinend schließen wir unbewusst darauf, dass der Sprecher von der Sache, über die er spricht, überzeugt ist, wenn er bildhafte Gesten einsetzt. Diese «Kongruenz», die Übereinstimmung der Worte und der Gesten, wirkt offenbar auf uns authentisch. Unser Gehirn denkt: «In Ordnung, wenn der so viele bildhafte Gesten einsetzt, scheint er wohl von seiner Sache sehr überzeugt zu sein; und wenn er so sehr an das glaubt, was er da sagt, dann wird das bestimmt auch richtig sein.»
Professionelle Sprecher nutzen diesen «mentalen Kurzschluss» für sich aus. Sie üben, häufig starke Illustratoren einzusetzen, weil sie wissen, dass dieses Verhalten auf denjenigen, der ihnen zuhört, automatisch überzeugend wirkt.
(mögliche Gestik in Klammern): «Lieber Herr Meier, hier haben Sie etwas sehr Wichtiges gesagt (anerkennendes Nicken, ggf. Daumen hoch). Wie wollen wir beide (Geste mit der Handfläche nach oben auf den anderen zu) diesen Paragraphen angehen (Kopf etwas schräg legen)? Was halten Sie davon, wenn wir uns jeden Satz einzeln anschauen, damit wir sicher sind, dass alles genau passt (Hand macht Geste wie beim Salamischneiden)? Sowohl für Sie (offene Handfläche zum anderen hin) wie auch für uns (Handfläche mehr zu mir selbst).»
Trainieren Sie also, wenn Sie als Sprecher überzeugen wollen, an den wichtigen Stellen Ihre Aussagen mit bildhaften Gesten zu unterstreichen.
Adaptoren
Andere Gesten verraten nicht Sicherheit, sondern Unsicherheit. Diese Gesten werden Adaptoren genannt. Woran erkennen Sie, dass ein Sprecher sich seiner Sache nicht ganz sicher ist? Richtig: Er zupft vielleicht an seinem Ohr. Berührt seine Nase. Streicht den Vollbart glatt, egal, ob er einen trägt oder nicht.
Dieses Nesteln an sich selbst nennt man Selbst-Adaptoren. In die gleiche Gruppe gehören die Fremd-Adaptoren, die das Spielen an Gegenständen bezeichnen. Wenn ich also an einem Kugelschreiber spiele, ihn in der Hand drehe und wende, zehnmal in der Minute klicke und klicke – dann zeige ich unbewusst an dieser Stelle meine Unsicherheit.
Stellen wir uns einige Sätze vor, die von Adaptoren begleitet werden. Wie würde es auf Sie wirken, wenn Ihr Partner sich wie folgt verhält: «Herr Meier (Blick zur Seite, Hand kratzt im Nacken), hier haben wir einen wichtigen Punkt gefunden (nimmt den Kugelschreiber, legt ihn wieder hin, schiebt die Papiere vor sich zusammen). Wir sollten ihn einmal genauer betrachten (streicht sich durchs Haar), damit wir alles gut verstehen (streicht sich eine imaginäre Fluse vom Ärmel).»
Kontrollieren Sie sich also selbst: Wann immer Sie sich an der Nase zupfen, mit einem Kugelschreiber spielen – lassen Sie es sein. Sitzen Sie ruhig und entspannt. Oder, noch besser: Setzen Sie beim Reden Illustratoren ein. Dann sind Ihre Hände positiv beschäftigt. Auch wenn Ihr Gegenüber noch nie ein Buch zur Interpretation von Körpersprache gelesen hat, wirken Ihre Gesten auf ihn dennoch sicher (Illustratoren) oder unsicher (Adaptoren). Unser Unbewusstes kennt diese Gesten und interpretiert sie entsprechend.
- Nehmen Sie ein Buch mit vielen Dialogen und lesen Sie die Dialogstellen. Überlegen Sie, welche bildhaften Gesten an bestimmten Stellen passen könnten. Lesen Sie die Stellen laut und machen Sie die entsprechenden Gesten dazu.
- Übertreiben Sie zum Üben für einige Zeit ganz bewusst.
- Verwenden Sie statt Romanen Poesie – manche Gedichte lassen sich ganz ausgezeichnet «deklamieren», wenn zusätzlich starke Gesten eingesetzt werden!
- Hören Sie Dialoge oder auch Monologe (politische Reden!) im Radio an und üben Sie, noch während Sie die Sätze hören, an den wichtigen Stellen einen Illustrator zu platzieren.
Wir haben in der Kindheit fünf bis zehn Jahre «Zensur» erlitten. Alle Kinder verwenden reichlich und lebhaft Illustratoren – es liegt in der Natur des Menschen. Eltern fordern jedoch häufig «Sitz still!» und «Zapple nicht so rum!» und trainieren uns so zu «ruhigen Erwachsenen». Es gilt daher: Statt diese Übungen über den Verstand durchzuführen, statt zu überlegen, welche Geste wo passen könnte, feuern Sie lieber Ihren inneren Zensor oder senden Sie ihn wenigstens in einen Kurzurlaub – lassen Sie die Stimme von Mama oder Papa verstummen!
Positiv formuliert: Laden Sie Ihre Hände ein, sich zu bewegen. Erlauben Sie ihnen, Sie mit der einen oder anderen Geste zu überraschen – Sie werden merken, wenn die Fesseln erst einmal abgelegt sind, kommen die passenden Gesten ganz von alleine, sie sind dann schneller,...